Das Bittebittebitte einer Zivilrichterin

Aus der „Kurzmitteilung“ eines großen Amtsgerichts in einer Zivilsache:

Ich verstehe ja, daß es Richter nicht leicht haben in ihrem Beruf. Zu wenig Leute, zuviel Fälle, keine technische Unterstützung. Den Job wollt‘ ich nicht machen.

Aber wenn ich ihn machen täte, würde ich mich nicht auf dieses Niveau herablassen und einen Rechtsanwalt anbetteln, mir das Urteilschreiben zu ersparen.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

21 Antworten auf Das Bittebittebitte einer Zivilrichterin

  1. 1
    Andreas says:

    Was ist schlecht daran? Im Namen des, und für den Mandanten, einen extrem unverschämten Vergleich anbieten und warten. Wenn allerdings ein Freispruch im Raum steht, dann – Feuer Frei.

  2. 2
    Tobias says:

    @Andreas: im Zivilrecht gibt es keine Freisprüche :)

  3. 3
    Fry says:

    Im Zivilrecht verstehe ich das Gejammer um die „permanente“ Überlastung nicht. Die Parteien BEZAHLEN doch die Verfahren. Also sollte es doch kein Problem sein, einfach genug Richter für die Fälle einzustellen. Saisonale Schwankungen mal abgesehen.
    Der Staat könnte die Ziviljustiz sogar als eine Art Profitcenter führen. Parallel dazu bin ich der Meinung, dass Zivilstreits als „Kosten des Rechtsstaats“ nicht nur für Betriebe als Betriebsausgaben, sondern auch für Privatleute steuerlich absetzbar sein sollten.

  4. 4
    busy says:

    Schwierig, weil ich die Fakten nicht kenne aber eine sture Ablehnungshaltung sagt doch schon einiges über eine Partei aus und würde ich sogar zum Nachteil dieser werten.
    Als Betteln empfinde ich das nicht, sondern als Versuch, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, aber wie gesagt, ich kenne die Fakten nicht. Jedenfalls ist es ein prima Blogbeitrag der sehr polarisiert.

  5. 5
    RA Gahbler says:

    Nun ja:
    nach § 278 I ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein; insofern sehe ich da bei einer Nachfrage – nachdem vermutlich zuvor Vergleichsgespräche stattgefunden hatten -kein Problem.

  6. 6
    Non Nomen says:

    @ Tobias
    Adhäsionsverfahren?

  7. 7
    Ich says:

    @ #6
    Adhäsionsverfahren finden vor dem Strafrichter statt, nicht vor dem Zivilrichter.

  8. 8
    Fry says:

    @busy: „eine sture Ablehnungshaltung sagt doch schon einiges über eine Partei aus“

    zum Beispiel könnte diese Partei einfach im Recht sein und ihr gutes Recht einfordern. Und erwarten, dass die Richterin ihren Job macht.

    @busy: „und würde ich sogar zum Nachteil dieser werten“

    Denken Sie das mal zu Ende. Jeder Handwerker könnte einfach zu hoch abrechnen und dann „Vergleichsbereitschaft“ signalisieren. Wo ist das Risiko?

  9. 9
    Patenter_Anwalt says:

    Erfahrungsgemäß ist es aber so, daß Zivilrichter auf Biegen und Brechen einen Vergleich wollen und den Parteien so lange Bange machen, bis der Vergleich da ist. Klagt ein Kunde gegen die Autowerkstatt kann diese gleich mind. 50% der Rechnung abschreiben, obwohl korrekt abgerechnet wurde. Die Prozesskosten werden dann gegeneinander aufgehoben und die halbe Rechnung ist futsch. Klar kann man auf stur machen, aber dann ist man schnell 2. Sieger und wer kann/will sich eine Berufung leisten, so überhaupt statthaft…
    Mein Credo: Unter 5000.- Euro hat es keinen Sinn, sich auf einen Rechtsstreit einzulassen.

  10. 10
    DonJon says:

    Kommt mir bekannt vor.

    In einer Sache bei uns gab’s inzwischen den dritten Termin.

    Inhalt: Wollen Sie sich nicht bitte vergleichen? Nein, wollten wir nicht in den ersten Terminen und wollen wir immer noch nicht.

    Garniert wurde das Ganze – damit der Termin überhaupt so etwas wie einen Sinn bzw. eine Berechtigung hatte – mit einer „Ermittlung des Sachverhaltes“ durch Befragung der Parteien. Die Fragen waren aber so banal, dass jedenfalls den Anwälten völlig klar war, dass es hier ausschließlich um den Versuch der Urteilsvermeidung ging.

    ‚Tschuldigung: Ich kann mit meiner Zeit besseres anfangen als sinnlos zu diesem auswärtigen Termin zu fahren, um dort im Prinzip gar nichts zu veranlassen.

    Ach ja: Seitdem (drei Monate) ist nichts mehr passiert und also insbesondere noch kein Urteil in dieser völlig ausgeschriebenen Sache erlassen; TvE ist inzwischen dreimal wegen (angeblicher) dienstlicher Gründe verschoben worden.

