Jahresarchive: 2015

Eine Pflichtverteidigung in Braunschweig

Es gehört zu den Kern-Aufgaben eines Richters, einem Angeklagten in den Fällen der „notwendigen Verteidigung“ einen Pflichtverteidiger zu bestellen, § 141 StPO. Wenn der Angeklagte keinen Verteidiger „vorschlägt“, darf der Richter sich aus dem Pool der zugelassenen Verteidiger jemanden aussuchen.

Diese Auswahl unterliegt der richterlichen Unabhängigkeit, Art. 97 GG. Böse Zungen behaupten, daß manche Richter sich dabei solcher Verteidiger bedienen, die ihnen am wenigsten Stress machen. Noch schlimmere Stimmen reden davon, daß manche Verteidiger sich bei dieser Sorte Richter dadurch beliebt machen, daß sie ihnen überhaupt keinen Stress machen.

Ein weiteres Entscheidungskriterium sind die Kosten, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers zur Folge haben werden.

Wer oder was bleibt bei dieser Art des Auswahlverfahrens auf der Strecke? Richtig: Der Angeklagte, seine Rechte und das rechtstaatliche Verfahren.

Daß es auch (und hoffentlich in der Regel) anders geht, zeigt dieser Beschluß des Amtsgerichts Braunschweig:

AG Braunschweig PV

Entscheidend für diese Auswahl war der Wohnsitz des Angeklagten: Berlin. Und nicht der Sitz des Gerichts: Braunschweig. Unter Kostengesichtspunkten wäre die Bestellung eines Verteidigers aus Braunschweig sicher die günstigere Variante Auswahl gewesen.

Aber der Richter vertrat die zutreffende Ansicht, daß die Verteidigung sich besser vorbereiten kann, wenn der Weg des Angeklagten zu seinem Verteidiger möglichst kurz ist.

Ich kenne den Richter nicht. Er mich auch nicht. Jedenfalls nicht persönlich. Vielleicht hat er sich über mich erkundigt, hier auf der Website, im Kreise seiner Kollegen, auf irgendwelchen Listen … ich weiß es nicht.

Jedenfalls wird er ganz bestimmt nicht davon ausgehen, daß ich zu den stressvermeidenden Verurteilungsbegleitern gehöre. Er wird sicherlich meine Ansicht teilen und erwarten, daß ich solides Handwerk abliefere, wenn ich die Interessen meines Mandanten verteidige.

Oder kann es sein, daß in Braunschweig ausschließlich Krawallverteidiger sitzen und der Richter Krawall vermeiden möchte? Ach nein, das kann’s eigenlich nicht sein. In Braunschweig sitzt mindestens ein Verteidiger, der auch bei den Richtern einen ganz hervorragenden Ruf genießt, auch wenn (oder weil?) er manchmal im Gerichtssaal herumpoltert.

Ich freue mich jedenfalls, wenn ich nach dem Termin in der Kanzlei von Rechtsanwalt Werner Siebers einen Kaffee trinken kann, bevor ich wieder zurück nach Kreuzberg, in den Krawallbezirk Berlins, fahren werde.

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Gute Nachricht

Eine Sache aus 2013 geht zügig ihrer Erledigung entgegen:

GuteNachricht

Es ist ja nicht alles schlecht, was aus Moabit kommt. Nur manchmal dauert’s eben.

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Nostalgisches Fundstück im BZR

Das Bundeszentralregister (BZR) gibt auch dem Verteidiger ein paar Hinweise, mit welcher Art des Mandanten er zu tun hat. Handelt es sich eher um ein Exemplar aus der robusten Kategorie oder trägt er seidene Hemden? Zahlreiche Ladendiebstähle im BZR geben ebenso Aufschluß über die soziale Integration wie die klassischen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Auch Verteidiger arbeiten hier gern mit Schubladen, räume ich ein.

Eine ganz seltene Spezies ist mir nun untergekommen:

BZR-WStG

„Straftaten gegen die Pflicht zur militärischen Dienstleistung“ haben in jüngerer Zeit eher Seltenheitscharakter, jedenfalls in unserer Kanzlei. Der § 15 WStG gehört sicherlich heute nicht mehr zu einem Massendelikt.

Das war „zu meiner Zeit“ noch anders. Ich mußte erst mühsam eine verwaltungsrechtliche Streitigkeit (Einberufung – Widerspruchsverfahren – (erfolgreiche) Klage vor dem Verwaltungsgericht) ausfechten, bevor man mich aus dem Geltungsbereich des Wehrstrafgesetzes entlassen und mich von meiner Pflicht zur militärischen Dienstleistung entbunden hat. Das war damals echt knapp.

