Ein feiner Zug der Bahn

In der bislang kältesten Nacht des Jahres hat eine Schaffnerin der Deutschen Bahn in Brandenburg eine Schülerin bei minus 19 Grad Celsius aus dem Zug geworfen, weil sie die falsche Fahrkarte gelöst hatte. Die 16-Jährige habe ein Ticket für nur 5,10 Euro vorweisen können, die Strecke sei aber zwei Euro teurer gewesen, sagte ein Bahn-Sprecher am Donnerstag.

beginnt ein Kommentar in der taz.

Naja, der Bahnsprecher hat sich für den Rausschmiß entschuldigt. Die Schaffnerin soll ihn ebenfalls bedauern, sagt man.

Vielleicht sollte man diese Damen in Uniform mal eine Woche lang zum Pflegen der Weichen mit einer Zahnbürste auf die Strecke schicken, denn irgendwie scheinen es diese Traktoristinnen ja nicht wirklich zu kapieren:

Zuvor hatte es bereits mehrfach Fälle gegeben, in denen Minderjährige von Schaffnern aus dem Zug verbannt worden waren. Erst wenige Tage vor Weihnachten verwies eine Schaffnerin der Märkischen Allgemeinen zufolge drei 13-jährige Mädchen in Falkensee des Zuges. Sie akzeptierte demnach das ermäßigte Tagesticket für bis zu 14-jährige Schüler nicht, …

Allerdings: Zu mir waren die uniformierten Damen im Zug stets freundlich. Liegt das vielleicht daran, daß ich in der 1. Klasse fahre?

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Schwierige Strafmaßverteidigung

Der Mandant wurde der Richterin vorgeführt, die den Erlaß eines Haftbefehls verkünden wollte. Ihm hat das aber gar nicht gefallen und das hat er der Richterin auch mitgeteilt. In dem Protokoll liest sich das so:

Eine Freispruch-Verteidigung war ohnehin nicht mehr sinnvoll, man hatte ihn auf frischer Tat ertappt. Aufgabe der Verteidigung wäre gewesen, ihn mit Blick auf das Strafmaß möglichst „billig“ aus der Sache herauszuholen. Nach diesem Protokoll wird das wohl auch nicht mehr gut möglich sein.

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Bundesheerwerbung

Neues zum Thema „Fremdschämen“.

Hier gibt es das ganze nochmal in der ukrainischen Variante.

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Freispruch für Yunus und Rigo

Als Yunus und Rigo am 1. Mai 2009 verhaftet wurden, dachten sie, die Verwechslung würde schnell aufgeklärt. Die Schüler blieben 230 Tage in U-Haft. Nun wurden sie freigesprochen.

berichtet erleichtert Konrad Litschko in der taz.

Vielleicht sei in dem Prozess nicht alles so gelaufen wie gewünscht. Entscheidend aber sei das Gesamtbild. Und dabei lasse man sich weder von Emotionen noch von öffentlichen Forderungen leiten. Er beantragte Gefängnisstrafen: für Yunus vier Jahre und neun Monate, für Rigo drei Jahre und neun Monate.

zitiert Litschko den Staatsanwalt Ralph Knispel, der trotz fehlenden Tatnachweises und trotz chaotischer, tendenziös betriebener Ermittlungen und obwohl das Landgericht am 17.12.2009 bereits den Haftbefehl wegen fehlenden (dringenden) Tatverdachts aufgehoben hatte, die Verurteilung der beiden Schüler anstrebte.

Anfang Januar räumt der Chefermittler mögliche Versäumnisse ein. Im „allgemeinen Tohuwabohu“ nach dem 1. Mai sei Entlastendes möglicherweise untergegangen, so der 38-jährige vor Gericht. Er und seine Kollegen seien überarbeitet gewesen.

Ein politischer Prozeß, von dem sicherlich noch zu lesen sein wird.

