Monatsarchive: Februar 2011

Piraten-Anwalt

Rechtsanwälte, die als Piraten in den Haftanstalten herum irren, um fremde Mandate zu entern, waren schon wiederholt ein Thema hier im Blog. Es gibt eine weitere Variante der Selbstüberschätzung, diesmal mit einem Bezug zum Strafrecht.

Der Mandant sitzt schon ein paar Tage in der Haft und so wie es aussieht, wird sich daran – in Kürze jedenfalls – nichts ändern. Er möchte die Zeit nutzen und plant ein Verbraucher-Insolvenz-Verfahren, da ihm und seiner Familie die Schulden über den Kopf gewachsen sind. Schließlich sind die Verdienstmöglichkeiten in der Haftanstalt eher eingeschränkt.

Da ein Strafverteidiger auf diesem Gebiet kaum Kompetenz liefern kann, wendet sich der Mandant an einen „Kollegen“, der ihm durch den Buschfunk – von Mitgefangenen – empfohlen wurde.

Diesem Zivilisten gelingt es, eine Besuchserlaubnis zu bekommen und den Mandanten zu besuchen. Die beiden unterhalten sich ausführlich, auch über das Strafverfahren, in dem es bereits über 80 Hauptverhandlungstermine gegeben hat. Weitere Termine sind bis in den Sommer geplant.

Der „Insolvenzberater“ wendet sich nun an das Gericht und beantragt den Austausch des Pflichtverteidigers: Der alte raus und er als neuer rein. Es begründet dieses unter anderem mit Informationen, die er in dem vertraulichen Gespräch von dem Mandanten erhalten hat. Daß er mit der Preisgabe dieser Informationen die bisherige Verteidigungsstrategie sabotiert, hätte er sich durchaus vorstellen können, da der liebe Gott ihm bestimmt ein paar Gramm Gehirn zur Verfügung gestellt hat. Einen Auftrag zu diesem Kamikaze-Antrag hatte er jedenfalls nicht.

Ein oder zwei graue Zellen hätten dabei schon ausgereicht, um die Absurdität seines Enterversuchs zu erkennen. Wie will der Mann den Inhalt von 80 Hauptverhandlungstagen erfassen und aufarbeiten? Glaubt er ernsthaft daran, die Verhandlung – mit ca. 15 weiteren Verfahrensbeteiligten, fast 50 Zeugen, mehreren Sachverständigengutachten und knapp 30 DVD mit Aufzeichnungen von Telefongesprächen – werde seinetwegen von vorn vorn beginnen? Naja, es gibt nichts, was es nicht gibt.

Versucht hat er es jedenfalls, mit einigem Nachdruck sogar. Vielleicht sogar mit dem einen oder andere Kassiber, oder mit dem Versprechen, die zivilrechtliche Beratung für lau zu liefern.

Die Grenze vollends überschritten hat der Entermann mit dem dokumentierten Hinweis an das Gericht, er werde dafür sorgen, daß der Mandant sich nun endlich eine Aussage machen werde. Ob er dem Gericht damit den Austausch des Verteidigers schmackhaft machen wollte, ist mir nicht bekannt. Die Gelegenheit zur Stellungnahme, die ich dem Herrn gegeben hatte, ließ er ungenutzt.

Für den Laien: Das, was ich dort oben beschrieben habe, ist nicht nur klassisches unkollegiales Verhalten. Es ist berufsrechtswidrig, zudem ordnungswidrig, zumindest was die Kassiber angeht. Und obendrein strafbar in Bezug auf den Verrat von Vertraulichkeiten aus dem Mandantengespräch an das Gericht. Ich bin mir nicht sicher, ob der Herr Kollege sein sicherlich gottgebenes Hirn nicht durch die Einnahme verbotener Substanzen selbst abgeschossen hat.

Ein gesunder Kopf jedenfalls steuert das anwaltliche Handeln irgendwie anders.

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Nicht ausführlich

Aus einer Ermittlungsakte, die wegen unerfreulichen Ereignissen zwischen Nachbarn angelegt wurde:

Der Beschuldigte Wilhelm Brause wurde durch den Unterzeichner im Krankenhaus aufgesucht und nach Belehrung als Beschuldigter gehört. Auf Grund seiner Verfassung konnte er nicht ausführlich gehört werden.

