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Kostenerstattung im Strafverfahren

742584_web_R_by_Andreas Hermsdorf_pixelio.deEin Strafverfahren ist keine erfreuliche Sache, jedenfalls dann nicht, wenn sich die Ermittlungen gegen einen selbst richten. Deswegen möchten (und sollten) sich Beschuldigte der professionellen Hilfe eines Strafverteidigers bedienen, um das Verfahrensende zu erreichen, ohne viel Federn dabei lassen zu müssen.

Wer übernimmt eigentlich die Kosten dafür?
Das ist – wie meistens, wenn man es mit Juristen zu tun bekommt – keine einfach zu beantwortende Frage. Jedenfalls nicht im Strafrecht. Zudem ist die Antwort in den meisten Fällen auch noch unerfreulich.

Ein Strafverfahren kann unterschiedlich enden, entsprechend unterschiedlich sind die Kostenregeln.

Verurteilung:
Unproblematisch ist – das wird man einsehen -, daß der Beschuldigte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, wenn er verurteilt wird. Daran ändert sich grundsätzlich auch nichts, wenn ein Pflichtverteidiger für den Beschuldigten tätig geworden ist.

Freispruch:
Auch im Falle eines Freispruchs gibt es regelmäßig wenig Probleme mit der Kostenerstattung. Denn das Gericht spricht zwei Sätze am Ende der Verhandlung:

  1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
  2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Hier muß der freigesprochene Angeklagte aber wissen, daß die Landeskasse lediglich das gesetzliche Honorar erstattet. Das mit dem Verteidiger vereinbarte Honorar liegt in aller Regel darüber; einen Teil der Kosten muß der Freigesprochene dann auch in diesem Falle tragen. Die sparsamen Hüter der Landeskassen halten diesen Teil für nicht „notwendig“.

Einstellung im Ermittlungsverfahren:
Ziel der Einschaltung eines  Verteidigers ist (in den meisten Fällen) die frühest mögliche Beendigung des Strafverfahrens, also die Einstellung noch im Ermittlungsverfahren. Leider sieht das Strafprozeßrecht genau in diesem Falle keine Erstattung der Kosten des Beschuldigten vor.

Eine Kostenerstattung kommt in aller Regel nur nach Eröffnung des Hauptverfahrens in Betracht. Also erst, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, besteht überhaupt erst die Aussicht auf Freistellung von den Kosten der Verteidigung. Aber exakt die Anklageerhebung ist es aber, was die meisten Beschuldigten mit ihrem Auftrag an einen Verteidiger verhindern möchten.

Schadensersatz nach § 826 BGB
Von diesem unbefriedigenden Ergebnis gibt es (seltene) Ausnahmen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen, wenn es gelänge, den Anzeigeerstattern nachzuweisen, daß sie vorsätzlich, also ganz bewußt, eine falsche Anzeige erstattet hätten. Anspruchsgrundlage dafür wäre § 826 BGB . Dieser lautet auszugsweise:

Wer (…) einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatze des Schadens verpflichtet.

Der Polizeibeamte oder der Geschädigte, der die Anzeige geschrieben hat, wird sich darauf berufen, er sei tatsächlich davon ausgegangen, daß hier eine Straftat vorgelegen haben könnte. Selbst wenn sie einräumen, daß es sich dabei um einen Irrtum gehandelt habe, wird man ihnen allenfalls Fahrlässigkeit bei der Prüfung dieses Sachverhaltes vorwerfen können. Dies löst jedoch keinen Schadensersatzanspruch aus, weil eben der von § 826 BGB geforderte Vorsatz dabei fehlt.

Schadensersatz nach § 469 StPO
Eine weitere Möglichkeit zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches könnte sich aus § 469 StPO ergeben. Dort heißt es:

Ist ein, wenn auch nur außergerichtliches Verfahren durch eine vorsätzlich oder leichtfertig erstattete unwahre Anzeige veranlaßt worden, so hat das Gericht dem Anzeigenden […] die Kosten des Verfahrens und die dem Beschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Daraus ergibt sich, daß auch für diese Vorschrift den Vorsatz zur Anspruchsvoraussetzung macht, allerdings aber auch schon grobe Fahrlässigkeit („leichtfertig“). Die Beweislast dafür, daß der Anzeigeerstatter „vorsätzlich“ oder „leichtfertig“ falsch angezeigt hat, liegt allerdings beim Angezeigten. Er muß also weitere Mühen (und Kosten) auf sich nehmen, um wenigstens eine Aussicht auf Erstattung seiner Kosten zu bekommen. Ob diese neuerliche Belastung dann zum Ziel führt, ist jedoch eher ungewiß.

Schlechtes Ende:
Weitere gesetzliche Möglichkeiten bestehen leider nicht, so daß sich die vorliegende unbefriedigende Rechtsfolge ergibt. Derjenige, der zu Unrecht mit einem Strafverfahren überzogen wird oder dem eine Straftat nicht nachgewiesen werden kann, wird nicht von den ihm entstandenen Kosten freigestellt wird. Es sei denn, er wird angeklagt und freigesprochen.

Extrem-Beispiel:
Aufgrund einer – durchaus handfesten und detailreichen – Strafanzeige wurde in dem Unternehmen des Beschuldigten die gesamte EDV beschlagnahmt. Ihm wurde ein Betrug zulasten eines Mitbewerbers vorgeworfen. 18 Monate später konnte der Beschuldigte mit Hilfe seiner Verteidiger endlich nachweisen, daß der Vorwurf nicht zutraf. Bis dahin hatten die zwei Verteidiger mehrere 100 Stunden an der Sache gearbeitet, die EDV wurde erst nach 14 Monaten wieder herausgegeben; 37 Mitarbeiter haben ihren Arbeitsplatz verloren; das Unternehmen gibt es nicht mehr. Der Beschuldigte war nervlich und wirtschaftlich am Ende.

Ersatz der „notwendigen Auslagen“? Keiner! Die Ermittlungsbehörden waren zwar stur wie die Esel, haben aber keine wirklich bösen Fehler gemacht.

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Bild: © Andreas Hermsdorf / pixelio.de

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