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HIS – die Schufa der Versicherungswirtschaft

Nach erfolgter Regulierung ihrer Verkehrsunfälle beikommen unsere Mandanten in aller Regel, nämlich dann wenn fiktiv abgerechnet wurde und der Schaden über 2.500 Euro liegt, zum Abschluss noch ein nettes Schreiben von der gegnerischen Versicherung, in dem ihnen mitgeteilt wird, dass die Daten zum Fahrzeug – Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer – an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) übermittelt wurden.

Es folgen auf ein solches Schreiben oft aufgeregte Anrufe. Dürfen die das? Ja, sie dürfen.

Bei dem HIS handelt es sich um eine Datensammlung der deutschen Versicherungswirtschaft, die der Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und Versicherungsmissbrauch sowie der begleitenden Risikoprüfung dienen soll. Sozusagen die „Schufa“ für Versicherungen.

Zweck der Meldung im Falle fiktiver Abrechnungen ist in erster Linie, dass beschädigte Fahrzeuge nicht mehrfach als Versicherungsfall gemeldet werden. Fiktivabrechner werden also unter den Generalverdacht gestellt, das sie sich durch Mehrfachabrechnung von Unfällen einen netten Zusatzverdienst verschaffen. Kennt man, machen Unfallgeschädigte ständig. Dagegen müssen sich die gebeutelten Versicherungen natürlich schützen.

Klagen gerichtet auf Löschung erfasster Daten, bleiben ohne Erfolg. Aktuell hat das Amtsgericht Kassel eine solche Klage abgewiesen.

In der HIS-Datenbank würden ja keine personenbezogene Daten im Sinne des § 3 BDSG gespeichert, lediglich fahrzeugbezogene Daten und die könnten nur über Umwege, so z.B. über das Kraftfahrtbundesamt oder die örtliche Kfz-Zulassungsstelle in Bezug zu einer bestimmten Person gesetzt werden.

Ob das so richtig ist, darüber kann man trefflich streiten. Aber selbst wenn man anderer Ansicht ist, sei die Speicherung der Daten erlaubt im Sinne des § 4 BDSG. Die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung finde in § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG ihre Grundlage, da schutzwürdige Interessen der von der Datenspeicherung betroffenen Fiktivabrechner nicht tangiert würden.

Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. (…)

Denn den dem …angeschlossenen Versicherungsunternehmen wird, wie bereits ausgeführt, die Bearbeitung besonders auffälliger Schadensfälle damit erleichtert, insbesondere im Hinblick auf Fälle, in denen der Verdacht betrügerischen Verhaltens durch mehrfache Abrechnung ein- und desselben Schadens eine Rolle spielt. Steht aber ein solches Verhalten eines Anspruchstellers zur Debatte kann er nicht für sich datenschutzrechtliche Bestimmungen reklamieren, weil er sich der dann selbst möglicherweise rechtswidrig verhalten hat oder zumindest ein solcher Verdacht auszuräumen ist (im Ergebnis wie hier AG Coburg, Urteil v. 07.11.2012 – 12 C 179/12).

Was an der fiktiven Abrechnung gegenüber einer Kfz-Haftpflichtversicherung auffällig, betrügerisch und unberechtigt sei, erklärt das Gericht leider nicht.

AG Kassel, Urteil vom 7. Mai 2013, Az: 435 C 584/13

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Schnelle Versicherung

In einer Unfallsache wurde nach fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis von der Versicherung ein Prüfbericht übersandt, wonach eine Reparatur deutlich billiger möglich sei. Die Kürzung war recht deftig und der Mandant wenig begeistert. Ich hatte der Versicherung noch ein wenig Butter bei die Fische getan. Heute kam die Antwort der Versicherung.

Das Fahrzeug Ihrer Mandantschaft ist älter als 3 Jahre. Es wurde erstmals am … zugelassen und weist einen Kilometerstand von … km auf.

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss sich der Geschädigte bei einer Abrechnung auf Gutachtenbasis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit, die mühelos ohne weiteres zugänglich ist, verweisen lassen (z.B. BGF VI ZR 53/09 vom 20.09.2009).