Der Beschuldigte wird Morgen operiert und wird danach noch mehrere Tage im Krankenhaus bleiben.

Dieser Vermerk war dem Vernehmungsprotokoll nachgeheftet. Das Protokoll hatte den Umfang von sieben Seiten.

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Dortamts

Das Gericht schreibt an das Bundeskriminalamt:

Eines Rückgriffs auf das Telefonbuch bedürfte es von vornherein nicht, wenn dortamts die Personalien und Adressen bekannt wären.

Die Deutsche Sprache bietet doch noch vielerlei neue Gestaltungsmöglichkeiten.

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Wie kommt der Mandant in den Knast?

Der Mandant ist zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach knapp 2/3 der verbüßten Haft wurde er in die Freiheit seines Heimatlandes ausgewiesen. Abschiebung ausländischer Straftäter nach Teilverbüßung wird dieses Verfahren genannt, das in § 456a StPO geregelt ist.

Das Problem für den Mandanten war nun, daß sein Heimatland nicht seine Heimat ist. Er will zurück und lieber die Haftstrafe komplett absitzen, um dann – „resozialisiert“ – hier in Berlin zu bleiben, wo er aufgewachsen und integriert ist.

Unser Auftrag ist es nun, dieses Verfahren einigermaßen geschmeidig zu gestalten. Wir sollten für den Mandanten den kürzesten Weg in die Haftanstalt ebnen. Aber so einfach ist das nicht: Mal eben zur Haftanstalt fahren, anklopfen und sagen: „Hallo, hier bin ich wieder!“ ist im Vollstreckungsrecht nicht vorgesehen.

Bei der Staatsanwaltschaft arbeiten Rechtspfleger, die die Vollstreckung der Strafen verwalten, die vom Gericht verhängt wurden. Meine Gesprächspartnerin bei dieser Vollstreckungsstelle war sehr verwundert über meine Frage:

Wie bekomme ich den Mandanten in den Knast?

So einen Fall hatte sie nämlich noch nicht auf dem Tisch. Wir haben uns dann auf folgendes Prozedere geeinigt:

Der Mandant sucht sich die Berliner Polizeidienststelle seines geringsten Mißtrauens aus, auf der er einen Beamten freundlich begrüßen wird. Diesen Beamten haben wir vorher bereits über den Besuch informiert, damit er sich vorbereiten kann. Insbesondere muß er einen Computer einschalten, damit er den Haftbefehl findet, der gegen den Mandanten dort verzeichnet ist.

Auf dieser Polizeidienststelle beginnt dann der Weg über die „Gefangenensammelstelle“ in die Haftanstalt. Mit ein wenig Glück ist es die JVA Moabit, in der der Mandant die erste Zeit seiner Freiheitsstrafe bereits abgessen hat. Die freundliche Rechtspflegerin wird wohlwollend prüfen, ob sie das Aufnahme-Ersuchen dorthin richten kann.

Es ist schon ein komisches Gefühl, den eigenen Mandanten ins Gefängnis zu bringen. Die Aufgaben eines Strafverteidigers sehen in der Regel eher anders aus. Aber es ist gar nicht so selten, daß Menschen, die zuvor geflohen sind, nach einiger Zeit lieber die Haft antreten, statt viele weitere Jahre stets auf der Flucht zu sein.

Trotzdem, dieserTeil meiner Arbeit als Verteidiger hat einen weitaus geringeren Unterhaltungswert als eine Verteidigung vor der Verurteilung.

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Kleinlauter Verteidiger

Ich hatte den Richter darum gebeten, mir die Akte sogleich nach dem Termin zur Einsicht mitzugeben. Gegen meine Zusicherung, die Akte noch am selben Tag wieder per Post zurück zu senden, kam er dieser Bitte nach. Es war eilig, weil der Fortsetzungstermin bereits in sieben Tagen stattfinden soll.

Die Akte habe ich dann zusammen mit anderen, weniger eiligen Akten in das „Bitte-einscannen„-Fach im Sekretariat gelegt. Ich hatte schlicht vergessen, den üblichen „Eilt-Sehr / Bitte sofort zurück„-Zettel auf die Akte zu heften und sie direkt auf den Scanner zu legen.

