Piraten-Anwalt

Rechtsanwälte, die als Piraten in den Haftanstalten herum irren, um fremde Mandate zu entern, waren schon wiederholt ein Thema hier im Blog. Es gibt eine weitere Variante der Selbstüberschätzung, diesmal mit einem Bezug zum Strafrecht.

Der Mandant sitzt schon ein paar Tage in der Haft und so wie es aussieht, wird sich daran – in Kürze jedenfalls – nichts ändern. Er möchte die Zeit nutzen und plant ein Verbraucher-Insolvenz-Verfahren, da ihm und seiner Familie die Schulden über den Kopf gewachsen sind. Schließlich sind die Verdienstmöglichkeiten in der Haftanstalt eher eingeschränkt.

Da ein Strafverteidiger auf diesem Gebiet kaum Kompetenz liefern kann, wendet sich der Mandant an einen „Kollegen“, der ihm durch den Buschfunk – von Mitgefangenen – empfohlen wurde.

Diesem Zivilisten gelingt es, eine Besuchserlaubnis zu bekommen und den Mandanten zu besuchen. Die beiden unterhalten sich ausführlich, auch über das Strafverfahren, in dem es bereits über 80 Hauptverhandlungstermine gegeben hat. Weitere Termine sind bis in den Sommer geplant.

Der „Insolvenzberater“ wendet sich nun an das Gericht und beantragt den Austausch des Pflichtverteidigers: Der alte raus und er als neuer rein. Es begründet dieses unter anderem mit Informationen, die er in dem vertraulichen Gespräch von dem Mandanten erhalten hat. Daß er mit der Preisgabe dieser Informationen die bisherige Verteidigungsstrategie sabotiert, hätte er sich durchaus vorstellen können, da der liebe Gott ihm bestimmt ein paar Gramm Gehirn zur Verfügung gestellt hat. Einen Auftrag zu diesem Kamikaze-Antrag hatte er jedenfalls nicht.

Ein oder zwei graue Zellen hätten dabei schon ausgereicht, um die Absurdität seines Enterversuchs zu erkennen. Wie will der Mann den Inhalt von 80 Hauptverhandlungstagen erfassen und aufarbeiten? Glaubt er ernsthaft daran, die Verhandlung – mit ca. 15 weiteren Verfahrensbeteiligten, fast 50 Zeugen, mehreren Sachverständigengutachten und knapp 30 DVD mit Aufzeichnungen von Telefongesprächen – werde seinetwegen von vorn vorn beginnen? Naja, es gibt nichts, was es nicht gibt.

Versucht hat er es jedenfalls, mit einigem Nachdruck sogar. Vielleicht sogar mit dem einen oder andere Kassiber, oder mit dem Versprechen, die zivilrechtliche Beratung für lau zu liefern.

Die Grenze vollends überschritten hat der Entermann mit dem dokumentierten Hinweis an das Gericht, er werde dafür sorgen, daß der Mandant sich nun endlich eine Aussage machen werde. Ob er dem Gericht damit den Austausch des Verteidigers schmackhaft machen wollte, ist mir nicht bekannt. Die Gelegenheit zur Stellungnahme, die ich dem Herrn gegeben hatte, ließ er ungenutzt.

Für den Laien: Das, was ich dort oben beschrieben habe, ist nicht nur klassisches unkollegiales Verhalten. Es ist berufsrechtswidrig, zudem ordnungswidrig, zumindest was die Kassiber angeht. Und obendrein strafbar in Bezug auf den Verrat von Vertraulichkeiten aus dem Mandantengespräch an das Gericht. Ich bin mir nicht sicher, ob der Herr Kollege sein sicherlich gottgebenes Hirn nicht durch die Einnahme verbotener Substanzen selbst abgeschossen hat.

Ein gesunder Kopf jedenfalls steuert das anwaltliche Handeln irgendwie anders.

Dieser Beitrag wurde unter Rechtsanwälte veröffentlicht.

6 Antworten auf Piraten-Anwalt

  1. 1
    Pascal says:

    Verdient man denn als Strafrechtler so gut, dass man im freumden Revier wildern muss?

  2. 2
    Kampfschmuser says:

    @Pascal
    Oder man verdient so schlecht, weil man keine Mandanten hat.

  3. 3
    W says:

    Die Verzweiflung, die dem zu Grunde liegen wird, kann ich als Berliner Berufsanfänger ja noch nachvollziehen, aber:

    Wie verblödet muss man sein?! Komm’se, an der Geschichte müssen Sie doch was aufgebaucht haben, oder? Handlungen, deren Berufsrechtswidrigkeit einem so dermaßen ins Gesicht springen, in solchen Schriftsätzen zu dokumentieren, so kann man doch die Salzburger Straße nicht ohne Hilfe gefunden haben?

  4. 4
    Heiko Nock says:

    Mit „vielleicht“ existierenden Kassibern begeht man keine Ordnungswidrigkeit.

  5. 5
    W says:

    Das meinte ich auch nicht.

  6. 6
    kopfnuss, kopfnuss kopfnuss.... says:

    oha, dachte erst es heisst richtig berufsrechtwidrig^^

    jedenfalls spannende geschichte bitte weiter berichten danke.