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Dann eben nicht

Zum Thema „Ihr könnt mich mal!“ ein Auszug aus einer Ermittlungsakte:

Gegen 12.15 Uhr wurde durch KHK Bullmann und KK Gluffke die Gefangenensammelstelle aufgesucht, um den Beschuldigten WILHELM BRAUSE verantwortlich zur Sache zu vernehmen.

Der Beschuldigte wurde in Zelle Nr. 7 aufgesucht und schlafend angetroffen. Herr BRAUSE wurde durch mehrfaches lautes Ansprechen geweckt. Ihm wurde erklärt, dass er zur Sache vernommen werden soll. Entsprechend befragt, bestätigte er, sich in der Lage zu fühlen, vernommen zu werden.

Gemeinsam wurde in den Räumen der Dienststelle der Schreibraum aufgesucht, wo Herr BRAUSE auf einem Stuhl Platz nahm. Er fragte, ob er von seinen in den Effekten befindlichen entsprechenden Utensilien rauchen darf. Diesbezüglich wurde auf der Wache durch KK Gluffke nachgefragt. Es wurde bestätigt, dass Rauchverbot besteht und dies dem Beschuldigten mitgeteilt.

Daraufhin erklärte Herr BRAUSE, dass er nicht mehr bereit ist, weiter mit uns zu reden und sich nicht zur Sache äußert. Der Beschuldigte stand auf, verließ den Schreibraum, suchte seine Zelle auf und legte sich schlafen.

Es wurde nicht überliefert, welchen Finger Brause beim Verlassen des Schreibraums in die Höhe streckte.

Ach so: Es ging um einen räuberischen Diebstahl von fünf Flaschen Eierlikör.

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Armer Tankwart

Dem Mandanten wird ein sogenannter Tankbetrug zur Last gelegt. Er soll getankt haben, ohne zur Zahlung bereit gewesen zu sein. Das war im Januar 2009. Nun geht es in der Hauptverhandlung darum zu klären, ob die Version der Staatsanwaltschaft oder die des Mandanten die richtige ist.

Dazu soll der Tankwart gehört werden. Eigentlich ist er ja kein Tank-, sondern eher Kassenwart. Denn Tanken muß der Kunde allein, der Mann hinter der Theke sammelt nur das Geld ein.

Und wenn Geld fehlt, guckt man in die Videoaufzeichnung und findet so den Nicht-Bezahler. Soweit, sogut. Nun hat aber ein Gespräch zwischen dem Mandanten und dem Kassentankwart stattgefunden, über das sich das Gericht informieren möchte. Deswegen wurde der Mann als Zeuge geladen.

Das Problem: Er arbeitet nicht mehr auf dieser Tankstelle, sondern auf einer anderen Tankstelle etwa 800 km entfernt.

Vielleicht hat ihn deswegen die erste Ladung nicht erreicht. Jedenfalls ist er zum Gerichtstermin nicht erschienen.

Deswegen hat es einen weiteren Termin gegeben, zu dem der Wärter erneut geladen wurde. Diesmal per förmlicher Zustellung der Ladung. Den Brief hat der Zusteller dem Zeugen aber nicht in die Hand gedrückt, sondern auf der Poststelle „niedergelegt“ und ihn über diese Niederlegung informiert. So jedenfalls steht es in der Zustellungsurkunde.

Zu dem zweiten Termin sind dann auch wieder alle Beteiligten erschienen. Nur der förmlich geladene Tankwart nicht.

Das Gericht hat einen dritten Termin festgesetzt und ist jetzt dem Antrag des Staatsanwalts gefolgt: Der Zeuge wird vorgeführt. Das bedeutet im konkreten Fall:

Am Tag vor dem Termin wird ein freundlicher Polizeibeamter zur nachtschlafenden Zeit bei dem Herrn auf der süddeutschen Matte stehen und ihn zu einer Spritztour nach Ostdeutschland einladen (im Sinne von „einpacken/verfrachten“). Er wird dann eine Nacht im Gewahrsam der Justiz verbringen, um nach einem leckeren Frühstück aus dem Blechnapf zum Aussagen in den Gerichtssaal geführt zu werden.

