Die freie Auswahl des Pflichtverteidigers

Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Das hat das Gericht zutreffend erkannt und dementsprechend dem Angeschuldigten mit Zustellung der Anklage folgenden Hinweis gegeben:

In der Strafsache gegen Sie soll Ihnen ein Pflichtverteidiger beigeordnet werden. Sie haben Gelegenheit, innerhalb der oben angegebenen Frist dem Gericht einen Rechtsanwalt zu benennen, von dem Sie verteidigt werden wollen. Dieser Rechtsanwalt sollte möglichst seinen Sitz im Bezirk des Amtsgerichts [$Kleinstadt] haben. Geht innerhalb der Frist von Ihnen kein Vorschlag ein, so wird das Gericht einen Rechtsanwalt auswählen und Ihnen als Pflichtverteidiger bestellen.

Zutreffend ist, daß der Angeschuldigte sich seinen Verteidiger aussuchen darf (und sollte!). Falsch ist allerdings, daß die Suche auf Verteidiger aus dem Bezirk des Gericht zu beschränken ist.

Das hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.10.2009 bewußt und gewollt geändert. Bis zu diesem Tag sollte der Richter den Pflichtverteidiger „möglichst aus der Zahl beim der bei einem Gericht des Gerichtsbezirks zugelassenen Anwälte“ auswählen, hieß es. Ab dem 1.11.2009 ist in der Neufassung des § 142 StPO diese Beschränkung weggefallen.

Das Merkmal der Ortsansässigkeit ist entfallen. Gott sei Dank, kann man da nur sagen, obwohl dieses Merkmal zum Schluss schon nicht mehr eine so große Rolle gespielt hat und zunehmend auf den “Anwalt des Vertrauens” abgestellt worden ist. Aber: Häufig dann, wenn ein “unbequemer” RA als Pflichtverteidiger beigeordnet werden sollte, wurde dann doch gelegentlich noch auf die Frage der “Ortsansässigkeit” abgestellt und damit die Beiordnung dann verweigert. Das geht jetzt nicht mehr (so einfach). Denn der RA, der vom Beschuldigten benannt wird, “ist” beizuordnen.

schrieb schon am 1.10.2009 Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D. im Strafrecht Online Blog

Offenbar ist diese Gesetzesänderung in den Textbausteinen des Amtsgerichts noch nicht angekommen. Das ist sicherlich kein böser Wille des Gerichts. Sondern lediglich die Sorge um den Landeshaushalt, da nur bei auswärtigen Verteidigern erhöhte (Fahr-)Kosten entstehen.

Der Angeschuldigte ist in der Wahl des Verteidigers seines Vertrauens also grundsätzlich frei. Und wenn er einen auswärtigen Strafverteidiger haben möchte, dann bekommt er ihn eben auch.

Ich werde dann beim Gericht ‚mal ein update des Textbausteins anregen – auch wenn ich den Kollegen vor Ort damit keinen Gefalle tue.

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Die Staatsanwaltschaft und die Informationspolitik

Den Staatsanwälten hier zu Lande fehlen klare Regeln für ihre Informationspolitik. Also machen sie sich welche selbst.

Quelle: Jost Müller-Neuhof im Tagesspiegel

Einige Staatsanwälte beherrschen diese Selbstregulierung, andere eher nicht. Im aktuellen Fall scheint es zu funktionieren, bei dem ehemaligen SPD-Politiker und bei dem Es-Postmann hatten Staatsanwälte ein weniger gutes Händchen dafür.

Link gefunden bei recht_kom

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Späte Kritik an Nazis-raus-Beitrag

Ein Blogleser kommentiert einen älteren Blog Beitrag, den ich über einen mutigen Gastwirt geschrieben habe. Der Hotelier hatte sich geweigert, NPD-Politikern und ihren Parteifreunden Zimmer zu vermieten.

Damit der Kommentar nicht in den Tiefen dieses Blogs untergeht, habe ich ihn mal in die erste Reihe gestellt:

Hallo, Rechtsanwalt & Co

Es ist schon beängstigend, wie Sie mit Kritikern umgehen und sich in Ihrer Haltung beweihräuchern. Ihr Format ist alles andere als demokratisch und akzeptabel. Kein Stück besser als jene Spinner, die zu bekämpfen Sie vorgeben. Hönigs armselige, linke Kreaturen, 3 Sommersemester in Moskau mit Stipendium der SED und mit der Lizenz zu peinlicher Selbstgerechtigkeit – peinlich, wirklich peinlich!

Lutz Lievert

Wer auch immer dieser Herr Lievert sein mag … er scheint mit meiner Ansicht nicht einverstanden zu sein, daß man Nazis und ihre Kumpane nicht nur aus Hotels rauswerfen sollte.