Wir haben bei der … Karosseriebau in der …straße … in … Berlin die Preise ermittelt. Diese regionale Werkstatt befindet sich in der Nähe des Wohnorts des Klägers. Diese Firma bietet günstigere Stundenverrechnungssätze an. Die Qualität der Reparatur unterscheidet sich nicht von derjenigen einer Markenfachwerkstatt.

Wir können keine weiteren Reparaturkosten übernehmen und bitten um Verständnis.

Wenn die Versicherer doch bei der Schadenregulierung so schnell wären, wie bei der Umsetzung der neuesten Sparanleitung vom BGH.

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Das Ende der fiktiven Abrechnung?

Der BGH, der kürzlich noch entschied, dass bei fiktiver Abrechnung eines Unfallschadens selbstverständlich auch die auf Lohnkosten einer Werkstatt entfallenen Sozialabgaben und Lohnnebenkosten ersetzt werden müssen, hat nun in seiner unendlichen Weisheit einen neuen Kriegsschauplatz in der Schadenregulierung eröffnet, wenn nicht sogar das Ende der fiktiven Schadenabrechnung eingeläutet.

Eigentlich ein alltäglicher Fall. Der Unfallgeschädigte hatte seinen Fahrzeugschaden von einem unabhängigen Kfz-Sachverständigen kalkulieren lassen und wollte fiktiv abrechnen. Tatsächlich hatte er in Eigenregie und (das darf vermutet werden) etwas preiswerter repariert. Das ist völlig legitim und es geht insbesondere den Versicherer nichts an, was der Geschädigte mit dem zu zahlenden Schadenersatz anstellt und ob er anstelle die Karosse auszubeulen, lieber in den Urlaub fliegt.

Natürlich suchen die Versicherer nach Möglichkeiten, gerade in solchen Fällen zu sparen. Erst kamen dubiose Restwertbörsen zum Einsatz, die seltsamerweise immer mehr für ein Fahrzeug boten, als die von eigenen Sachverständigen benannten regionalen Anbieter. Dann erfand man die Prüfberichte, verfasst von „Car-Experten“ und den Verweis auf günstigere Alternativwerkstätten.

Der BGH hatte mehrfach Gelegenheit, dazu Entscheidungen zu treffen. Grundsätzlich könne ein Unfallgeschädigter seinen Schaden auf Grundlage der von seinem Sachverständigen ermittelten Preise von markengebundenen Fachwerkstätten auch fiktiv regulieren, es sei denn, der Versicherer verweist ihn auf eine preisgünstigere Werkstatt, die mühelos erreichbar, zu gleicher Qualität repariere wie eine Markenwerkstatt.

Man stritt vor den Instanzgerichten nunmehr erbittert um die Frage der Gleichwertigkeit, wobei die Versicherungen immer nur diese Prüfberichte und zum Nachweis der Gleichwertigkeit bunte Expertisen vorlegten, wonach die benannten Werkstätten zertifiziert und Mitglied in irgendwelchen Zusammenschlüssen waren. Das reiche nicht, entschied kürzlich das Landgericht Berlin. Die Versichererung hätte dem Geschädigten schon ein konkretes Werkstattangebot vorlegen müssen.

Der BGH liefert den Versicherern nun die Anleitung zum sparen. Jetzt dürfen diese so ein konkretes Angebot nämlich nachholen, sogar noch im Klageverfahren.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Schädiger den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, noch im Rechtsstreit auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Referenzwerkstatt verweisen kann, ist nicht zu beanstanden.

a) Der Geschädigte darf, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteile vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 4 – Porsche-Urteil; vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 f. – VW-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 – Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 6 – Mercedes-A 170-Urteil). Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht grundsätzlich ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. z.B. Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241; vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1, 3).

