Armer Tankwart

Dem Mandanten wird ein sogenannter Tankbetrug zur Last gelegt. Er soll getankt haben, ohne zur Zahlung bereit gewesen zu sein. Das war im Januar 2009. Nun geht es in der Hauptverhandlung darum zu klären, ob die Version der Staatsanwaltschaft oder die des Mandanten die richtige ist.

Dazu soll der Tankwart gehört werden. Eigentlich ist er ja kein Tank-, sondern eher Kassenwart. Denn Tanken muß der Kunde allein, der Mann hinter der Theke sammelt nur das Geld ein.

Und wenn Geld fehlt, guckt man in die Videoaufzeichnung und findet so den Nicht-Bezahler. Soweit, sogut. Nun hat aber ein Gespräch zwischen dem Mandanten und dem Kassentankwart stattgefunden, über das sich das Gericht informieren möchte. Deswegen wurde der Mann als Zeuge geladen.

Das Problem: Er arbeitet nicht mehr auf dieser Tankstelle, sondern auf einer anderen Tankstelle etwa 800 km entfernt.

Vielleicht hat ihn deswegen die erste Ladung nicht erreicht. Jedenfalls ist er zum Gerichtstermin nicht erschienen.

Deswegen hat es einen weiteren Termin gegeben, zu dem der Wärter erneut geladen wurde. Diesmal per förmlicher Zustellung der Ladung. Den Brief hat der Zusteller dem Zeugen aber nicht in die Hand gedrückt, sondern auf der Poststelle „niedergelegt“ und ihn über diese Niederlegung informiert. So jedenfalls steht es in der Zustellungsurkunde.

Zu dem zweiten Termin sind dann auch wieder alle Beteiligten erschienen. Nur der förmlich geladene Tankwart nicht.

Das Gericht hat einen dritten Termin festgesetzt und ist jetzt dem Antrag des Staatsanwalts gefolgt: Der Zeuge wird vorgeführt. Das bedeutet im konkreten Fall:

Am Tag vor dem Termin wird ein freundlicher Polizeibeamter zur nachtschlafenden Zeit bei dem Herrn auf der süddeutschen Matte stehen und ihn zu einer Spritztour nach Ostdeutschland einladen (im Sinne von „einpacken/verfrachten“). Er wird dann eine Nacht im Gewahrsam der Justiz verbringen, um nach einem leckeren Frühstück aus dem Blechnapf zum Aussagen in den Gerichtssaal geführt zu werden.

Dort wird er dann als Zeuge aussagen, daß er sich an den über ein Jahr zurückliegenden Tankvorgang und das Gespräch mit dem Mandanten nicht mehr erinnern kann. Danach darf er dann wieder in den sonnigen Süden fahren.

Übrigens: Die offene Tank-Rechnung in Höhe von einpaarundzwanzig Euro hatte der Mandant bereits bezahlt, lange bevor ihm mitgeteilt wurde, daß gegen ihn wegen Betruges ermittelt wurde.

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

21 Antworten auf Armer Tankwart

  1. 1
    doppelfish says:

    Vielleicht hatte der Zeuge kein Benzin mehr im Tank.

  2. 2
    A.N. says:

    …ist doch ne ganz gute Ausgangslage. Eben hübsch mitfühlend und verständnisvoll um den Zeugen kümmern, der von der pöööösen Justiz vorgeführt wurde…

  3. 3
    Bernd Block says:

    Kann der arme Tankwart da denn gar nichts gegen machen?

      Etwas machen, genau das ist die Lösung. Aber auf Schreiben von Gerichten nichts zu machen, ist keine schlaue Idee. crh
  4. 4
    Kampfschmuser says:

    (bezahlter) Tankschaden: nicht mal 30 Euro

    Anspruch beim Selber erscheinen: 400 Euro Fahrgeld (2x800km * 25ct) + 2 Tage Verdienstausfall + 1 Übernachtung = ca. 600 Euro Kosten

    Kosten für die Vorführung: (wohl fast) unbezahlbar

    Achtet man nirgends auf eine gewisse Verhältnismäßigkeit? Warum wird so was nicht einfach eingestellt?

  5. 5
    RA JM says:

    @ Bernd Block:
    Doooch ;-)

  6. 6
    Garfred says:

    Was Recht ist, muß auch Recht bleiben. Wenn es um die Aufklärung schwerster Straftaten geht, darf es uns als Steuerzahler auf 2,50 Euro nicht ankommen. Ich wette im übrigen, daß die Vorführung nicht gelingen wird, weil der Zeuge auch in den Tagen vor dem Termin für die Polizei nicht auffindbar ist („Auf dreimaliges Klingeln zu vier verschiedenen Tageszeiten hat niemand geöffnet.“).

  7. 7
    Joerg says:

    Wird so was nicht eingestellt, bei nur paarundzwanwig Euro? Zumal der Mandant schon vor den Ermittlungen bezahlt hat?

