Kosten

Versuchen kann man es ja mal, oder?

Liebe Frau Justizkosteneinziehungstellensachbearbeiterin, die Sie mir diese Anfrage geschickt haben:

Was – glauben Sie – würden Sie mit mir machen, wenn

  • ich 2008 Ihr Verteidiger gewesen wäre,
  • aus jenem Verfahren noch gut 700 Euro Gerichtskosten offen sind,
  • mehrere Vollstreckungsversuche ergebnislos gewesen waren,
  • ich 2019 wüsste, wo Sie wohnen

und ich jetzt diese Ihre Anschrift der Justizkasse mitteilen würde und dann stünde morgen früh der Gerichtsvollzieher vor Ihrer Tür?

Ich halte fest:
Sie haben ein sonniges Gemüt und ich freue mich über Ihren Optimismus. Aber ich bin weder blöd, noch ein Mandantengeheimnisverräter.

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Bayern: Arbeiten mit Profis

Ich möchte hier noch einmal dem Eindruck entgegen treten, ich hätte etwas gegen *die* Bayern.

Na gut, wenn es um das Strafmaß geht, besonders im Zusammenhang mit dem Fund 0,5 Gramm Cannabiskraut, halte ich an meinen berechtigten (jawoll!!) Vorurteilen fest.

Im strafverteidigenden Umgang mit den und bei der Organisation durch die Justizbehörden liegt Bayern jedoch ganz weit vorn.

Das mache ich aus aktuellem Anlaß noch einmal an einem Beispiel fest.

Stage 1: Frankfurt

Ich hatte mehrere Termine vor dem Landgericht Frankfurt am Main und hatte das Gericht um die Hereingabe eines Vorschusses auf meine Reisekosten (immerhin ein vierstelliger Betrag).

Das Gesetz ist insoweit eindeutig, den Frankfurtern ist das RVG aber augenscheinlich Wurscht.

Wie sich meine Vorschussbitte entwickelt und zu welchen Amputationen das in Frankfurt am Main geführt hat, kann man hier nachlesen. Die weitere hessische Entwicklung war dann noch Anlass für einen weiteren Bericht.

Am Ende jenes hessischen Vorschuss-Verfahrens stand ein gegen mich geführtes Ermittlungsverfahren wegen eines Ehrkränkungsdelikts, das von den professionellen (!) Ermittlern in Berlin auch gleich wieder eingestellt wurde.

Stage 2: München

Nun habe ich ein Verfahren vor dem Landgericht München. Auch hier habe ich um die Hereingabe eines Vorschusses auf die Reisekosten gebeten. Das war am vergangenen Montag. Und Zack: Vier Tage später – am Freitag – war der Vorschuss auf meinem Konto.

Man kann von *den* Bayern halten, was man will. Aber organisieren können sie …

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Ein Jammer: Die Kostenerstattung im Strafverfahren

Gegen Wilhelm Brause und seinen Bruder Anton wurde ein Ermittlungsverfahren geführt. Die Staatsanwaltschaft hatte die Strafanzeige einer Tante der beiden erhalten. Sie trug vor, daß sie den beiden einen fünfstelligen Betrag gegeben hätte. Und jetzt wollten ihre beiden Neffen das Geld nicht zurückzahlen. Deswegen wurde nun wegen Unterschlagung und Betruges gegen die Brüder ermittelt.

Die Tante wurde mehrmals vernommen. Die Inhalte der Vernehmungen unterschieden sich in den Details; nach Ansicht der Staatsanwältin sei aber der Kern der Berichte gleichgeblieben. Deswegen ließ sie nicht locker.

Es folgten zwei Wohnungsdurchsuchungen, bei den nichts gefunden wurde, was auch nur am Rande mit dem angezeigten Geschehen zu tun hatte. Dafür hatten die Nachbarn der Geschwister gute Unterhaltung an ihren Küchenfenstern, als die Polizeibeamten mit reichlich Personal in der Siedlung auftauchten.

Auch die Banken, bei denen die Brüder ihre Konten unterhielten, machten sich so ihre Gedanken, als sie von der Staatsanwaltschaft unter dem Rubrum „Ermittlungen wegen gewerbsmäßigen Betruges u.a. gegen W. und A. Brause“ aufgefordert wurden, die Kontobewegungen der letzten vier Jahre zu dokumentieren. Gefunden wurde: Nichts.

