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Ablenkungsmanöver

Auffahrunfall wegen Spurwechsels

Immer wieder wird den Kfz-Fahrern empfohlen, zu anderen Verkehrsteilnehmern Blickkontakt aufzunehmen, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. Wohin es führen kann, wenn man diese Empfehlung falsch versteht, zeigt folgender Motorradfahrer-Fall, den das Oberlandesgericht (OLG) Hamm (DAR 1999, S. 24) entschieden hat.

Wilhelm Brause kann es nicht fassen; seit 4 km blockiert Gottfried Gluffke in seinem 123er Diesel mit 120 km/h die linke Spur der Autobahn. Brause wird es zu bunt, er schaltet zweimal runter und zieht rechts an dem PKW vorbei. Wild gestikulierend zeigt Brause dem Dieseltreiber, was er von ihm hält.

Knapp an dem Auto vorbei, will Brause seine Fahrt auf der linken Spur fortsetzen, als er völlig überrascht feststellen mußte, daß die linke Spur soeben von Bulli Bullmann in seinem 30-Tonner besetzt wurde. Bullmann wollte einem anderen LKW-Fahrer das Auffahren auf die Autobahn ermöglichen.

Zum Bremsen reichte die Zeit nicht, Brause schiebt den zu spät bemerkten LKW unfreiwillig von hinten an.
Er verklagt Bullman und dessen Versicherer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, weil er meint, Bullmann habe gegen § 7 Absatz 5 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen. Danach durfte Bullmann nur dann den Fahrstreifen wechseln, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Das Gericht wies die Klage ab. Ein Verschulden des Bullmann sei nicht feststellbar. In Frage käme allein, daß er beim Fahrspurwechsel den sich von hinten nähernden Kradfahrer hätte erkennen können. Die Richter bejahten dies und meinten sogar, ein optimaler Verkehrsteilnehmer hätte die Annäherung des Moppedfahrers vorhersehen und den Unfall vermeiden können. Damit müßte Bullmann eigentlich für die so genannte Betriebsgefahr seines LKW einstehen – und zwar unabhängig davon, ob ihm ein Verschulden zur Last gelegt werden kann oder nicht.

Aber die Verantwortung für den Auffahrunfall gaben die Richter dann doch dem Brause. Er habe den vor ihm fahrenden Gluffke grob verkehrswidrig rechts überholt, sei dann mit überhöhter Geschwindigkeit von der rechten auf die linke Spur gewechselt und mangels der erforderlichen Aufmerksamkeit auf den vor ihm fahrenden LKW gebrezzelt.

Damit habe Brause seinerseits gegen § 7 Absatz 5 StVO verstoßen. Dem Bullmann wollte die Hammer Richter danach nicht einmal einen Teil der Haftung für die Schäden auferlegen. Selbst wenn der Unfall für Bullmann nicht unvermeidbar war, überwiege das grobe Verschulden Brauses derart, daß die verschuldensunabhängige Haftung des Bullmann für die Betriebsgefahr des LKW nicht in Betracht komme. Brause muß also seinen eigenen Schaden und den am LKW zu hundert Prozent tragen.

Der Schlingel hat es auch nicht anders verdient. Wer verbotswidrig rechts überholt, sollte eben genau aufpassen, daß man – und vor Allem: es – ihn nicht erwischt.

Man sieht also: Nicht immer ist ein Blickkontakt mit anderen Verkehrsteilnehmer dafür geeignet, Unfälle zu vermeiden.

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