In einem Mitglieder-Rundschreiben reklamiert die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. die neuerlichen Ausfälle des Herrn Dobrindt.
Der jüngste Angriff des CSU Landesgruppenvorsitzenden im Bundestag, Alexander Dobrindt, bietet Anlass, Presseerklärungen des RAV (pdf) und der Berliner Rechtsanwaltskammer (pdf) zu dokumentieren, denen sich die Vereinigung inhaltlich anschließt. Denn Dobrindts Ausführungen zur Anti-Abschiebungsindustrie, d.h. über engagierte Asylrechtsanwältinnen und Anwälten stehen nicht allein. Kürzlich trug die CDU/CSU und der Deutsche Richterbund vor, dass Verteidiger Strafverfahren durch das exzessive Stellen von Beweis- und Befangenheitsanträge systematisch verschleppten.
Der in Teilen der CDU/CSU grassierenden populistischen Abwertung von Anwältinnen und Anwälten, die wenig mehr tun als die Rechte ihrer Mandanten mit den im Rechtsstaat zulässigen Mitteln zu wahren, muss Einhalt geboten werden.
Die in Bezug genommenen Pressemitteilung Nr. 4 des RAV vom 7. Mai 2018
Frontal-Angriff auf den Rechtsstaat
Alexander Dobrindt (CSU) gegen das Grundrecht auf Rechtsschutz
In der vergangenen Woche scheiterte in Ellwangen der Versuch der Direktabschiebung eines Asylbewerbers nach Italien. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte dessen Asylantrag zuvor als unzulässig abgelehnt, weil es Italien für die Durchführung des Verfahrens für zuständig hielt.
Kurz nach der gescheiterten Abschiebung rückten mehrere hundert, teils schwer bewaffnete (Sonder-)Einheiten der Polizei nachts in die Landesaufnahmeeinrichtung ein, um den Betroffenen festzunehmen. Dieser befindet sich seitdem in Abschiebehaft. Sein Rechtsanwalt geht davon aus,
dass Italien nicht zuständig ist und eine Abschiebung daher rechtswidrig wäre. Immerhin 40 Prozent der Abschiebescheide werden von deutschen Gerichten wegen menschenrechtlicher Bedenken abgelehnt.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, äußerte am Wochenende gegenüber der Bild am Sonntag: »Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird«. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, so Dobrindt, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.
Weder in dem konkreten Fall, noch grundsätzlich geht es bei Asylsuchenden um ›Kriminelle‹, noch handelt es sich bei medizinischer Versorgung und Diagnostik (Stichwort ›Gefälligkeitsgutachten‹) oder bei der Rechtsvertretung von Geflüchteten um eine ›Industrie‹. Für alle mit dem Rechtsstaat in
Konflikt befindlichen Personen gilt:
Die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit von Behördenentscheidungen ist ein zentrales Element 1des Rechtsstaats und gerade aus diesem Grunde in Art. 19 Abs. 4 GG als Grundrecht jedes Menschen formuliert. Die Aufgabe der Anwaltschaft ist es, den Einzelnen zur Wahrung seiner Grundrechte gegen den Staat zu schützen. Damit wird der Rechtsstaat nicht sabotiert, sondern verteidigt.
Fakt ist:
Unangekündigte Direktabschiebungen – die Betroffenen werden meist mitten in der Nacht aus den Heimen geholt, ihnen wird sodann über mehrere Stunden ohne richterlichen Beschluss die Freiheit entzogen – bedeuten für den Abzuschiebenden sowie alle übrigen Bewohnerinnen und Bewohner des Heims massive Stresszustände und lösen oft existenzielle Ängste aus. Im Jahr 2017 gab es allein am Flughafen Frankfurt/Main 18 Fälle von Selbstverletzungen oder Suiziden im dortigen Transitgewahrsam.
Oft steht zum Zeitpunkt der Abschiebung noch gar nicht endgültig fest, ob diese rechtmäßig durchgeführt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn noch Rechtsmittel gegen die Abschiebung anhängig sind oder aber noch eingelegt werden sollen.
Und auch die Rechtsanwaltskammer Berlin positionierte sich am 07.05.2018 eindeutig zu den Äußerungen von Alexander Dobrindt im Zusammenhang mit den Vorfällen in Ellwangen:
Die Wahrnehmung rechtsanwaltlicher Aufgaben ist ein unverzichtbarer Garant für Rechtsstaatlichkeit in Deutschland
Laut Presseberichten soll der CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, erklärt haben, dass durch die Erhebung von gerichtlichen Klagen zur Über-prüfung von Abschiebeentscheidungen „bewusst die Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert“ werden. In diesem Zusammenhang hat er auch die verfahrensbeteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Teil einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ denunziert.
Zu diesen erschreckenden Äußerungen stellt die RAK Berlin fest:
Jeder Mensch, der sich in Deutschland aufhält, unterliegt denselben gesetzlichen Regelungen. Deren Einhaltung zu sichern und durchzusetzen, ist Aufgabe einer unabhängigen Rechtspflege, zu der neben den Gerichten auch die anwaltlichen Vertreterinnen und Vertreter der am Verfahren Beteiligten gehören. Die Wahrung eines rechtsförmigen und allein Recht und Gesetz unterliegenden Verfahrens dient der Verteidigung des Rechtsstaates sowie der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und verhindert zugleich Willkür und Ungerechtigkeit. Dazu gehört auch das für jedermann verbriefte Recht, in allen Verfahren den Rechtsweg auszuschöpfen, um falsche und damit rechtswidrige Entscheidungen auszuschließen.
Die von Dobrindt erhobene Unterstellung, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte würden sich bei der Wahrnehmung ihrer kraft Verfassung zugewiesenen Aufgaben als Teil einer „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“ verdingen, ist nicht nur ein schwerer Schlag ins Gesicht aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sondern legt zugleich die Axt an die Wurzeln unseres Rechtsstaates. „Diese Auffassungen von Herrn Dobrindt offenbaren nicht nur eklatante Defizite beim Erfassen der einen Rechtsstaat determinierenden Strukturen, sondern sind zudem ein alarmierender Beleg des bewussten Zündelns, um den gesamtgesellschaftlichen Konsens in unserem Land zu zerstören“ stellt der Präsident der RAK Berlin, Dr. Marcus Mollnau, fest.
Es ist unerträglich, auf welche Weise sich dieser Dobrindt den brauen Rassisten anbiedert, mutmaßlich in der trügerischen Hoffnung, Wählerstimmen von der AfD zurück zu gewinnen.