Die Staatsanwältin hatte nur ein einziges Beweismittel: Die Zeugin, die ihren Vorwurf aufrecht erhielt. Und das wollte sie sichern. Deswegen beantragte sie die richterliche Vernehmung dieser Zeugin an ihrem Wohnsitz. Denn die Tante war hochbetagt und wohl auch nicht mehr so ganz fit im Kopf.

Ich habe Wilhelm Brause dazu geraten, diese richterliche Vernehmung der Belastungszeugin nicht einfach über sich ergehen zu lassen. Sondern sich aktiv daran zu beteiligen. Das wollten aber weder er, noch die Staatsanwältin. Er und sein Bruder Anton wurden ausgeschlossen. Also bin ich als Verteidiger von Wilhelm 150 km zum Gericht gefahren und danach wieder zurück.

Die richterliche Vernehmung dauerte eine gute Stunde. Auch ich hatte während der Zeit Gelegenheit ein paar Fragen an die Zeugin zu stellen. Und ich konnte dem Richter auf die Finger schauen bzw. kontrollieren, welche Fragen er in welcher Form stellte und wie sie dann anschließend ins Protokoll gekommen sind.

Am Ende der richterlichen Vernehmung stand fest: Die Tante hatte ein Schließfach bei der Sparkasse und eine Betreuerin den Schlüssel bzw. den Zugang dazu. Gegen die Betreuerin wurde bereits ein Ermittlungsverfahren geführt, das eingestellt wurde. Damit war die Tante nicht einverstanden. Denn ihr Geld war ja weg. Also mußten es ihre beiden Neffen geklaut haben, sagte sie dem Richter.

Ob in dem Schließfach tatsächlich dieser „geklaute“ Betrag gelegen hatte und woher das Geld stammte, konnte die Tante auch nicht erklären.

Jetzt endlich war die Staatsanwältin bereit, das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO gegen Wilhelm und Anton Brause einzustellen. Auf meinen Antrag nach Ziffer 88 RiStBV teilte sie mir mit:

Es war für die beiden Brüder eine große Erleichterung, nach knapp zwei Jahren von diesem existenzbedrohenden Vorwurf befreit worden zu sein.

Erwartungsgemäß war die Freude aber nicht ungetrübt. Denn auf den Kosten für die rund 6 Stunden Arbeit der beiden Verteidiger und weiterer 5 Stunden Fahrtzeit blieben die beiden sitzen. Warum? Weil es das Gesetz so geregelt hat.

Dafür haben unsere Mandanten meist kein Verständnis. Ich habe vor langer Zeit dazu eine Mandanten-Information geschrieben, die aber auch nicht über die Kröte hinwegtröstet, die Beschuldigte in ihrem Dilemma schlucken müssen:

  • Entweder sie verteidigen sich nicht und hoffen darauf, …
  • oder sie finanzieren eine Verteidigung, die darauf achtet, …

… daß die Staatsanwaltschaft und das Gericht alles richtig machen.

Die gesetzlich geregelte Kostenerstattung im Strafverfahren ist alles andere als gerecht, meinen nicht nur Wilhelm und Anton Brause.

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Noch einmal: Der Irrsinn mit den Aktenkopien

Wenn ein Rechtsanwalt seinem Mandanten zum Pflichtverteidiger bestellt wird, muß die Justizkasse dem Verteidiger die gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstatten.

Relativ problemlos ist die Abrechnung der Gebühren. Da gibt es knackige Regeln und feste Beträge im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Anders sieht es aus mit den Auslagen, hochproblematisch ist die Abrechnung der Kopien. Das sieht man dem Gesetz von außen nicht an.

Ziffer 7000 des Vergütungsverzeichnisses (VV) des RVG
… regelt die

Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten […] für Kopien und Ausdrucke […] aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.

Für die ersten 50 abzurechnenden Seiten gibt es für jede kopierte Seite 0,50 €, für jede weitere dann 0,15 €.

Alles klar soweit?
Dann schauen wir uns mal die – Berliner – Praxis an.

Wir haben Akteneinsicht beantragt und das Gericht überläßt uns … sagen wir mal … die 6 Bände der Gerichtsakte. Wir scannen sie ein und geben die Papierakten wieder zurück. Das sind 1.500 Blatt, nach Nr. 7000 VV RVG. Macht: 50 x 0,50 € plus 1.450 x 0,15 € = 242,50 €.

Erstattungsanspruch?
Was erstattet die Berliner Justizkasse? Nichts! Null. Keinen Cent. Und das seit 2015.

