Zurück

Unnützes Hin- und Herfahren

Es ist innerorts wie außerorts verboten, ohne Nutzen hin- und herzufahren, schreibt die StVO vor; dies meint jedenfalls das Bayerische Oberste Landgericht.

§ 30 der Straßenverkehrsordnung (StVO) schreibt den Verkehrsteilnehmern vor: „Unnützes Hin- und Herfahren ist innerhalb geschlossener Ortschaften verboten, …“ Ob dies außerorts erlaubt ist, entschied das Bayerische Oberste Landgericht (BayObLG) am 28.11.2000 (2 ObOWi 410/00) anläßlich des folgenden Falles:

Sonntagvormittag im September: Die Moppedfahrer des Umlands treffen sich in der „Applauskurve“ auf der Bundesstraße. Wilhelm Brause hatte seine Freundin auf seiner RSV-Mille-Factory mitgebracht, um ihr zeigen zu können, wo die Haftgrenze der neuen Stahlgürtelreifen beginnt.

Brause fährt los, etwa 800 Meter bis zum Ortseingangsschild, wendet dort und durchfährt knieschleifend die Kurve. Die Zuschauer applaudieren, Brause wendet weiter oben am Berg und kommt nochmals, das Plastik seiner Kombi auf dem Asphalt abschmirgelnd, durch die Kurve zurück bis zum früheren Wendepunkt.

Das Spielchen vollzieht sich ein paar Mal, bis freundliche Polizeibeamte das Terrain betreten. Mütterchen Mü, die in unmittelbarer Nähe des Ortseingangs vergeblich versuchte, ihren Mittagsschlaf auf der Terrasse ihres Einfamilienhauses zu halten, hatte die Freunde und Helfer informiert.

Ein paar Wochen später erhielt Wilhelm Brause den Bußgeldbescheid: DM 150,00 und drei Flens wegen Verstoßes gegen § 1 Absatz 2 StVO.

Brauses Einspruch wird sowohl von der Bußgeldbehörde als auch vom Amtsgericht verworfen. Schließlich entschied das BayObLG über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen; aber auch die Staatsanwaltschaft hatte Rechtsmittel gegen die amtsrichterliche Entscheidung eingelegt.

Das Rechtsmittelgericht stellte zunächst einmal fest, daß nach § 1 Absatz 2 StVO sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, daß andere nicht mehr als unvermeidbar belästigt werden. Voraussetzung ist aber, daß die Beeinträchtigung nach Art und Maß das Verkehrsbedürfnis übersteigt und als störend empfunden wird.

Diese Voraussetzung sah das Gericht als gegeben an – auch wenn die Geräuschentwicklung von Brauses Italo-V2 nicht exakt gemessen wurde; es entspräche der Lebenserfahrung, daß bei dem vermeidbaren Fahren eines italienischen Zweizylinders erheblicher Lärm entstehe, meinten die bayerischen Richter – wohl zu Recht.

Brauses Argumentation, nur das innerörtliche sinnlose Hin- und Herfahren sei in § 30 StVO ausdrücklich verboten, ließen die Richter nicht gelten: Die Regelung dieser Vorschrift bedeute nicht, daß vermeidbare außerörtliche Belästigungen erlaubt seien, schrieben sie ihm knapp ins Stammbuch.

Brause nörgelte auch an der Höhe der verhängten Geldbuße herum: Entsprechend den Regelungen im Verwarnungsgeldkatalog sei die Sanktion für einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO lediglich ein Verwarnungsgeld in Höhe von DM 20,00. Die Richter hielten das Bußgeld in Höhe von DM 150,00 in Hinblick auf die „massive Belästigung“ jedoch nicht für unangemessen hoch, zumal Brause schon ein paar Voreintragungen in Flensburg hatte.

Interessant an dieser Entscheidung ist allerdings, daß die Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht zufrieden war mit der Entscheidung des Amtsgerichts: Sie wollte mehr, nämlich sogar ein Fahrverbot für Brause!

Nach Ansicht der Strafverfolger habe Brause nämlich die Straße übermäßig genutzt, dadurch daß er ein Rennen veranstaltet habe.

Dieser Ansicht widersprachen die Richter allerdings. Brause habe nicht an einem Wettbewerb oder einer Veranstaltung zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten teilgenommen.

Das mehrmalige „Durchfahren der Kurve, jeweils hin und her, sei auch nicht als „Sport und Spiel auf der Fahrbahn“ anzusehen. Deswegen habe Brause auch nicht gegen § 31 StVO verstoßen, wonach sportliche und spielerische Tätigkeiten nur auf Spielstraßen erlaubt sind.

Daher sei hier ein Fahrverbot nicht angebracht, weil Brause hier keine grobe oder beharrliche Pflichtverletzung begangen habe.

Insgesamt scheint Brause mit den DM 150,00 gut bedient zu sein. Die Argumentation der bayerischen obersten Landesrichter ist allerdings nicht zwingend. Je nach Blickwinkel ist ein Abweichen nach „unten“ oder „oben“ denkbar.

Man sollte also daran denken, dass es durchaus auch vorübergehend den Führerschein kosten kann, wenn man sinnlos auf öffentlichem Straßenland hin- und herbrezzelt. Dafür sind Renntrainings auf abgesperrten Strecken wesentlich besser geeignet.

Zurück