Dort wird er dann als Zeuge aussagen, daß er sich an den über ein Jahr zurückliegenden Tankvorgang und das Gespräch mit dem Mandanten nicht mehr erinnern kann. Danach darf er dann wieder in den sonnigen Süden fahren.

Übrigens: Die offene Tank-Rechnung in Höhe von einpaarundzwanzig Euro hatte der Mandant bereits bezahlt, lange bevor ihm mitgeteilt wurde, daß gegen ihn wegen Betruges ermittelt wurde.

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Winter im Moabiter Kriminalgericht

Je nachdem, in welcher Himmelsrichtung sich die Fenster eines Gerichtssaals befinden, kann die Verteidigung die Staatsanwälte weichkochen. Jedenfalls im Sommer geht das ganz gut, wenn die Sonne vom Süden durch’s Fenster auf den schwarzen Kittel des Sitzungsvertreters brennt.

Das funktioniert im Winter leider nicht. Allerdings hat die Moabiter Gerichtsverwaltung den Verteidigern eine andere Beihilfe geleistet: Ein kompletter Gebäudetrakt wird saniert. Neue Fenster und sonstige Renovierungen stehen an. Und die alten Fenster und Türen auf. Bei Tageshöchsttemperaturen um die -10 Grad ist es dann im Gericht nicht wirklich kuschelig.

Außerdem muß das Land Berlin sparen. Deswegen wird im Gericht an Wochenenden die Heizung herunter gefahren.

Und das ergibt am Montag dann Temperaturen, die bei den zentralheizungsverwöhnten Staatsbediensteten zu blauen Lippen und steifen Fingern führen.

Ich konnte der Versuchung nur knapp widerstehen, meinen Schlußvortrag vor dem Schwurgericht gestern noch durch einen Exkurs über Adam und Eva zu ergänzen. Der durchgefrorene Staatsanwalt hat sich anschließend für meine knappen Worte bedankt.

Und ich war froh, danach eine Runde über den Landwehrkanal drehen zu können.

Danke an HU für den Schnapschuß.

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LKA und Apotheker – Straftäter?

Wie das sächsische Landeskriminalamt (LKA) den Medien mitteilte, meldeten sächsische Apotheker im vergangenen Jahr 69 verdächtige Medikamentenbestellungen. Darüber berichtete der Sachsenspiegel, eine Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks.

Das LKA habe die Apotheker aufgefordert, Informationen über den Kauf von Rhinopront, ein Schnupfenmittel, an die Ermittler weiterzugeben. Dabei sollen nicht nur statistische Angaben verraten geliefert worden sein, sondern eben auch Personendaten.

Wegen letzteren rudern die Mittäter nun zurück;

Dabei gehe es jedoch nicht um die Bespitzelung von Kunden, sondern um den Schutz vor Medikamentenmissbrauch und Drogenhandel. Man habe das Landeskriminalamt (LKA) über auffällige Massenbestellungen bestimmter Medikamente informiert, aus denen die Droge Crystal hergestellt werden könne. Vertrauliche Daten über Patienten seien dabei nicht übermittelt worden

berichtet die Mitteldeutsche Zeitung.

Das Schnupfenmittel ist ein rezeptfreies Medikament, das den Wirkstoff Pseudoephedrin enthält. Aus diesem kann die Partydroge „Crystal“ hergestellt werden.

Verboten und mit Strafe bedroht ist aber nicht nur die Droge, sondern auch die Weitergabe von Kundendaten durch Apotheker. Den Herrschaften vom Landeskriminalamt und den Verrätern unter den Pillendrehern sei die Lektüre des § 203 StGB an’s Herz gelegt:

Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis […], offenbart, das ihm als […] Apotheker […] anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Sicherlich gibt es daneben auch noch ein paar knackige berufsrechtlichen Regeln, die den Apothekern das kollusive Zusammenwirken mit den Strafverfolgungsbehörden untersagt.