Und warum?
Das erklärt uns der Rechtspfleger einer Berliner Strafkammer:

Insoweit wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Kammergerichts vom 28.08.2015 zu – 1 Ws 51/15 – zunächst um Angabe gebeten, ob die geltend gemachten Seiten ausschließlich als Fotokopie in Papierform und nicht zusätzlich zu einem ( von Ihnen selbst/Ihrer Kanzlei, einem beauftragten Dienstleistungsunternehmen, z.B. Copycenter, oder von anderer Seite, z. B. Gericht, Staatsanwaltschaft, Mitverteidiger zur Verfügung gestellten) elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden.

Sofern die Kopien nicht zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden, wird gebeten, dies durch eine entsprechende anwaltliche Versicherung glaubhaft zu machen.

Soweit Kopien / Ausdrucke zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden, wird gebeten, deren Erforderlichkeit näher darzulegen bzw. zu begründen.

Ferner werden Sie um Einreichung des von Ihnen gefertigten Fotokopiensatzes zur Glaubhaftmachung gebeten. Erst dann kann eine Notwendigkeit und Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Beträge von hieraus geprüft werden.

Es wird darauf hingewiesen, dass einen Einreichung per Fax nicht einen Nachweis in körperlicher Form darstellt. Kopierauslagen nach Nr. 7000 VV RVG n. F. – anders als nach Nr. 7000 VV RVG a. F. – fallen nur dann an, wenn tatsächlich auch Kopien in körperlicher Form erstellt wurden. Um dem gerecht zu werden, kann daher grundsätzlich nicht auf die Vorlage der Kopien als Anspruchsnachweis verzichtet werden.

Die Darlegungs- und Beibringungspflicht liegt insoweit bei Ihnen, vgl. Kammergericht, Beschluss vom 5.10.16 -1 Ws 42/16 und 29.3.2017 – 1 Ws 15/17.

Ferner wird darauf hingewiesen, dass Kosten, die Ihnen im Rahmen der Durchsetzung des eigenen Pflichtverteidigervergütungsanspruchs entstehen ( z.B. für Einreichung/ Übermittlung/Übersendung bzw. Abholung der Kopien) als allgemeine Geschäftsunkosten nicht zu erstatten sind.

Dieser epische Vortrag ist das Resultat vielfältiger Auseinandersetzungen zwischen den Berliner Verteidigern und der Justiz.

Das bedeutet:
Wir kopieren die Akten, weil wir ohne Aktenkopien die Mandanten nicht verteidigen können. Der Aufwand, den wir mit der Erstellung der Kopien haben, wird nicht vergütet. Weil wir die Kopien in digitalisierter Form herstellen.

Übrigens:
Sobald die Akten einmal digitalisiert wurden, ist es de facto vorbei mit dem Erstattungsanspruch. Der naheliegende Gedanke, einscannen und dann ausdrucken, wird von der Argumentation der Richter am Kammergericht ins Nirwana umgeleitet.

Keine Alternative
Und wenn man sich jetzt einmal die Arbeitsweise eines Kopierers anschaut – was die Berliner Richter sehr intensiv gemacht haben – weiß man, daß auch der umgekehrte Weg – erstmal ausdrucken und dann (heimlich) einscannen – auch nicht geht. Denn jeder handelsübliche Kopierer scannt erst einmal das Original ein, bevor er an die Druckereinheit weiterleitet. Aus die Maus mit 7000 VV RVG.

Spitzeldienste
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzten, wurden den Jusitzbediensteten aufgegeben, darauf zu achten, welche Verteidiger mit digitalen Aktenkopien arbeiten und welche die Aktenkopien mit der Sackkarre in den Gerichtssaal schleppen.

Auswege?
Legale Möglichkeiten (also außerhalb des § 263 III StGB), den Aufwand erstattet zu bekommen, sehe ich nicht. Vorschläge anyone?

Hinweis:
Ich hatte zu diesem Thema bereits 2015 einen Blogbeitrag geschrieben, der weitere Links zu den Hintergründen enthält.

Update:
Den vollständigen Verfahrensgang zu der Entscheidung des Kammergericht 1 Ws 64/15 habe ich hier als PDF (13 MB) hinterlegt.

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Bild: © Frank Offermann / pixelio.de

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Zahlen bitte!

Der Mandant wurde verhaftet und hat knapp 600 Tage in äußerst übler Auslieferungs- und vergleichsweise komfortabler Untersuchungshaft verbracht. In der Folge hat er seinen kompletten Wohnsitz verloren und schon seit rund drei Jahren kein Einkommen mehr.