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Leitlinie für die Staatswaltschaft

Der Generalstaatsanwalt in Berlin hat für die Berliner Ermittler eine Bedienungsanleitung herausgegeben, die auch für Strafverteidiger von Interesse großem Interesse sein dürfte muß:

Leitlinie zur Sachbehandlung von Ermittlungs- und Strafverfahren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zu Rechtsgrundlagen der Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten.

(pdf – 2 Seiten)

Wenn laufende Ermittlungen auf solche Verkehrsdaten nach § 113a TKG Bezug nehmen, sollte der Strafverteidiger sich mit den Ermittlern über das Beweisverwertungsverbot unterhalten. Das gibt in der nun folgenden Übergangszeit bestimmt ein paar hochinteressante Rechtsgespräche und sicher noch einige spannende Entscheidungen.

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Ärgerlich

In letzter Zeit wiederholte es sich überdurchschnittlich oft. Ich erhalte Auftrag zur Verteidigung und unterhalte mich freundlich mit dem Auftraggeber, über das Vorgehen (erst die Akteneinsicht, dann die Stellungnahme) und auch über die Kosten. Alle haben gute Laune und sind optimistisch.

Dann kommt wie beantragt die Akte der Staatsanwaltschaft, die wir kopieren und zurücksenden.

Den Mandanten informieren wir über den Eingang der Akte und bitten um Zahlung des vereinbarten Honorars für die Akteneinsicht und die nachfolgende Beratung über die Sach- und Rechtslage. Und dann passiert nichts, auch nicht nach einer höflichen Erinnerung.

Irgendwann wird die Staatsanwaltschaft ungeduldig und setzt uns eine Frist zur Stellungnahme. Auch darüber informieren wir den Mandanten. Und es passiert wieder nichts.

Das Spielchen wiederholt sich mit einer Nachfristsetzung durch die Staatsanwaltschaft.

Nun rief mich ein Staatsanwalt an, der sich über meine Unzuverlässigkeit beschweren wollte. Ich hätte doch nun Akteneinsicht bekommen, warum ich denn jetzt keine Stellungnahme abgeben wolle.

Tja, was sage ich nun dem Ermittler, ohne meinen Auftraggeber zu verraten? Ich habe nun folgende indifferente Formulierung gefunden:

… teile ich auf die Anfrage der Staatsanwaltschaft mit, daß ich aus nicht in der Sache selbst begründeten Umständen zur Zeit keine Stellungnahme abgeben werde.

Ein gutes Gefühl habe ich aber auch dabei nicht. Mich ärgert es, wenn die gute Ausgangsposition einer Verteidigung durch Nichtstun sinnlos verbaselt wird.

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Das Rauschgift und die stolze Staatswaltschaft

Intensive Ermittlungen des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft Berlin führten gestern zur Festnahme von drei mutmaßlichen Rauschgifthändlern in Neukölln. Im Fokus der Ermittlungen steht eine 38-jährige deutsche Staatsangehörige, die gestern gegen 14 Uhr von Beamten eines für Rauchgiftdelikte zuständigen Fachkommissariats in der Niemetzstraße festgenommen wurde. Die Tatverdächtige hatte sich zuvor auf einem Parkplatz in Schöneberg mit einem 36-jährigen Deutschen getroffen und war mit ihm gemeinsam nach Neukölln gefahren. Als die beiden ausstiegen, griffen die Fahnder zu. Auch ein 28-Jähriger, der den 36-Jährigen zu dem genannten Treffen gefahren hatte, wurde festgenommen.

Im Auto der 38-Jährigen und in ihrer Wohnung beschlagnahmten die Beamten zunächst einen sechsstelligen Bargeldbetrag, um dann in den Geschäftsräumen der Frau auf 112 Kilogramm Haschisch und 80 Kilogramm Marihuana zu stoßen, die in Stahlschränken lagerten.

Auch bei dem 36-Jährigen wurden die Ermittler fündig. In einem mitgeführten Rucksack und in seiner Wohnung beschlagnahmten sie Bargeld in zusammen sechsstelliger Höhe sowie eine geringe Menge Haschisch.

Die beiden Männer und die 38-Jährige sollen heute einem Ermittlungsrichter zum Erlass eines Haftbefehls vorgeführt werden. Die Ermittlungen dauern an.

Die 112 Kilogramm Cannabisharz (Haschisch) haben einen Straßenhandelswert von rund 690.000 Euro und die 80 Kilogramm Cannabiskraut (Marihuana) einen Straßenhandelswert von etwa 650.000 Euro.

Quelle: Pressemeldung der Polizei Berlin

Die Staatsanwältin war sichtlich stolz bei der Verkündung des Haftbefehls: Eine der vermutlich größten Mengen sichergestelltes Betäubungsmittel in Berlin, betonte sie. Jedenfalls eine „nicht geringe Menge“.