Allerdings ist unter Umständen ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen anderen markengebundenen oder “freien” Fachwerkstatt möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und der Geschädigte keine Umstände aufzeigt, die ihm eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, aaO Rn. 12 ff. – VW-Urteil; vom 23. Februar 2010 – VI ZR 91/09, VersR 2010, 923 Rn. 9, 11 – BMW-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 7 – Audi-Quattro-Urteil; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 7 – Mercedes-A 170-Urteil; vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 7 – Mercedes-A 140-Urteil).

b) Hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verweis spätestens erfolgen muss, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Vertreten wird etwa, der Kfz-Haftpflichtversicherer könne den Unfallgeschädigten bei fiktiver Abrechnung des Unfallschadens an einem fünf Jahre alten Fahrzeug auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, der mehrere Wochen nach dem Unfall liege, und zu dem das Fahrzeug bereits repariert worden sei, auf eine von ihm konkret benannte und dem Geschädigten zumutbare und zugängliche, technisch gleichwertige, aber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen, es sei denn, der Geschädigte habe das Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen (z.B. OLG Braunschweig, Urteil vom 27. Juli 2010 – 7 U 51/08, juris Rn. 18). Zum Teil wird es für ausreichend gehalten, dass im Fall der fiktiven Schadensberechnung der Schädiger auch noch erstmals im Prozess auf eine günstigere Werkstatt verweist (LG Frankfurt, Urteil vom 19. Januar 2011 – 2-16 S 121/10, juris; LG Stuttgart, Urteil vom 19. Juli 2010 – 4 S 48/10, juris Rn. 14; AG Flensburg, Urteil vom 8. Januar 2013 – 62 C 131/12, juris Rn. 8 ff.; AG Nordhorn, Urteil vom 19. Juni 2012 – 3 C 1596/11, juris Rn. 28 ff.). Die Möglichkeit, erst im Prozess auf freie Werkstätten zu verweisen, wird von anderen abgelehnt, wobei u.a. darauf abgestellt wird, der Verweis müsse in dem Zeitpunkt bekannt sein, in dem der Geschädigte gewöhnlich seine Dispositionsentscheidung treffe, also zeitnah nach dem Unfall (vgl. LG Kiel, Urteil vom 25. November 2011 – 1 S 37/11, juris Rn. 23 ff.; LG Frankenthal, Urteil vom 7. März 2012 – 2 S 180/11, juris Rn. 7 ff.; AG Hechingen, Urteil vom 28. Juni 2012 – 2 C 416/11, juris Rn. 16 ff.; vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 16. Juni 2008 – I-1 U 246/07, DAR 2008, 523, 525; Nugel, jurisPR-VerkR 18/2008 Anm. 1).

c) Nach Ansicht des erkennenden Senats ist der Verweis noch im Rechtsstreit möglich, soweit dem nicht prozessuale Gründe, wie die Verspätungsvorschriften, entgegenstehen.

Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es im Prinzip unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Dem steht nicht entgegen, dass der Geschädigte nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen. Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. Der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt. Hinweise der Schädigerseite auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten.

BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 – VI ZR 320/12

Ein Geschädigter hat genau zwei Möglichkeiten, seinen Schaden abzurechnen. Er kann konkret abrechnen und den Schaden genau zu dem Preis, den sein Sachverständiger im Gutachten kalkuliert hat, in der Markenfachwerkstatt seines Vertrauens gegen Rechnung reparieren lassen. Die andere Möglichkeit ist, sich den für die fiktive Wiederherstellung erforderlichen Netto-Betrag auszahlen zu lassen.

Das Urteil greift in diese vom Gesetz her vorgesehene Dispositionsfreiheit des Geschädigten ein. Wie soll er denn disponieren, also planen, wenn die Versicherung später noch günstigere Werkstätten benennen darf? Für den Geschädigten, der fiktiv abrechnet, ist es nicht unerheblich, ob und wann der Versicherer auf die alternative Reparaturmöglichkeit verweist. Denn der Geschädigte hat in aller Regel schon disponiert und möglicherweise (preiswerter) repariert.

Der Geschädigte „verdient“ auch nicht am Schaden, denn er hat Anspruch auf den Betrag, der objektiv zur Herstellung erforderlich ist. Und diesen Betrag hat sein Sachverständiger ermittelt. Wenn der BGH schreibt, der Geschädigte disponiert dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf dieser objektiven Grundlage zufrieden gibt, meint er damit, der Geschädigte der in Eigenregie oder preiswert repariert, hätte auch das Billigangebot der Versicherung nehmen können. Weil mehr sei ihm sein Kfz anscheinend ja nicht wert. Das stellt den Gedanken, der in § 249 BGB steckt, völlig auf den Kopf.