In Augsburg ist er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Er sitzt nun in der JVA Gablingen in Strafhaft und wird dort angeblich resozialisiert.

Jetzt hat er noch einmal Post von der Staatsanwaltschaft Augsburg bekommen:

Unter der Rechnung standen da noch die freundlichen Grüße der Staatsanwaltschaft:

Genau mein Humor!

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Na bitte; geht doch!

Das Ergebnis meiner Bemühungen, vom Landgericht Frankfurt einen Vorschuß auf meine Reisekosten zu bekommen, möchte ich in diesem Blogbeitrag vorstellen.

Der Blick gestern Morgen in die Post und auf’s Konto ging in’s Leere. Keine Nachricht, keine Überweisung aus Frankfurt. Ok, dachte ich mir: „Ludi incipiant!“ wie der Altgrieche sagt.

Ich räume ein, mir das Flugticket bereits am Montagabend besorgt zu haben. Die Mandanteninteressen erlaubten es nicht, daß ich die Hauptverhandlung durch Abwesenheit zum Platzen bringe. Ein Ablehnungsgesuch, was auch noch in Betracht kam, war auch nicht das Richtige.

Es gab aber weitere Möglichkeiten, dem dringenden Begehr des Gerichts nach Krawall zu entsprechen. Und außerdem stehen ja noch 7 weitere Termine aus, bei denen die Anreise vorfinanziert werden muß. Deswegen habe ich mich vor der Mittagspause (für den Insider: vor der nächsten Mahlzeit) noch einmal an’s Diktier-Mikrofon gesetzt:

  • Beschwerde zum Oberlandesgericht wegen faktischer Ablehnung durch Nichtbescheidung des Vorschuß-Antrags.
  • Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Landgerichts wegen der Nichtbearbeitung
  • Strafanzeige gegen unbekannt mit der Bitte um Prüfung, ob hier nicht eine Straftat im Amt vorliegen könnte
  • Abschriften dieser Schriftsätze zu Kenntnisnahme an das Justizministerium
  • Und schließlich: Ein zusammenfassender Bericht im hier Blog.

Ob das Ganze nun am Ende nach Hornberg geführt hätte oder nicht … darauf kam’s nicht an. Es hätte jedenfalls für lustige Bewegung im Beamtenapparat gesorgt.

Kurz nachdem ich so richtig in Schwung gekommen war, trudelt hier um 12:18 Uhr ein Fax aus Frankfurt ein:

Die Zeit, die ich eigentlich für den Krawall eingeplant hatte, konnte ich nun für diesen Blogbeitrag nutzen. Und für eine entspannte Mittagspause.

Vielen Dank nach Frankfurt!

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»Jajaja!« rief Meister Böck. »Bosheit ist sein Lebenszweck!«

Aus mutmaßlich gut unterrichteten Justizkreisen wird kolportiert, daß es unter Rechtsanwälten Krawallverteidiger geben soll. Also Strafverteidiger, denen es auf mehr als auf die systembedingten Konflikte ankommt.

Ich prüfe derzeit, ob es auch innerhalb dieser Justizkreise Krawallrechtspfleger und Krawallrichter gibt.

Das Testfeld
Diese Prüfung erfolgt in dem recht überschaubaren Umfeld meines Antrags auf Festsetzung und Auszahlung eines Vorschusses auf die Reisekosten. Ich bin dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger bestellt. In den Monaten Januar und Februar wurde ich zu insgesamt acht Hauptverhandlungstermine vor die 29. Strafkammer des Landgericht Frankfurt am Main geladen. Voraussichtlich fallen pro An- und Abreise 450 Euro an.

Die Verwechselung
Herr Rechtspfleger Rössel vertrat nun die Ansicht, daß sein solcher Vorschuß „nicht festsetzbar“ sei. Da scheint er aber etwas verwechselt zu haben. Recht hätte er, wenn ich einen Vorschuß auf die Pflichtverteidiger-Vergütung beantragt hätte. Habe ich aber nicht.

Kein Kredit
Ich will lediglich die Kosten für Taxi, Bahn und Flugzeug vorgeschossen bekommen. Und warum will ich das? Weil ich es darf und nach § 47 RVG darauf einen Anspruch habe. Und weil ich nicht der Kreditgeber des Landes Hessen sein möchte.

Amputation
Naja, von Rechtspflegern bin ich es ja gewohnt, daß sie auf Krawall gebürstet sind, sobald sie sich von dem Geld der Justizkasse trennen müssen. Das geht eben bei manchen fast nur mit der Kettensäge.