Übrigens:
Das Gesetz kennt den Begriff „Rauschgift“ nicht; das ist die Sprache des Boulevards. Warum die Polizei sich auf dieses Niveau begibt? Um Party zu machen, weil man eine große Menge einer Volksdroge sichergestellt hat?

Ein bisschen professionelle Distanz stünden der Staatsanwältin und den Berichterstattern der Polizei gewiß nicht schlecht.

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Pieks

Es ging um ein paar kleine Mängel an einem Transporter. Der Mandant wurde mit dem Auto auf dem Weg zur Werkstatt angehalten, der Wagen trotz Nachweis des Werkstatt-Termins sichergestellt und begutachtet. Am Ende stand ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von über 200 Euro.

Eigentlich waren die Sachen (Scheinwerferreflektor leicht angerostet; rechter Außenspiegel oben rechts eine briefmarkengroße blinde Stelle; eine von zwei Kennzeichenbeleuchtungen defekt, Ölnebel am Getriebegehäuse) ein Verwarnungsgeld wert, mehr aber nicht.

Der Richter wollte aber nicht. Allen Ernstes behauptet er doch, daß auch ein defektes Polster des Fahrersitzes ein sicherheitsrelevanter Sachmangel wäre:

Wenn da was durchpiekst, ist der Fahrer abgelenkt und es kann zum Unfall kommen.

Ich hatte Mühe, auf dieses „Argument“ nicht zu erwidern. Wenigstens hat er die Geldbuße auf unter 200 Euro reduziert.

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Verteidigung durch einen Medienrechtler

Ich bin gespannt, was dabei herauskommt: Ein bekannter und beliebter TV-Moderator wurde am Samstag in Frankfurt verhaftet. Man legt ihm ein Verbrechen zur Last und schließt ihn weg.

Der Moderator läßt sich Medienberichten zur Folge nun von einem Rechtsanwalt verteidigen, der ansonsten Unternehmen, Verbände und Persönlichkeiten im Marken- und Medienrecht berät.

Ich begreife das nicht. Kein Mensch käme auf die Idee mit einem gebrochenen Bein zum Zahnarzt zu rennen, nur weil man den seit Jahren gut kennt und der einem die Zähne gut in Schuß gehalten hat. Welche Konsequenzen das haben kann, ist bekannt.

Aber vielleicht erkennt der Zahnarzt der Medienrechtler ja doch noch rechtzeitig seine Grenzen. Dem Beschuldigten würde ich es wünschen.

update:
Laut Pressemitteilung seines Unternehmens wird der Beschuldigte von einem erfahrenen Profi verteidigt (der sein Abitur am selben Gymnasium gemacht hat wie ich, allerdings ein paar Jahre vorher).

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Der Baum am 22.03.2010

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Buchtip: Medienarbeit für Rechtsanwälte

Der Autor des „Handbuchs für effektive Kanzlei-PR“, Uwe Wolff, ist ein Journalist, der den üblichen Vorurteilen eines Strafverteidigers entspricht. Und der die üblichen Vorurteile eines Reporters gegenüber Rechtsanwälten pflegt.

Entsprechend dieser anwaltlichen Sicht sind Journalisten

• käufliche Halunken,
• hinterhältig,
• ungebildet,
• neugierig,
• prinzipienlos,
• frech und unverschämt,
• schamlos,
• sensationslüstern,
• ungeduldig,
• haben weder Moral noch Rückgrat,
• haben keine Disziplin,
• tun alles für eine Geschichte bzw. eine „Story“ und
• verstehen keinen komplizierten Sachverhalt.

Nach Ansicht der Journalisten sind Anwälte

• Langweiler, Technokraten
• verknöchert, verstaubt
• halbseiden, prinzipienlos, käuflich
• berechnend, manipulativ, doppelzüngig
• Spielchen treibende Halunken, Strategen
• intelligent, aber ängstlich
• verstockt, steif, humorlos, konservativ, verklemmt
• selbstherrlich
• detailversessen.

Nachdem das also geklärt ist, unternimmt Wolff den Versuch, uns Anwälten die Scheu vor den Journalisten zu nehmen – wie ich meine, recht erfolgreich. Das Buch ist eine Bereicherung der Abteilung „Kanzlei-Marketing“ in meiner Bibliothek.

Ich hab’s gern gelesen und nun noch ein Vorurteil mehr: Wenn man weiß, wie diese Schreiberlinge funktionieren, kann man sie eigentlich doch ganz gut handhaben. Denn die beiden Gruppen haben – nach der darin zitierten Hella Dubrowsky – auch Gemeinsamkeiten:

Die Durchschnittsvertreter beider Berufe sind unglaublich trinkfreudig und trinkfest.

Was Wolff außerdem noch so treibt, kann man hier nachlesen.

Besten Dank an Uwe Wolff an dieser Stelle auch für die Werbung, die er in seinem Buch für dieses Weblog macht. 8-)

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