Die Einschränkung durch den BGH, dass der Benennung einer konkreten Alternativwerkstatt im Prozess möglicherweise die Verspätungsvorschriften entgegenstehen können, hilft nicht weiter. Verspätung findet in den Instanzgerichten mal statt, wenn ein Prozessbevollmächtigter den Bus verpasst. Verspätungen in Sinne von § 296 ZPO kommen nicht vor. Die Versicherungen werden angesichts dieser Steilvorlage, die der BGH ihnen liefert, künftig weiter kürzen, ihre Prüfberichte vorlegen und auf angeblich reparaturbereite Alternativwerkstätten verweisen. Sollte der Geschädigte auf die Idee kommen, gegen die Kürzung zu klagen, legt man einfach ein konkretes Werkstattangebot vor. Letzdendlich kann man sich dann noch um die Frage der Gleichwertigkeit streiten, um mehr aber auch nicht.

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Gibt es ein Recht auf Nachbesichtigung?

Gern wird in Unfallsachen nachdem für den Geschädigten ein Gutachten über die Schadenkalkulation vorgelegt wurde und fiktiv abgerechnet wird, seitens der Kfz-Haftpflichtversicherung an dem Gutachten rumgemäkelt. Entweder es wird ein „Prüfbericht“ übersandt, in dem ein um vieles geringerer Reparaturaufwand kalkuliert und auf eine ganz leicht erreichbare, mehrfach ausgezeichnete und zertifizierte und überhaupt unglaublich tolle freie Werkstatt verwiesen wird, oder aber die Versicherung möchte von ihrem Recht auf Nachbesichtigung durch einen eigenen Sachverständigen Gebrauch machen. Dazu wird der Geschädigte auch gern unter Umgehung des eigenen Rechtsanwaltes angeschrieben. Es stellt sich die Frage, darf die Versicherung das? Klare Antwort, versuchen kann man es ja mal, ein Recht darauf besteht nicht.

In Anlehnung an BGH, Az: IV ZR 334/88, NJW 89, 3009 und zfs 89, 299, wonach der Geschädigte eines Verkehrsunfalls lediglich verpflichtet ist, ein Schätzgutachten eines Kfz-Sachverständigen vorzulegen, stellte das LG Kleve, Az: 3 O 317/98, zfs 89, 239, in seinem Urteil vom 29. Dezember 1998 klar, dass sich der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall auf die von seinem Sachverständigen vorgenommenen Feststellungen zur Schadenhöhe verlassen darf. Eine Schadensregulierung ist nicht davon abhängig zu machen, dass der Geschädigte in eine Nachbesichtigung durch einen Fremdgutachter einwilligt.

Zum vermeintlichen Nachbesichtigungsrecht hat das Landgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 13.07.2011, Az: 42 0 22/10, ebenfalls deutlich Stellung genommen:

(…) Ist ein Kraftfahrzeug bei einem Unfall beschädigt worden, so kann der Geschädigte von dem ersatzpflichtigen Schädiger den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag gemäß § 249 Satz 2 BGB verlangen. Dieser Geldbetrag bemisst sich danach, was vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeugs zweckmäßig und angemessen erscheint (BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa BGHZ 54,82, 84ff.; 61, 346, 349f; 63, 182, 184ff.; Senatsurteil vom 20. Juni 1972 -VI ZR 61/71 = VersR 1972, 1024, 1025). Diese Ersetzungsbefugnis des § 249 Satz 2 BGB soll dem Geschädigten die Auseinandersetzung mit dem Schädiger darüber ersparen, ob die Herstellung durch den Schädiger nach § 249 Satz 1 BGB gelungen ist und vom Geschädigten als Ersatzleistung angenommen werden muss. Damit sie dieses Ziel voll erreichen kann, ist der Ersatz in Grenzen losgelöst von im Einzelfall von dem Geschädigten für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Beträgen. Für das, was zur Schadensbeseitigung nach § 249 Satz 2 BGB erforderlich ist, ist ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen. Dafür stellt das Schätzungsgutachten eines anerkannten Kfz-Sachverständigen über die Höhe der voraussichtlichen Reparaturkosten nicht nur für das Gericht, sondern auch für den Schädiger eine sachgerechte Grundlage dar, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Zwar ist es dem Schädiger unbenommen, durch substantiierte Einwände die Annahmen des Sachverständigen in Einzelpunkten in Zweifel zu ziehen. Solange aber keine Anhaltspunkte für gravierende Mängel bestehen, bleibt das Schätzgutachten eine ausreichende Grundlage für die Darlegung des Unfallschadens.

