Monatsarchive: November 2011

Peng!

Eine Bombenattrappe an der Strecke nach Gorleben hielt die Polizei am Mittwoch auf Trab. Die Nachbildung wurde bei Routinekontrollen in Quickborn im Landkreis Lüchow-Dannenberg nahe eines Gullydeckels entdeckt, wie ein Polizeisprecher sagte.

Sprengstoffhunde schlugen an und Experten untersuchten die Fundstelle im Ortskern, die weiträumig abgesperrt wurde. Wohnhäuser mussten evakuiert werden. Doch dann die Entwarnung: Nach Angaben eines Polizeisprechers wurde ein Pappkarton mit der Aufschrift „Peng!“ gefunden.

Quelle: dapd/smb via Berliner Morgenpost
 

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Der Trickser lädt

Ein Kollege berichtet über eine Geschichte, die ihm sein Mandant erzählt hat.

Der Mandant wurde als Zeuge geladen. Die Polizei wollte ihn aber als Beschuldigten vernehmen. Bei der Belehrung als Beschuldigter wurde der Mandant stutzig und berief sich auf die Zeugenladung.

Der Polizeibeamte erwiderte: „Na, wenn ich Sie als Beschuldigter geladen hätte, wären sie doch nicht gekommen.

Eine solche Trickserei ist unzulässig, sie bleibt allerdings – jedenfalls für den Polizeibeamten – in aller Regel völlig folgenlos.

Allein deswegen raten Strafverteidiger stets dazu, Ladungen von Polizeibeamten nicht zu folgen. Völlig unabhängig davon, ob man als Zeuge oder als Beschuldigter geladen wurde. Weder Zeugen und erst Recht nicht Beschuldigte sind verpflichtet, sich in die Löwenhöhle zu begeben.

Danke für die Anregung an den Kollegen.

 

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Legitim, aber illegal?

Darüber spricht man heute im Amtsgericht Tiergarten:

Wenn Deutschland Krieg führt und als Antikriegsaktion Bundeswehrausrüstung abgefackelt wird, dann ist das eine legitime Aktion wie auch Sabotage im Betrieb an Rüstungsgütern, illegale Streikaktionen, Betriebs- und Hausbesetzungen, militante antifaschistische Aktionen, Gegenwehr bei Polizeiattacken.

Dafür soll es eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe geben, meint die Staatsanwaltschaft. Wer wissen will, was das Gericht dazu sagt, muß sich „scharfen Kontrollen“ unterziehen, wenn er ins Kriminalgericht will.

 

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Das Protokoll im Sauseschritt

In Strafsachen ist das Rechtsmittel gegen ein (erstinstanzliches) Urteil des Landgerichts die „Revision“. Erhebt der Angeklagte, also der Verurteilte, oder die Staatsanwaltschaft diese Revision, muß der Bundesgerichtshof (BGH) darüber entscheiden. Das Spiel findet also nicht gerade in der Kreisklasse statt, man hat es mit richtigen Profis zu tun. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die Spieler.

Die ehrenwerten Richter am Bundesgerichtshof hören sich aber nun nicht mehr die ganzen Zeugen oder Sachverständigen noch einmal an. Sie beschränken sich auf das Wesentliche. Und das sind zwei Dinge – nämlich das schriftliche Urteil und das Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Landgericht. Mehr braucht und will der BGH nicht.

Wenn nun dem Angeklagten das Urteil des Landgerichts nicht gefällt, das der Vorsitzende Richter am Ende der Verhandlung mündlich verkündet hat, darf er sich exakt eine Woche Zeit nehmen, um dies dem Gericht mitzuteilen. Dazu reicht ein einfacher Satz, etwa: „Gegen das Urteil erhebe ich Revision.“ Wenn diese sechs Worte dann beim Gericht rechtzeitig – also binnen Wochenfrist – ankommen, wissen die Richter, jetzt müssen sie sehr sorgfältig arbeiten.