Sechs Tage, nachdem ich die Akte bekommen hatte, rief der Richter morgens um 7:30 Uhr auf unserer Notrufnummer an, faltete die arme Mitarbeiterin zusammen und verlangte die sofortige Rückgabe der Akte auf die Geschäftsstelle.

Um 9:10 Uhr lag die Akte auf dem Tisch des Richters. Zusammen mit meiner kleinlauten Bitte um Entschuldigung sowie um den Verzicht, mir die Ohren abzureißen.

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Sonntagslektüre: Der Sohn vom Kohl

Als Prominentensohn aufzuwachsen, ist ein Schicksal besonderer Art. Walter Kohl hat es erlebt.

Ein beeindruckender Blick hinter die Kulissen einer Biederkeit bundesdeutscher Neubausiedlungen.

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Frau Schwarzer im Waschsalon

Schwarzer kritisierte auch die Verhandlungsführung des Gerichts. Kachelmanns Anwalt sei es gelungen, den Saal „innerhalb weniger Wochen in einen Rummelplatz zu verwandeln“. In dieser Jahrmarkt-Stimmung sei es nur folgerichtig, „dass das Pro-Kachelmann-Stammpublikum die Richter ausbuht, wenn ihm etwas nicht passt“, berichtete die Feministin.

ist in der Welt Online zu lesen.

Festzuhalten ist, daß Frau Schwarzer nun dort nicht mehr sitzt, wo sie nicht hingehört.

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Wir sind fur Sie da, damit Sie kein Mangel an Geld haben!

Für den, der Mangel an Geld hat, ist diese eMail vielleicht interessant, die ich heute Morgen aus der Grube gehoben habe:

Hallo lieber Bewerber,

Bist du auf der Suche nach einer Nebenbeschaftigung oder einem Zusatzverdienst? Das brauchst du ab sofort nicht mehr zu tun!

Denn die Moglichkeit, sich Geld dazu zu verdienen, kommt zu dir. Und der Verdienst ist nicht schwer, aber wurdig!

Du verfugst uber ein Paar Stunden Zeit taglich, und mochtest diese Zeit nicht vergolden? Dann wende dich an uns, wir helfen dir!

Wir bitten dich bei bestehender Interesse uns eine kurze Mail zu schreiben. Bitte gib in der Mail auch deine Telefonnummer an.

Unsere Mail-Adresse lautet: RosasAOdeerskin@yahoo.com

Danke im Voraus!

MfG, Thomas Friedman!

Ich hätte hier noch eine alte Tastatur mit deutschen Umlauten …

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Pöbeleien im Waschsalon

Am Donnerstag, dem 26. Verhandlungstag, kam es im Saal 1 des Landgerichts Mannheim erstmals zu Beschimpfungen und lauten Unmutsäußerungen gegen Gericht und Journalisten. Als der Vorsitzende Michael Seidling den Antrag des Verteidigers Johann Schwenn auf die Herstellung der Öffentlichkeit teilweise ablehnte, quittierten die Zuschauer die Entscheidung mit Pfui-Rufen.

berichtete Ursula Knapp am 03.02.2011 in der Welt Online.

Pöbeleien auf der Galerie gibt es schon, seitdem Zuschauer im Gerichtssaal sitzen dürfen. Allerdings haben sie zugenommen, seitdem Konsorten wie Alexander Hold und Barbara Salesch ihr Unwesen im Nachmittagsprogramm der Fernsehsender treiben. Und wenn dann auch noch die Stimmung durch in Ehren ergraute Bildreporterinnen angeheizt wird, darf man sich nicht wundern, wenn es im Gericht zugeht wie im Waschsalon.

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Pickel

Nur mal eben zwischendurch:

Wenn der Arbeitgeber das Bruttogehalt eines Mitarbeiters um 100 Euro erhöht, kommen davon 57,88 Euro bei dem Mitarbeiter an. 42,12 Euro gehen an die Sozialversicherung.

Ich darf darüber nicht weiter nachdenken, sonst bekomme ich Pickel.

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