Schwimmfähiger Winkeladvokat

Es gibt Mandanten, die man nicht zufrieden stellen kann. Das endet dann mitunter im Streit. In dem geht es zuvörderst „um’s Prinzip“. Und dann auch noch um’s Geld.

Manchmal auch um relativ viel Geld.

So sieht die Rechnung eines Mandanten aus, die er dem Verteidiger nach Beendigung des Mandats geschickt hat:

Die Portokasse des Verteidigers reichte nicht aus, deswegen hat der Mandant seinen Verteidiger verklagt.

Aus dem zweiseitigen Schriftsatz des nun nicht mehr anwaltlich vertretenen Mandanten, mit dem er seine Klage begründet:

… gaukelte der Wahrheit zuwider vor, dass er fähig sei, in einem Strafverfahren … tätig zu werden.
… die wiederholte anwaltliche Falschberatung
… groteske Vertretung in zwei Terminen vor dem Amtsgericht
… anwaltlich … falsch beraten
… nicht im Ansatz mit der Materie vertraut gemacht
… erbarmungswürdig grob pflichtverletzend einen erheblichen Schaden verursacht hat
… groben Pflichtverletzungen
… mit seiner notleidenden anwaltlichen Falschberatung
… selbsternannter „Winkeladvokat“, der nicht über die nötige Expertise verfügt – die er aber vorgaukelt zu besitzen
… mehrfachen und wiederholten Pflichtverletzungen

Ein wenig zum Hintergrund.
Das Vorstrafenregister des Mandanten hatte den Umfang einer mittelstädtischen Bibliothek, überwiegend Delikte aus dem 22. Abschnitt des StGB, aber auch ein paar Mal aus dem StVG: Fahren ohne seine 1995er Fahrerlaubnis, die man ihm 1998 entzogen hat. Wegen übervollen Punktekontos.

Der aktuelle Tatvorwurf lautete:

Übersetzt:
Erst brutales Ausbremsen, dann „zu kleiner Penis“ und das alles ohne Fahrerlaubnis.

Fahrerlaubnisrecht am Hochreck
Wer sich mit dem Fahrerlaubnisrecht auskennt und um die Probleme „Deutscher mit Wohnsitz im Ausland, entzogene Fahrerlaubnis, Sperrfrist, ausländische Fahrerlaubnis, Umschreibung eines ausländischen Führerscheins in einen anderen ausländischen Führerschein und dann Umschreibung in einen deutschen Führerschein“ weiß, kann sich die Schwimmstunde im gerichtlichen Verfahren vorstellen.

Zwischenerfolg
Der unsinkbare Verteidiger hat schließlich mit heftigen Schwimmbewegungen eine große Welle gemacht und eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung eines kleinen dreistelligen Betrags erreicht. Der Mandant hatte zugestimmt, aber die Auflagenzahlung nicht geleistet.

This is the end
Dann kam die Ladung zur Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens. Der Verteidiger erhielt die Mandatskündigung und der Mandant ist in dem neuen Termin komplett abgesoffen. Er wurde zu einer gut vierstelligen Geldstrafe sowie einer nicht unbedeutenden Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis verurteilt.

Die Fortsetzung
Ich fürchte, zu den bisherigen Kosten des Strafverfahrens kommen jetzt noch die Kosten für die gescheiterte Klage …

Ergänzung
Ach so, hatte ich erwähnt, daß der Mandant die Honorarrechnung für die Verteidigung noch nicht vollständig bezahlt hat? Nein? Hat er nicht! Macht er aber später bestimmt noch. Wenn auch sicherlich nicht freiwillig. ;-)

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Bild: © Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Fahrerlaubnisrecht, Mandanten, Verkehrs-Strafrecht, Verteidigung veröffentlicht.

17 Antworten auf Schwimmfähiger Winkeladvokat

  1. 1

    Interdum cogito et cognosco!

    Bei der Betrachtung des Auszuges aus der Ihnen anheimgestellten Rechnung ergibt sich der konsekutive Vorwurf der Verschleierung umsatzsteuerpflichtiger Angaben.

    Der ökonomisch progressive Mandant sollte entweder die Umsatzsteuer in dieser Rechnung ausweisen oder zumindest auf den § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung mit Befreiungsmöglichkeit von der Umsatzsteuerpflicht) ausdrücklich hinweisen.