Das Ergebnis dieser Arbeit ist dann das schriftliche Urteil. Sobald dieses Urteil dem Verurteilten zugestellt wurde, beginnt eine neue Frist zu laufen. Er hat nun einen Monat Zeit, diese Revision zu begründen. Und damit das auch mit der Begründung klappt, braucht der Verteidiger des Verurteilten nicht nur das Urteil, sondern auch noch das Sitzungsprotokoll.

Dieses Protokoll rückt das Gericht aber nicht freiwillig heraus, sondern nur auf Antrag. Stellt der Verteidiger den Antrag auf überlassung einer Protokollabschrift zu spät, läuft ihm die Zeit weg. Die Monatsfrist, innerhalb der er die Revision begründen muß, läßt sich nicht anhalten oder verlängern. Frei nach Wilhelm Busch:

Eins, zwei, drei, im Sauseschritt,
es läuft die Frist, wir laufen mit,

Dann gibt es aber noch einen weiteren Grund, weshalb die Zeit eng werden könnte: Das Gericht trödelt herum. Meist aus Gründen der Überforderung, manchmal (wesentlich seltener!) aber auch aus Böswilligkeit. Dann muß der Verteidiger sich um das Feuer kümmern, das er unter die gerichtlichen Hinterteile legen wird.

Mit ein wenig Routine geht das aber alles in der Regel recht geschmeidig über die Bühne. Insbesondere dann, wenn die Verhandlung nur ein paar Stunden gedauert hat, das Urteil wenige Seiten umfaßt und das Sitzungsprotokoll auf eine Postkarte paßt.

Nun gibt es aber auch Verhandlungen, die ein wenig umfangreicher sind: Über 120 Hauptverhandlungstermine, in denen eine hohe zweistellige Anzahl an Zeugen gehört wurden, zig Anträge gestellt wurden und reichlich Sachverständige kluge Gutachten erstattet haben. Da hat das Urteil schon einmal den Umfang eines Fortsetzungsromans.

Und nicht nur das Urteil, sondern auch das Sitzungsprotokoll wird keine Kurzgeschichte sein. Wenn nun das Gericht mit der Übersendung diese Protokolls zögert – aus welchen Gründen auch immer – dann hat der Revisions-Verteidiger ein Problem. Und das wissen die Vorsitzenden der Strafkammern beim Landgericht.

Ich habe Richter erlebt, die sich quasi nur unter Androhung von Waffengewalt dazu veranlaßt sahen, das Protokoll herauszurücken. Es wird von Verteidigern berichtet, die sich quer vor das Richterzimmer gelegt haben und erst aufstehen wollten, nachdem man ihnen das Protokoll ausgehändigt hat.

Vorbildlich und erwähnenswert ist aber diese Mitteilung eines Strafkammervorsitzenden:

Obwohl das Gericht weiß, daß diese Revision nicht auf einem Ponyhof entschieden wird, gibt man dem Verurteilten und seinem Verteidiger alle Möglichkeiten für eine faire Auseinandersetzung.

Dafür sei dem Vorsitzenden ausdrücklich gedankt – auch wenn es sich eigentlich um eine Selbstverständlichkeit handelt.

 

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Raub gesucht?

Falls jemand ‚mal einen „Raub“ sucht, oder „Gewalt“- die Berliner Zeitung hilft ihm dabei:

Ein visualisierter Polizeireport; nette Spielerei, wenn man auf die Schnelle wissen will, was so los ist im Kiez.

 

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Die Pest

Vor allem bei einer Konstellation Aussage gegen Aussage ist der Deal geradezu darauf angelegt, Fehlurteile zu produzieren. Wurden dem Angeklagten im Mittelalter die Folterwerkzeuge gezeigt, um ihn zum Geständnis zu bewegen, so werden ihm heute die »eigenen Interessen« vor Augen geführt. Geht er nicht darauf ein und bestreitet die Tat, läuft er Gefahr, den Groll des Gerichts auf sich zu ziehen, dem er zumutet, seine Pflicht zu tun. Nur ein sehr tapferer Angeklagter wird da dem Lockruf der Dealer und der Aussicht auf eine milde Strafe widerstehen – selbst dann, wenn er die Tat nicht begangen hat.

