Es geht um den Vorwurf eines Abrechnungsbetrugs zu Lasten von Krankenkassen. Ziemlich genau vor zwei Jahren habe ich mich als Verteidiger einer der Beschuldigten gemeldet. Zuvor haben Wohn- und Geschäftsraum-Durchsuchungen stattgefunden. Die Ermittler haben reichlich Abrechnungsunterlagen und selbstredend auch die Computer beschlagnahmt.
Vier Monate später habe ich Akteneinsicht erhalten. Ein paar Wochen danach konnte ich das erste Telefonat mit der Staatsanwältin führen. Sie war längere Zeit krank und konnte sich nur dunkel an den Akteninhalt erinnern. Wir haben uns darauf geinigt, einen Monat später noch einmal miteinander zu sprechen. Das war für Anfang Oktober 2014 geplant.
In diesem Gespräch haben wir uns auf eine Besprechung einen weiteren Monat später, für November geeinigt: Die Staatsanwältin hatte noch keine Gelegenheit gehabt, sich in die Akte einzuarbeiten.
Das Ganze zog sich hin. Bis in den April 2015. Zwischenzeitlich habe ich immer mal wieder versucht, sie zu erreichen. Jedes Mal habe ich mir die Zeit genommen, eine kurze Notiz zu schreiben. Diese hier stammt von einem Telefonat vom 19. Dezember 2014:
Ich habe es auch nicht versäumt, mich in Einzelfällen für die Telefonate via Fax bei der Staatsanwältin zu bedanken und noch einmal die Vertagungsvereinbarung schriftlich zu bestätigen. Was in der Akte drin ist, kann nicht vergessen werden. Dachte ich mir.
Im April 2015 ging die Akte nochmal zurück an das LKA zu weiteren Ermittlungen. Im August 2015 haben wir uns auf ein Telefonat in der ersten Septemberwoche geeinigt, kurz vor dem Urlaub der Staatsanwältin. Sie wollte sich melden, wenn sie sich endlich durch die Aktenberge durchgearbeitet hat.
Danach passierte nichts. Bis in den Januar 2016. Überraschend wurde den Beschuldigten die Anklageschrift zugestellt. Aber ohne daß den Beschuldigen Gelegenheit gegeben wurde, zum Gegenstand und Ergebnis der Ermittlungen Stellung zu nehmen. Unerhört, wie ich meine. Denn dadurch hatten sie keine Chance, auf den Inhalt der Anklageschrift Einfluß zu nehmen.
Der letzte Absatz der Anklage sieht dann so aus:
Liebe Frau Staatsanwältin M.
Erst erwecken Sie den Eindruck, mit Ihrem Dezernat vollkommen überfordert zu sein. Die Verteidigung hat stets darauf Rücksicht genommen, obwohl dieses offene Verfahren die Beschuldigten massiv belasten; es geht hier schließlich um nichts weniger als deren gesamte berufliche und wirtschaftliche Existenz.
Dieser kurze Satz, die Angeschuldigten hätten sich nicht zur Sache geäußert, empfinde ich als Boshaftigkeit. Er unterschlägt nämlich den Umstand, daß Sie es entgegen Ihrer wiederholten Zusagen unterlassen haben, den Beschuldigten rechtliches Gehör zu gewähren.
Das ist ein nicht akzeptables Verhalten und einem fairen Umgang der Beteiligten nicht dienlich. Ich sehe es als meine Pflicht an, andere Verteidiger darauf hinzuweisen, daß Sie Ihre Versprechen nicht halten und wir uns nicht auf Sie verlassen können.
__
Bild: © raps / pixelio.de