  11. 11
    Test says:

    Die Statistik zeigt dem Kenner:
    Die Fallzahlen bei deutschen Gerichten sinken seit Jahren, vor allem bei Finanzgerichten
    Es werden sogar neue Richter eingestellt

    Das heißt, die „Richter“ haben keine Arbeitsüberlastung

    Es ist schlichtweg Kriminell, wenn der Richter Druck ausübt um die Parteien zu einem Vergleich zu prügeln
    Ich weigere mich und stelle in diesen Fällen immer einen Befangenheitsantrag,
    siehe meine Akte beim Arbeitsgericht

    Deshalb ist klar:
    CSU abwählen

  12. 12
    @law says:

    Ich dachte hier gehts nur um Strafrecht…Dass Richter im Zivilprozess nicht gerne Urteilen und begründen ist nix neues…

  13. 13
    busy says:

    @Fry:zum Beispiel könnte diese Partei einfach im Recht sein und ihr gutes Recht einfordern. Und erwarten, dass die Richterin ihren Job macht.

    Das glaubt sicher jede der Parteien.

    @Fry: Denken Sie das mal zu Ende. Jeder Handwerker könnte einfach zu hoch abrechnen und dann „Vergleichsbereitschaft“ signalisieren. Wo ist das Risiko?

    Sie denken hier schwarz-weiss.
    Alleine die Vergleichsbereitschaft bedeutet keinen Vorteil. Fehlt aber jemand generell die Einsicht das es in einem Krieg keine Gewinner gibt, liegt der Verdacht nahe, dass hier aufgrund dieser Person, keine Deeskalation möglich ist. Daher würde ich zumindest ein entsprechendes Gegenangebot machen. Z.B. wir wären bereit mit 10% entgegenzukommen. Damit hätte jede Partei einen Teilerfolg bzw. für die Unbelehrbaren :-), Teilverlust des anderen, erreicht.

  14. 14
    Verzögerungsrüge says:

    Wo ist das Problem? §§ 198 ff. GVG nicht bekannt?

  15. 15
    Fry says:

    @busy: Was Sie beschreiben, wird oft als „salomonisches Urteil“ bezeichnet: die goldene Mitte, jeder muss etwas von seiner Position abgehen, klingt doch gut, oder?

    Aber nochmal: dann gewinnen IMMER die Unehrlichen. Denn die Ehrlichen steigen in einen Streit nicht mit erfundenen, überhöhten Forderungen ein.

    Und der biblische König Salomon hat nicht etwa die Mitte gefunden, sondern radikal für eine Seite geurteilt, nämlich die richtige.

    Ich wünsche mir immer „salomonische Urteile“, denn wenn ich vor Gericht ziehe (sehr selten), dann weil ich sage „das Maß ist voll“. Beim Hausbau waren es 4 Streits, die ich nicht vermeiden konnte. Zwei habe ich (großzügig) verglichen, die anderen beiden wurden erstinstanzlich in 5 (!) Jahren so abgeurteilt, dass der Richter der zweiten Instanz mal gleich zu Anfang konstatierte, das sei ja nun völlig falsch gelaufen.

    Ich erwarte einfach, dass der Richter sich mit der SACHE befasst und nicht mit der Psychologie der Parteien.

    Hinzu kommt die himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass jeder Handwerksbetrieb die Verfahrenskosten als Betriebsausgaben absetzen kann, ich als Privatmann aber alles vom versteuerten Einkommen bezahlen muss.

    Da erwartet man doch zu Recht auch eine Leistung dafür. Der Richter soll sich die Sache ansehen, ein Urteil bilden und begründen und das alles innerhalb angemessener Zeit. Für eine einfache Zivilsache sollte ein Jahr pro Instanz doch sehr auskömmlich sein…

  16. 16
    RA SG says:

    Wer sich darüber schon aufregt, hat noch keine Verhandlung vor dem Arbeitsgericht geführt. Schon gar nicht auf Arbeitgeberseite.

  17. 17
    T.H. RiLG says:

    Seit ich vor vielen Jahren als junger Assessor bei meinem Behördenleiter antreten musste, weil meine Vergleichsquote auf „nur“ 47% abgesunken war, während die Kollegen alle über 50% hatten, habe ich eine eigene Meinung zur Vergleicheritis.

    Freilich, es gibt Fälle, in denen sich eine Einigung anbietet, und für die kann/muss man auch mal werben, aber das Vermeiden einer Entscheidung ist nicht Aufgabe eines Gerichts. Und ich habe mich schon immer über „Kollegen“ gewundert, die es ohne tot zu werden fertig bringen, einer Partei, die glockenklar im Recht ist, trotzdem einzureden, dass sie doch wegen des „verbleibenden Prozessrisikos“ auf ein Drittel verzichten möge. Noch schlimmer ist aber, dass solche Leute intern sehr hoch angesehen ist, da sie es wegen ihres „Verhandlungsgeschicks“ doch so gut verstünden, die Sachen schnell vom Tisch zu kriegen.

  18. 18
    RA Feske says:

    @ T.H. RiLG:
    „… habe mich schon immer über „Kollegen“ gewundert, die es ohne tot zu werden fertig bringen, …“
    YMMD!
    Auch mir sind diejenigen unheimlich, die in solchen Fällen zum Vergleichsabschluß „raten“, ohne ROT zu werden.

  19. 19
    T.H., RiLG says:

    Rot werden die wenigsten, tot aber zum Glück noch weniger….

    Da sie den Tippfehler gefunden haben, dürfen sie ihn auch behalten.

  20. 20
    Michael Krause says:

    Vergleiche schaden der Praxis.

  21. 21
    Kuddel Daddeldu says:

    Tot werden früher oder später alle, ob rot oder nicht.