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Nutzungsausfall für Motorräder

Wann hat der Unfallgegner den Nutzungsausfallschaden zu ersetzen?

Bekanntlich sind die Kraftfahrzeughaftpflicht-Versicherer keine mildtätigen Einrichtungen, die Spenden an geschädigte Fahrzeugeigner zahlen. Gezahlt wird nur das, was gezahlt werden muß. Nicht mehr, aber weniger sollte es auch nicht sein.

Ein Dauerbrenner unter den Schadensregulierern ist die Frage, ober der Versicherer auch eine Nutzungsausfallentschädigung für Motorräder zu zahlen hat.

Die Fallstudie: Bulli Bullmann steht mit seiner 1100er RS schon seit geraumer Zeit vor der roten Ampel und wartet fingernägelfeilend auf das Grünzeichen. Von hinten kommt Mütterchen Mü – 86 Jahre, 8,5 Dioptrien auf beiden Augen, – in einem 500er Automatik Fiat. Mü hat es eilig, da Sie ihre Brille zuhause vergessen hat. Die RS und der Fiat sind in der nächsten Sekunde jeweils einen halben Meter kürzer. Bullmann wird für drei Wochen wegen eines Halswirbelsäulenschleudertraumas aus jeglichem Verkehr gezogen. In der Zwischenzeit läßt er die RS instandsetzen, die Werkstatt hat das Mopped nach 10 Tagen bereits wieder gerichtet.

Bullmann fragt seinen Rechtsanwalt Rudolf Redlich, ob er denn auch den Nutzungsausfall fordern könne. Selbstverständlich nicht, lautet die wenig trostspendende Antwort des Advokaten.

Ein Geschädigter, dessen Fahrzeug unfallbedingt zumindest zeitweise ausfällt, hat die Wahl: Ersatzfahrzeug mieten oder Ausfallentschädigung beanspruchen. Die Entschädigung wird allerdings nur für privat genutzte Fahrzeuge, auch für Kräder, gewährt. Dies ist bei den meisten Moppeds kein Problem (Motorräder, die beispielsweise als Geschäftsfahrzeuge einer Rechtsanwaltskanzlei genutzt werden, gibt es wohl nur im Fernsehen, oder?).

Weitere Voraussetzung ist, daß eine Nutzungsmöglichkeit gegeben ist. Das oberste deutsche Zivilgericht hat herausgefunden, daß diese Möglichkeit – und damit der Anspruch auf entsprechenden Schadensersatz – entfällt, wenn der Geschädigte wegen seiner Verletzungen gar nicht mehr imstande war, das Fahrzeug zu führen. Pech also für Bullmann, wenn er nicht nachweisen kann, daß er trotz HWS-Verletzung und Halskrause Mopped fahren konnte.

Hat Bulli aber eine Sozia, die das Krad auch selber fährt, sieht es wieder anders aus. Ausnahmsweise, meint der BGH, kann Nutzungsausfall auch dann verlangt werden, wenn das ausgefallene Fahrzeug von Familienangehörigen genutzt wird.

Eine weitere Voraussetzung ist aber darüber hinaus der Nutzungswille. Bulli muß nachweisen, daß er auch willig war, das Mopped zu fahren. Das stellt im Sommer bei gutem Wetter kein Problem dar. Aber man muß es erst einmal versucht haben, einem GTI fahrenden Schadenssachbearbeiter klar zu machen, daß Zweiräder durchaus auch bei winterlichen Temperaturen eine Alternative zum öffentlichen Nahverkehr darstellen. Hilfreich bei dieser Art der Beweisführung wäre es, wenn man nachweist, daß man auch schon die vorangegangenen Winter durchgefahren ist, z.B. durch Vorlage einer Teilnahmebestätigung für das alljährlich im Februar stattfindende Elefantentreffen im Bayerischen Wald.

Regelmäßig führt der Besitz eines Zweitfahrzeuges ebenfalls zur Versagung der Ausfallentschädigung. Dem Moppedfahrer wird dann eben zugemutet, übergangsweise z.B. Auto zu fahren. Liegen bei privater Nutzung Möglichkeit und Wille vor, kann weitergezankt werden über die Dauer der Ausfallentschädigung.

Wird das Fahrzeug repariert, kann für die Dauer der Reparatur Ersatz verlangt werden. War das Mopped nicht mehr verkehrssicher, verlängert sich die Dauer bis Reparaturbeginn. Bei fiktiver Abrechnung schätzt ein Sachverständiger die angemessene Reparaturdauer.

Liegt wirtschaftlicher Totalschaden vor, gibt’s Nutzungsausfall für die Zeit der Wiederbeschaffung, die auch der Sachverständige schätzt. Mit auch nur ein wenig Phantasie ist der Streit über die Dauer recht gut vorstellbar. Klassisches Beispiel: Der Versicherer zahlt über Wochen nicht, die Werkstatt gibt ohne Bezahlung das Mopped nicht heraus, der Geschädigte kann die Reparatur nicht vorfinanzieren.

Es gibt endlos weitere Varianten, meist im Ergebnis offen.

Letzte Frage ist die nach der Höhe des Ersatzes. Hierüber gibt es weniger Streit, da es dafür Tabellen gibt. Aus diesen Tabellen läßt sich entnehmen, daß die DUC 916 66,00 Euro, eine BMW R 1100 56,00 Euro, eine 125er 18,00 Euro und eine 50er noch 10,00 Euro pro Tag wert ist. Probleme gibt es hier nur bei den alten Schätzchen.

Lohnt es sich darum zu streiten? Es kommt drauf an, sagt der Jurist. Ein von uns sehr gern zitiertes Beispiel aus der Rechtsprechung: Das LG Limburg, (Urteil vom 14.2.97 – 4 O 252/95) sprach einem Geschädigten 150 Tage Ausfallentschädigung zu, weil der Versicherer sich zu Unrecht geweigert hatte, Schadensersatz zu leisten: 150 lange Tage mal 130 Mack – da muß ’ne alte Frau lange für stricken.

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