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Rotlicht – Bezirk

Wenn die Ampel für Linksabbieger rotes Licht zeigt, darf von der Spur für Linksabbieger auch nicht geradeaus gestartet werden.

Der BGH hatte folgenden Fall (Beschl. vom 30.10.1997; NZV 1998, 119 u. 255) entschieden, der besonders für Motorradfahrer von einiger Bedeutung ist.

Wilhelm Brause fährt mit seinem Krad, ein spurtstarker Bayernboxer, auf eine ampelgeregelte Kreuzung zu. Der rechte Fahrstreifen ist für den Geradeausverkehr markiert, der linke für Linksabieger. Auf der rechten Spur wartet eine ganze Reihe von PKW vor der roten Ampel. Die linke Spur war frei. Brause fährt an den PKW vorbei zur „pole position“ auf der Linksabbiegerspur, und wartet dort auf das grüne Startsignal. Die Ampel für die Linksabbieger zeigt weiterhin den roten Linkspfeil; grün wird es nur für die Geradeausfahrer.

Brause will geradeaus, fährt also los, zieht noch vor dem ersten PKW im Kreuzungsbereich wieder auf die Geradeausspur, und sieht nach 300 Metern schon wieder Rot: Ein grüner Polizist winkt freundlich mit der roten Kelle und eröffnet dem verdutzten Brause, daß er soeben einen qualifizierten Rotlichtverstoß begangen habe. Brause steigt die Zörnesröte ins Gesicht: Der Bußgeldbescheid verordnet Herrn Brause  125,00 Euro Geldbuße, 4 Flensburger und 1 Monat Fahrverbot (Ziffer 132.2. BKat)

Völlig zu Recht, meinte der BGH dazu. Interessant ist die Argumentation des Gerichts: Da Brause schon bei grünem Linkspfeil nicht hätte geradeaus fahren dürfen, könne bei rotem Linkspfeil erst recht nichts anderes gelten.

Mir scheint, der BGH überzieht hier. Sicher, der Rotlichtverstoß ist einer der gefährlichsten Manöver im Straßenverkehr überhaupt. Die rote Lampe soll den Quer- und Abbiegeverkehr schützen, in Engstellen den entgegenkommenden Verkehr oder nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer. Der Fahrer, der grün sieht, vertraut dann auch meist blind darauf, daß ihm schon keiner in die Quere kommen wird. Die dem BGH vorgelegte Konstellation unterscheidet sich jedoch vom „Normalfall“:

Brause hatte weder den entgegenkommenden, noch den in gleicher Richtung fahrenden Verkehr konkret gefährdet. Querverkehr oder Fußgänger gab es nicht. Völlig grotesk erscheint die BGH-Entscheidung in den Fällen, in denen es nach der Kreuzung auf zwei Geradeausspuren weitergeht, die Linksabbiegerspur sich also als Fahrstreifen für Geradeausfahrer fortsetzt.

Und:
Hätte Brause sich nur 1 Meter weiter rechts neben den ersten PKW in dessen gleiche Fahrspur gestellt und wäre von dort aus gestartet, hätte er (fast) sanktionslos weiterfahren können. Meiner Ansicht nach steht die Entscheidung des BGH auch im Widerspruch zur Norm. § 37 I StVO lautet u.a.: „Schwarzer Pfeil auf Rot ordnet das Halten […] nur für die angegebene Richtung an.“ Brause ist aber nicht in Pfeilrichtung nach links gefahren, sondern geradeaus. Anders wäre der (umgekehrte) Fall zu beurteilen gewesen, wenn Brause von der Geradeausspur bei grün losgefahren wäre, um dann im Kreuzungsbereich nach links abzubiegen. Dies wäre als konkrete Gefährdung des Gegenverkehrs zu werten und dementsprechend glasklar auch zu sanktionieren.

Meine Empfehlung:
1. Angesichts dessen, daß die Behörden und die Amtsgerichte der Rechtsprechung des höchsten ordentlichen Gerichts ebenso blind vertrauen wie der Moppedfahrer dem grünen Licht, rate ich dazu, darauf zu achten, von welcher Spur man startet.
2. Zeigt die Ampel für Linksabbieger Rot, sollte man nicht fahren, egal wohin nicht.
3. Ernennt Motorradfahrer zu Richtern am Bundesgerichtshof! ;-)

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