Kandidat Nr. 2
Nun habe ich mir aber noch den Vorsitzenden Richter der 29. Kammer, Herrn Rögler, als Kandidaten für die Krawallprüfung herangeholt. Ich hatte ihm mitgeteilt, daß ich zum nächsten Termin am Mittwoch nicht anreisen werde, wenn mir der Reisekostenvorschuß nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird. Tja, und was schreibt mir Herr Rögler?

… wurden Ihnen unter dem 17.01.2017 1597,47 € angewiesen. Ich gehe daher davon aus, dass sich die Anträge auf Aussetzung der Termine erledigt haben. Eine Aufhebung der Termine ist nicht beabsichtigt.

Noch eine Verwechselung?
Ja, es ist richtig. Herr Rössel war so großzügig, mir knapp 1.600 Euro zu überweisen. Aber sowohl der Rechtspfleger als auch Herr VRiLG Rögler wissen (bzw. hätten wissen können und müssen), daß es sich bei diesem Betrag um die Reisekosten für November und Dezember handelte. Die ich bereits verauslagt hatte. Und nun im Nachhinein erstattet bekam.

Drohende Platzung
Herr Rögler sieht aber nun ein Problem auf sich zukommen. Wenn ich jetzt nicht zum Termin erscheine, platzt das Verfahren. Der letzte Termin war am 10. Januar. Wenn nicht bis zum 1. Februar weiterverhandelt wird, ist die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschritten und es greift § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO. Das mag der Vorsitzende nicht, weil es damit auch eng werden könnte mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen, das seinen Niederschlag in § 121 StPO gefunden hat.

Noch eine Drohung
Was macht der Vorsitzende Rögler also? Richtig! Er droht mir mit einem empfindlichen Übel:

Höchstvorsorglich wird auf § 145 Abs. 4 StPO hingewiesen.

Das reicht ja eigentlich schon fast, um die Ausgangsfrage zu beantworten. Ist der Krawall wirklich notwendig oder leicht vermeidbar?

Verständlich
Ich denke, es ist Konsens, daß der Vorsitzende Richter einer Wirtschaftstrafkammer kein Dummkopf ist. Er wird den Text des § 47 RVG lesen und verstehen können. Wenn nicht: Ihm stehen ja auch noch seine qualifizierten Beisitzerinnen zur Seite, die er mal eben fragen kann. Aber gehört da wirklich mehr als nur ein mittelmäßiges Abitur dazu, um die Worte …

Wenn dem Rechtsanwalt […] ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, kann er für die […] voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern.

… zu verstehen?

Glaubensfrage
Ein intellektuelles Problem scheint also nicht vorzuliegen. Aber was ist das denn dann, das die beiden Justiziellen umtreibt? Es könnte also wirklich der Krawall sein, den die Herren Rössel und Rögler da ohne Not vom Zaun brechen. Glauben die zwei wirklich ernsthaft, ich haue mit dem Kostenvorschuß ab und überlasse meinen Mandanten, den ich seit 2006 vertrete, den Klauen dieser kafkaesken Frankfurter Justiz?

Mal nebenbei eine Frage in die Runde:
Wenn ein Rechtspfleger und/oder ein Richter absichtlich (dolus directus 1. Grades) contra legem handeln – gibt es dafür nicht irgendwo im Strafgesetzbuch eine passende Vorschrift? Und für diese Androhung, mir die Kosten überhelfen zu wollen, wenn ich nicht ohne Vorschuß nach Frankfurt anreise – ist das nicht auch irgendwo im StGB geregelt? Ich kenn mich mit sowas nicht so gut aus …

Epilog

Ach, was muß man oft von bösen
Richtern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
welche Max und Moritz hießen;

Könnte passen.

Aber eine Frage habbich noch:

Wenn der Vorschuß nicht kommt: Soll ich ...


     

 

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Spezialrechtsschutz empfehlenswert

742584_web_R_by_Andreas Hermsdorf_pixelio.deDer Aufwand für eine effektive Verteidigung in erwachsenen Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen ist in aller Regel gewaltig.

Die gesetzlich vorgesehenen Vergütungen für die Arbeit des Verteidigers hingegen unterschreiten nicht selten den gesetzlich vorgesehenen Mindestlohn. Deswegen einigen sich Anwalt und Mandant regelmäßig über die Höhe des Honorars im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung. In unserer Kanzlei vereinbaren wir meistens ein Zeithonorar.