Nach den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes hat der Haftpflichtversicherer zwar das Recht, vom Kläger Auskunft zu verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist. Der Kläger war danach aber zur Vorlegung von Belegen nur insoweit verpflichtet, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden konnte. Der Kläger schuldete daher allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch Beauftragte der Beklagten (…).

Zwar dürfte eine Nachbesichtigung einen unfallgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer in der Regel nicht über Gebühr belasten, andererseits ergibt sich eine solche Verpflichtung aber nicht aus dem Gesetz und der Geschädigte schuldet auch keine Begründung dafür, warum er davon absehen will. Im vorliegenden Fall hat der Kläger der Beklagten (…) ein mit Lichtbildern des Fahrzeugs und aller daran festgestellten Schäden versehenes Gutachten eines zertifizierten Sachverständigen überlassen, in welchem nicht nur die Schäden beschrieben sind, sondern auch deren genaue Lage am Fahrzeug und ihr Umfang, ferner die zur Beseitigung erforderlichen Arbeiten. Dies genügt der dem Geschädigten in § 128 d Abs. 3 S. 2 VVG auferlegten Pflicht. Zu einer weiter ausdehnenden Interpretation der gesetzlich normierten Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten besteht kein Anlass. Die Überlassung eines beschädigten Gegenstandes zu Prüfungszwecken ist etwas grundsätzlich anderes als die Vorlegung von Belegen. Deshalb steht dem Kfz-Haftpflichtversicherer regelmäßig kein Anspruch auf Nachbesichtigung des unfallgeschädigten Fahrzeuges zu; etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn z. B. ein Verdacht auf betrügerische Geltendmachung von Unfallschäden vorliegt und behauptet wird, dass Vorschäden verschwiegen worden sind (vergleiche BGH, ZfSch 1989, 299; LG München, Urteil vom 20. Dezember 1990 – 19 S 11609/90 – und LG Kleve, Urteil vom 29. Dezember 1998 – 3 O 317/98 -: „Grundsätzlich darf der Geschädigte seinen Schaden allein auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens abrechnen, sofern dieses Gutachten nicht derart gravierende Mängel aufweist, dass dessen Mangelhaftigkeit auch für ihn ohne weiteres erkennbar ist. Ein Anspruch auf Nachbesichtigung des Unfallfahrzeuges steht dem Schädiger grundsätzlich nicht zu.)”. Vorliegend gibt es weder Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit des Klägers – selbst die Beklagten haben nicht behauptet, dass der Unfall nur vorgetäuscht gewesen ist, bzw., dass der Kläger auch unfallfremde Vorschäden abrechnet u.a. – noch ist das Gutachten des Sachverständigen erkennbar falsch oder mangelhaft. Die Beklagten haben vorprozessual gegenüber dem Kläger keine Angaben zu ihren Bedenken und Zweifeln an der Unfallkausalität der geltend gemachten Schäden gemacht. Die bloße Angabe, die Kalkulation des Sachverständigen sei nicht ohne weiteres nachvollziehbar, genügt jedenfalls nicht, um ein Nachbesichtigungsrecht mit der Folge einer zulässigen gänzlichen Zahlungsverweigerung zu begründen. (…)

LG Berlin, Urteil vom 13.07.2011, Az: 42 0 22/10, mitgeteilt und erstritten von Rechtsanwalt Umut Schleyer, Berlin.

Wenn das Schadengutachten eines Unfallgeschädigten also keine gravierenden Mängel aufweist, Vorschäden nicht vorhanden oder aber zu solchen im Gutachten bereits ausreichende Ausführungen gemacht wurden, geschweige denn Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten ersichtlich sind, besteht kein Grund, der Versicherung eine Nachbesichtigung zu erlauben.

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