  8. 8
    whocares says:

    @garfred (bzw. @crh): Wird denn der Zeuge vorab noch über den neuen, dritten Termin informiert, oder wird der direkt unvorbereitet vom SV Grün-Weiß aufgeladen?

  9. 9
    Ralf says:

    Warum nimmt man kein Einschreiben mit Rückschein?

  10. 10
    Kampfschmuser says:

    @Ralf

    Ich zitiere mal aus dem Beitrag:
    „Den Brief hat der Zusteller dem Zeugen aber nicht in die Hand gedrückt, sondern auf der Poststelle “niedergelegt” und ihn über diese Niederlegung informiert. So jedenfalls steht es in der Zustellungsurkunde.“

    Auch der Zusteller wird sich nicht 24 Stunden auf die Lauer legen, wenn er einen Rückschein in der Tasche hat. Weiterhin gab es ja eine Zustellungsurkunde.

  11. 11
    Pandur2000 says:

    Einwurfeinschreiben sind toll. Kommen (fast) immer an soweit ein Briefkasten vorhanden ist.

    Werden diese gelben Gerichtsbriefe nicht auch einfach eingeworfen?

  12. 12
    rodpython says:

    Der Tankwart wird über den dritten Termin nicht informiert, sondern „überraschend“ abgeholt. Die Sache wäre bestimmt eingestellt worden (oder per Strafbefehl abgehandelt), wenn der Mandant nicht schonmal früher negativ aufgefallen worden wäre, oder?

  13. 13
    Kollege says:

    @crh:

    Wenn der Zeuge richtig Pech hat, wird er sogar ein paar Tage vor dem Termin zu nachtschlafender Zeit abgeholt. Die Verschubung von Süddeutschland in den 800 km entfernten Gerichtsort wird wohl kaum in einer Nacht zu bewerkstelligen sein. Was sagt denn der entsprechende „Fahrplan“ ?

  14. 14
    Lexus says:

    Viel interessanter ist doch wer Zahlt die Vorführung + Übernachtung in einer Zelle?

    Die unterliegene Partei?
    Der Zeuge selbst?

    Der Angeklagte kann ja nichts dafür, dass der Zeuge der geladen wurde nicht antanzt

  15. 15

    @ Kollege:

    Zitat: „Wenn der Zeuge richtig Pech hat, wird er sogar ein paar Tage vor dem Termin zu nachtschlafender Zeit abgeholt.“

    Dies war – erfahrungsbedingt – auch mein erster Gedanke. So wie ich die bayerische Justiz kenne, wird er vermutlich ganz normal „verschubt“. Und das kann dann schon ein paar Tage dauern, mit Übernachtungen in anderen JVAs. Ich war damals fünf Tage unterwegs, für eine Strecke von ca. 300 km.

    Viel Spaß dem Zeugen!

  16. 16
    Lord says:

    Also um aus Süddeutschland nach Berliner Umland verschubt zu werden das dauert mal eben 14 Tage pro Strecke. Den Zeugen an seinem Wohnort zu vernehmen wäre billiger, aber Videokonferenzen gelten offenbar nix bei Gericht.

    Zum Nachlesen:
    http://andreasmross.com/general/pdf/p006-080619.pdf

  17. 17

    […] This post was mentioned on Twitter by corax, AtariFrosch, KanzleiHoenigBerlin, GenomInc , KillarNBathy and others. KillarNBathy said: http://www.kanzlei-hoenig.info/armer-tankwart unser Staat möchte nicht das mann sich als zeuge meldet…. […]

  18. 18
    Das Ich says:

    Vielleicht sollte sich der Herr Verteidiger, der ja ein Interesse daran hat, dass das verfahren schnell abgeschlossen wirkt, mal ans Telefon setzen oder auch ein Briefchen schreiben. Vielleicht, und das ist mir passiert, liegst du bei einer Zustellung so im Krankenhaus, dass du es nicht mitbekommst. Und dann wird auch nicht einfach verschubt. Da hat der Arzt noch nen Wörtchen mitzureden. Mal darüber nachgedacht? Also manchmal sind sie etwas unflexiebel;-)

  19. 19
    Ballmann says:

    @ crh
    Ist nicht durch Einlegung in den Briefkasten (§ 180 ZPO) zugestellt worden
    @ Vollzugsteilnehmer
    Der Zeuge sitzt nicht in Haft und kommt auch nicht in solche. Deshalb findet keine „normale“ Verschubung statt. -> Einzeltransport

  20. 20
    Tagedieb says:

    @18 Gute Frage, weshalb versucht man es nicht einfach mal mit anrufen, um diese Person auf den Gerichtstermin und seine Ladung als Zeuge hinzuweisen? Anrufen soll generell sehr hilfreich sein.

  21. 21
    gb says:

    @Pandur2000: iirc werden die Zustellungen auch mittlerweile (vor ein paar Jahren musste man die gelben Umschlaege noch in der Postfiliale/-agentur abholen) in den Briefkasten eingeworfen und gelten somit als amtlich zugestellt (PZU)… Schade nur, wenn man umgezogen ist, und/oder anderweitig abwesend.