Quelle: Zeit Online – Dossier zum Bundesgerichtshof

 

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Buchtip: Auf Bewährung – Mein Jahr als Staatsanwalt

Die Justizschelte eines Insiders, der sich anschließend das Zimmer eines gemütliches Amtsgericht für Zivilsachen verkrochen hat.
 

 

Ich habe (am 20.11.2011) ein paar Artikel aus dem Tagesspiegel, die das Buch vorstellen und zu dessen Inhalt Stellung nehmen, auf meiner Seite bei Google+ verlinkt.

Der arme Autor des Buchs, Richter am Amtsgericht Robert Pragst, bekommt es von allen Seiten um die Ohren. Allein deswegen sollte man sich seinen Erlebnisaufsatz einmal anschauen. Die Justiz mag keine Nestbeschmutzer.

 

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Kostengemecker

Zur anwaltlichen Fortbildung gehören nicht nur Seminare zum Thema „Beweisanträge und Durchsetzung von Beweisverwertungsverboten“ wie das vom RAV am morgigen Samstag. Die „Waffen der Verteidigung“ müssen auch irgendwie finanziert werden.

Diesen (Kosten-)Fragen ging gestern die Kollegin Gesine Reisert, Fachanwältin für Strafrecht, in einer Fortbildungsveranstaltung der Berliner Strafverteidiger zum Thema „Gebührenrecht für Strafverteidiger“ nach.

Frau Reisert ist nicht nur eine erfahrene Strafverteidigerin, sondern (unter vielem anderen) auch noch stellvertretende Vorsitzende der Gebührenabteilung der Rechtsanwaltskammer Berlin (RAK Berlin).

Schwerpunkt des Seminars war die Bestimmung der Gebühren des Strafverteidigers nach den Kriterien des § 14 RVG. Auch nach den langen Jahren der Praxiserfahrung und nach unzähligen Abrechnungen,  die Nadine Gabel und ich hinter uns haben, konnte Frau Rechtsanwältin Reisert uns und den andern Teilnehmern reichlich viel Neues beibringen.

Völlig überraschend war allerdings ein Internum, über das die Dozentin berichtete. In ihrer Eigenschaft als Vorstandsmitglied der RAK Berlin erstattet sie die so genannten Gebührengutachten nach § 14 Abs. 2 S. 1 RVG, die vom Gericht eingeholt werden, wenn in einem Gebührenprozeß die Angemessenheit von Rahmengebühren streitig und zu beurteilen ist. In diesen Verfahren geht es um die Frage, ob das, was der Anwalt seinem (ehemaligen) Mandanten berechnet hat, dem entspricht, was er für seinen (ehemaligen) Mandanten gearbeitet hat.

Über 80 solcher Gebührengutachten berichtete Gesine Reisert in ihrem Vortrag. 78 davon hatten eine Honorarabrechnung zum Gegenstand, bei denen das Gebührenrecht nicht optimal angewandt wurde. Optimal aus der Sicht des Betriebswirts: In diesen 78 Fällen wäre es zulässig gewesen, höhere Honorare abzurechnen als von den Anwälten tatsächlich abgerechnet wurden.

Übersetzt heißt dies:  78 von 80 Rechtsanwälten, die per Klage ihrem Geld hinterher laufen mußten, haben zu niedrige Kostenrechnungen gestellt. Aus welchen Gründen auch immer.

Danach jedenfalls wäre das Gemecker über die Höhe des anwaltlichen Honorars also gar nicht berechtigt. Und wenn trotzdem genörgelt wird, bedeutet dies, wir Anwälte müssen unseren Mandanten besser erklären, warum die Vergütung, die wir von ihnen erbitten, der Leistung entspricht, die wir für sie erbringen. Auch das gehört zu einer vollständigen anwaltlichen Beratung.

Nadine Gabel und ich werden uns die Kostennoten unserer Kanzlei insbesondere unter diesem von Frau Reisert vorgetragenen Gesichtspunkt künftig noch genauer anschauen. Nicht um höher abzurechnen, sondern um verständlicher zu erläutern, warum wir genau so abrechnen und nicht anders. Damit unsere (gute) Arbeit nicht durch Gemecker über die Kosten abgewertet wird.