Was passsiert nun,
wenn der Verteidiger erfolgreich ist und das Verfahren vor Erhebung der Anklage eingestellt wird? Richtig: Der Mandant bleibt zu 100 % auf seinen Kosten sitzen.

Also
sollte der Verteidiger besser versuchen, den Staatsanwalt zur Anklageerhebung zu motivieren, um sich dann beim Gericht den Freispruch zu abzuholen? Denn wenn der Angeklagte freigesprochen wird, lautet der zweite Satz des Urteils:

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Hört sich gut an?
Dann verkennen Sie den Begriff der „Notwendigkeit“ der Auslagen. Das ist aus Sicht der Landeskasse nur die gesetzlich vorgesehene Vergütung, für die eine solche Verteidigung nicht leistbar ist(s.o.). Also: Auch beim Freispruch trägt der Mandant den überwiegenden Teil seiner Kosten selbst.

Deswegen
raten Strafverteidiger ihren Mandanten mit den weißen Kragen zum Abschluß einer Spezial-Rechtsschutzversicherung. Darüber schreiben Stefan Glock und Johan van der Veer in der LTO Legal tribune Online vom 27.12.2015. Bitte mal alle lesen!

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Verteidigervergütung am St. Nimmerleinstag

238114_web_R_K_B_by_Roxy_pixelio.deEs war ein ziemlich spektakuläres Verfahren in 2014, bei dem – vor der Feststellung der Personalien meines Mandanten – eine große Menge Feuerwehrautos unterwegs waren.

Nach dem Ermittlungsverfahren ging die Geschichte durch zwei Instanzen der Berliner Gerichte. Auch mit dem Ergebnis des Landgerichts, das über die Berufung entschieden hatte, war der Mandant unzufrieden. Deswegen habe ich für ihn die Revision zum Kammergericht erhoben und zwischenzeitlich auch schon begründet.

Gleichzeitig habe ich die bisher entstanden Kosten für die Pflichtverteidigung abgerechnet und beim dafür zuständigen Amtsgericht deren Festsetzung beantragt. Das war vor etwa 6 Wochen. Auf diesen Antrag reagierte das Gericht:

KFB am StNimmerleinstag

Selbstverständlich ist für diese systemimmanente Unverschämtheit nicht die Justizoberinspektorin verantwortlich, die diese höfliche Bitte freundlich grüßend unterzeichnet hat.

Aber was bleibt einem Pflichtverteidiger denn schon anderes übrig, als die Forderung nach dem Lohn für getane Arbeit mit Nachdruck einzufordern, wenn er nicht verhungern will. Ich werde der Dienstaufsichtsbeschwerde vielleicht eine Schachtel Pralinen als Vorwegentschuldigung an die Kostenbeamtin beifügen. (Aber die darf sie ja noch nicht einmal annehmen …)

Dieses nach altem Papier riechende Justizsystem aus dem vorletzten Jahrhundert ist einfach unerträglich.

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Flotte Rechtspflegerin

443804_web_R_by_campomalo_pixelio.deEs ist ja nicht alles schlecht, was „unsere“ Kostenbeamten in den Justizbehörden machen. Und ich will ja nicht immer nur auf den armen Rechtpflegern herumhacken. Deswegen hier mal wieder etwas Erfreuliches aus Moabit.

Wenn einer unserer Strafverteidiger zum Pflichtverteidiger seines Mandanten bestellt wird, läuft bei uns eine Routine ab: Die zuständige Assistentin des Verteidigers beantragt unmittelbar nach Zugang des Bestellungs-Beschlusses die Festsetztung eines Vorschusses auf die bisher angefallenen Pflichtverteidigergebühren (§ 47 RVG). Und gegebenenfalls auch einen Auslagenvorschuß.

Diese Praxis haben wir uns bei den Richtern, Staatsanwälten und Kostenbeamten abgeguckt: Die arbeiten auch nur dann, wenn sie zu Beginn (!) des Monats ihr Gehalt auf dem Konto haben.

Da es sich bei den Pflichtverteidigergebühren um Festbeträge handelt, deren exakte Höhe im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelt sind, gehen solchen Kostenfestsetzungsanträge regelmäßig auch recht flott durch das Festsetzungsverfahren.

In dem Fall, über den ich hier heute berichte, hatten wir am 8. März den Kostenfestsetzungsantrag nach Moabit geschickt:

KFA PV

Am 30. März trudelte exakt dieser Betrag auf unserem Kanzlei-Konto ein. 14 Arbeitstage zwischen Antrags- und Zahlungseingang, das ist gut. Besten Dank!
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