    Die einzelnen Rechnungsposten weisen zwar eine gewisse Schöpfungshöhe aus (als juristischer Nachweis eigener Kreativität), die Transparenz der Ermittlung der Beträge lässt aber zu wünschen übrig.

    Da bin ich aber gespannt, ob das am Ende auf einen rechtsgeschichtlich relevanten Vergleich hinausläuft. (jocatio parva)

  2. 2
  3. 3
    WPR_bei_WBS says:

    Ich muss weder USt. ausweisen noch mich auf Par. 19 UStG berufen, wenn i h nicht unternehmerisch tätig bin, sondern privat eine Rechnung stelle.

  4. 4
    Thorsten says:

    Wer weiß, ob er in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht, das er selbst angerufen hat, dessen Zuständigkeit mit Reichsbürgerargumenten anzugreifen versuchen wird. ;-)

  5. 5
    Fry says:

    Leute gibt’s…. zum Glück finde ich die in der Regel auf der anderen Seite meiner (zivilrechtlichen) Auseinandersetzungen.

    Aber sind wir mal ehrlich: auch und gerade solche Typen haben manchmal vor Gericht erstaunliche Erfolge…

  6. 6
    matthiasausk says:

    Und wozu hat er die „additive“ Rechtsberatung in Anspruch genommen, wenn er dann ohne anwaltliche Vertretung badengegangen ist?
    Oder arbeitet sich Mandant etwa gerade in einen anderen Bereich des Strafrechts sein?

  7. 7
    ICD-10 says:

    ICD-10 F60.8

  8. 8
    matthiasausk says:

    @ICD-10: oder doch nur Dunning-Kruger?

  9. 9
    Flo says:

    @matthiasausk, vielleicht hat er sich im Vorfeld bei verschiedenen Anwälten zu den Themen beraten lassen?

  10. 10
    BV says:

    Ach, jeder Anwalt braucht doch einen bekloppten Mandanten ;-) Wenn diese Akte geschlossen ist, wird schon ein nächster vor der Tür stehen…

  11. 11
    HugoHabicht says:

    Ach so, hatte ich erwähnt, daß der Mandant die Honorarrechnung für die Verteidigung noch nicht vollständig bezahlt hat? Nein? Hat er nicht! Macht er aber später bestimmt noch. Wenn auch sicherlich nicht freiwillig. ;-)

    Ganz bestimmt. Da ist sicherlich viel zu holen. Man muss nur fest dran glauben.

    • Im Gegensatz zu manchen Kommentatoren wissen die meisten Strafverteidiger, wovon sie reden. Weil sie über reichlich Insider-Wissen in Bezug auf die Vermögensverhältnisse der eigenen Mandanten haben. crh
  12. 12
    HugoHabicht says:

    Na dann nix wie raus mit der Widerklage.

  13. 13
    egal says:

    Ohne Schuss kein Jus… ein besseres Modell zur Konfliktvermeidung gibt es kaum.

  14. 14
    jj preston says:

    Gibt es eigentlich in einer Klagebegründung Schranken? Ich denke da in Richtung 186/187?
    So rein interessehalber.

  15. 15
    HugoHabicht says:

    @ jj preston
    Die Schranken in einer Klagebegründung sind ziemlich weit. Dafür gibt es § 193 StGB („Wahrnehmung von Rechten“). Auch Querulanten haben Anspruch auf rechtliches Gehör.

  16. 16

    @WPR_bei_WBS
    Ob bei dem ambitionierten Rechnungsbetrag grundsätzlich noch von einer Privatrechnung auszugehen ist, sei erst einmal diplomatisch dahingestellt.
    Für eine Privatrechnung spricht zumindest die zweifache Verwendung der Positionsnummer 3 für verschiedene Rechnungsposten.
    Bei „persönliche Kosten und additiver Mehraufwand zur Wahrnehmung(…)“ könnte zumindest ein Beamter des Finanzamtes berufserotische Gefühle entwickeln (bezüglich gewerblicher / freiberuflicher Ambitionen des Rechnungserstellers).
    In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch schon an Privatbriefe (fremdoriginärer Absender) die vor- und nachsorglich mit privaten Rechtsbehelfsbelehrungen additiv versehen waren. (aber das augmentiert den thematischen Rahmen)

  17. 17

    […] erhoben und sich fürchterlich beschwert. Das hat bereits vor ein paar Tagen zu diesem Blogbeitrag über einen schwimmfähigen Winkeladvokaten […]