Update:
Hier gibt es unter anderem eine FAQ zu den Anwältsgebühren.

 

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Beschwerde und Strafanzeige des Dr. Haeger

Herr Dr. Welf Haeger, seines Zeichens Clown und Rechtsanwalt, war – wie über 1.000 andere (Nur-)Rechtsanwälte auch – Teilnehmer der Mailing-Liste der Rechtsanwälte. Die Moderatoren der Liste vertraten die Ansicht, der Herr Dr. Welf Haeger nutze die Liste nicht so, wie es zwischen den anderen 1.000 Kollegen der Brauch ist. Deswegen haben sie Herrn Dr. Haeger aus der Liste ausgeschlossen.

Das gefiel Herrn Dr. Haeger nun aber nicht. Er brachte sein Mißfallen dann in einer hübschen Presseerklärung zum Ausdruck und in die Weltöffentlichkeit.

Teil dieser Öffentlichkeit scheine – aus Sicht des Herrn Dr. Haeger – auch ich zu sein. Jedenfalls ist unsere Kanzlei-eMail-Adresse offenbar in seinem Presseverteiler. So versorgte der Ex-Listige mich mit dem Wortlaut seiner Stellungnahme.

Die Auseinandersetzung, die Herr Dr. Haeger mit der Anwalts-Liste vom Zaun zu brechen begann, hat hohen Unterhaltungswert; seine Schreiben an die vorgesetzten Stellen kündigten jedenfalls ganz großes Kino an.

Daher habe mich auch ganz artig bei ihm bedankt.

Ich werde mir nun einen Vorrat an Popcorn besorgen und mit Interesse zuschauen, wie sich die Sache, ggf. bis zu Ihrer Einweisung, weiter entwickeln wird. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.

Offenbar hat der Comedian das in den völlig falschen Hals bekommen. Statt sich nun über meine Aufmerksamkeit zu freuen, schickt er mir einen bösen Brief.

Er meint, meine „Frechheiten“ müsse er sich nicht gefallen lassen und und kündigte an, sich über mich bei der Rechtsanwaltskammer zu beschweren.

Wahrscheinlich werde ich auch Strafanzeige wegen Beleidigung erstatten.

Whow. Der große Saal im Filmpalast!

Und wirklich, Herr Dr. Haeger ist kein Mann der leeren Worte. Heute morgen erreicht unsere Kanzlei eine Word-Datei:

Darin informiert Herr Dr. Haeger die Kollegen der Berliner Rechtsanwaltskammer über seine Auffassung,

dass Hoenig seinen Kollegen für „einweisungsreif in eine Irrenanstalt und damit geisteskrank“ hält.

Nach dortiger Rechtsauffassung eindeutig sei das eine Beleidigung nach § 185 „Straf-Gesetzbuch“. Und das verstoße dann auch noch gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a BRAO.

„Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft“ will er auch „erstattet“ haben.

Und dabei habe ich es ihm wirklich gegönnt … seine gerichtliche Einweisung in die Anwaltsliste. Ich verstehe gar nicht, wie er meine Fanpost so falsch verstehen konnte.

 

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Akteneinsicht im Mittelalter

In einer kleinen Bußgeldsache haben wir uns mit einem Akteneinsichtsgesuch an das Ordnungsamt einer ostdeutschen Kleinstadt gewandt. Offenbar hat man dort bereits schlechte Erfahrungen gemacht mit Strafverteidigern. Deswegen verlangt man dort Vorkasse.

Daß man unsere Kanzlei mit diesen unzuverlässigen Anwälten auf eine Stufe stellt, nehme ich hin; man kennt uns eben nicht. Auch daß der Name unserer Kanzlei irgendwie nicht richtig wieder gegeben wird, ist völlig Wurscht.

Aber daß wir wegen dieser Herrschaften da oben in diesem Meck-Pomm wieder Scheckvordrucke besorgen, ausfüllen und versenden, nur weil bei denen sich alles ein halbes Jahrhundert später entwickelt als im Rest der  Welt … das werden die dort wohl nicht ernsthaft erwarten.
 

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