Übrigens:
Das Aspirin Complex, das ich vergangene Woche eingenommen habe, beinhaltet auch das Pseudoephedrin. Außerdem habe ich Kontakt zur Drogen-Szene. Stehe ich nun auch unter dem Verdacht, ein Partydrogen-Hersteller zu sein?

Wir leben in einer wunderbaren Welt …

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Telefonüberwachung

Das Bundeskriminalamt war fleißig:

27 DVD mit aufgezeichneten und zum Teil verschrifteten Überwachungen freundlicher Telefonate. Ich habe die Datensammlung dann mal auf ein handlicheres Format kopiert, um nicht vom Strafverteidiger zum DJ zu werden.

Jetzt müssen wir uns das nur noch anhören.

Dazu steht uns im Gerichtssaal ein Laptop mit zwei Miniboxen zur Verfügung. Und ein Sachverständiger, der den anderen Verfahrensbeteiligten die Telefonate in die deutsche Sprache übersetzt. Ein (weiterer) Dolmetscher übersetzt dann die Verhandlung über die übersetzten Telefonate für einen Angeklagten wieder zurück in dessen Muttersprache.

Teilweise handelt es sich um Telefonate zwischen zwei Gesprächspartnern, die sich zwar in einer Sprache unterhalten, allerdings in unterschiedlichen Dialekten. Also etwa so, als unterhielte sich ein Sachse mit einem Bayern oder Schwaben. Die Gesprächspartner sind keine Akademiker, sie drücken sich also nicht immer grammatisch einwandfrei aus, berichtete der Sachverständige.

In den Gesprächen geht es um oft Betäubungsmittel für die natürlich Synonyme gebraucht werden. Man redet also nicht über Kokain, sondern über Dings. Oder so. Alles in den unterschiedlichen Dialekten.

Die Telefonate bilden eine ganz wesentliche Grundlage für den Tatverdacht. Viel mehr steht der Anklage nicht zur Verfügung. Es führt also kein Weg daran vorbei, die Aufzeichnungen inhaltlich ganz genau zu erfassen. Reichlich Stoff für heftige Diskussionen, was denn nun damit gemeint sei, worüber sich die Abgehörten da unterhalten haben.

Ich werde dann wohl die Diens- und Donnerstage der nächsten Monate in Moabit verbringen …

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Partykiez Neukölln

Neukölln ist also gebeutelt und geschunden genug, doch als ob Arbeitslosigkeit, Armut und verbale Ausfälle nicht genügten, droht seit einiger Zeit neues Ungemach: Der Problem- wird zum Partykiez. Mit wachsendem Tempo mutiert Neukölln zum Vergnügungsviertel für Jungakademiker, Feiertouristen und alle sonstigen Arten von Hinrennern.

Inzwischen hat sich wohl auch bis zum letzten Hinterwäldler herumgesprochen, dass das Viertel der kommende Szenebezirk ist – dass da was geht. Oder, um es in der Sprache der jugendlichen Bewohner des Viertels zu sagen: „Jetzt wird Neukölln richtig gefickt.“

meint Philip Meinhold in der taz.

Aber ich glaube, er irrt, wenn er schreibt:

Wenn eine Gegend erschlossen und ausgenommen ist, zieht die Karawane der Künstler und Kreativen weiter, bis auch der nächste Kiez mit Cafés, Clubs, Kneipen und Hostels planiert ist und statt Einheimischer nur noch Prolls und Touristen kommen. Nach Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain wird nun also der nächste Berliner Stadtteil unbewohnbar gemacht.

An den Neuköllnern haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen. Den Kiez schaffen selbst die Schwaben nicht.

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