Ansonsten wären das die Hausnummern gewesen, die der Reihe nach in dem Strafregister eines sturen Siegerländers gestanden haben dürften:

Straftaten gegen die Pflichten der Untergebenen
§ 19 Ungehorsam
§ 20 Gehorsamsverweigerung
§ 21 Leichtfertiges Nichtbefolgen eines Befehls
§ 22 Verbindlichkeit des Befehls, Irrtum
§ 23 Bedrohung eines Vorgesetzten
§ 24 Nötigung eines Vorgesetzten
§ 25 Tätlicher Angriff gegen einen Vorgesetzten
§ 27 Meuterei
§ 28 Verabredung zur Unbotmäßigkeit
§ 29 Taten gegen Soldaten mit höherem Dienstgrad

Glücklicherweise habe ich mich dann als Kriegsdienstverweigerer mit staatlich geprüftem Gewissen und engagierter Zivildienstleister um obdachlose Menschen kümmern dürfen, denen ich mich noch heute verbunden fühle.

Zwischen einem sauberen Führungszeugnis und Eintragungen in Bibliotheksstärke sind die Grenzen sehr oft sehr dünn.

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Diskussion unter Richtern

gefährliches InstrumentDer Kollege Detlef Burhoff hat einen werthaltigen Blogbeitrag – seine Gedanken – zu der Einlassung von Beate Zschäpe geschrieben. Es sind die Gedanken eines ehemaligen Richters am Oberlandesgericht und erwartungsgemäß sachlich fundiert. Ich habe einmal mehr von ihm gelernt etwas

  • zur Teileinlassung
  • über die Form der Einlassung und
  • zur Qualität eines Frage-Antwort-Spiels auf schriftlicher Grundlage.

Aber fast noch interessanter ist die Diskussion, die sich unter dem Beitrag zwischen vier Richtern entwickelt hat. Zwei noch aktive (Straf-)Richter am Landgericht – Jan Eßer, RiLG, und T.H., RiLG, – und zwei nicht mehr aktive Richter – Karsten Koch und eben Detlef Burhoff – erörtern anhand der Zschäpe-Erklärung die Aufgaben, die sich den Richtern stellen, wenn sie nach der Beweisaufnahme das Urteil schreiben wollen oder müssen.

Dieser Meinungsaustausch gibt einen sehr erhellenden Einblick in die Entstehung eines Urteils. Für einen Strafverteidiger werden ein paar (mehr) Hintergründe deutlich, wie der gefürchtete „falsche Film“ entsteht. Und auf welcher Basis revisionssichere, aber falsche Urteile geschrieben werden (können).

Besonders die Statements der beiden aktiven Richter bestärken mich in der Forderung nach einer audio-visuellen Aufzeichnung der Hauptverhandlung. Richterliche Unabhängigkeit ist ein extrem nützliches, aber auch extrem gefährliches Instrument, das, wenn es unkontrolliert eingesetzt wird, ziemlich üble Verletzungen verursachen kann.
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Bild: © Nesmuk

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Zeugenaussagen bei der Polizei: Wie geht das?

Uris Library StacksBekanntlich ist niemand verpflichtet, gegenüber der Polizei eine Aussage zu machen. Kommt also eine polizeiliche Ladung zur Zeugenvernehmung ins Haus, kann man es sich aussuchen, ob man ihr folgt oder nicht. Erst wenn ein Staatsanwalt oder ein Richter zur Vernehmung lädt, ist es ratsam seiner Ladung zu folgen. Sonst gibt’s mindestens finanziellen Ärger.

Nun gibt es gute Gründe dafür, sich als Zeuge den Fragen der Ermittler zu stellen. Zum Beispiel, weil man als vorbildlicher Bürger den Beamten bei der Arbeit behilflich sein möchte. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Es ist aber immer ein gewisses Prickeln dabei, wenn man eine Zeugenaussage zu machen hat. Die strafbewehrte Wahrheitspflicht verursacht meist dieses eigenartige Gefühl in der Magengegend. Denn „Wahrheit“ ist ein verflixt dehnbarer Begriff, der je nach Perspektive und Position unterschiedlich interpretiert werden kann.

Diese Magenverstimmung hat wohl auch der „Mitleser„, ein kommentarorischer Stammgast hier im Blog. Er stellte die folgende Frage:

Man ist als „Zeuge“ ja verpflichtet auszusagen. Ist man aber auch verpflichtet, etwas zu unterschreiben (bei meinen diversen Zeugenaussagen ist mir regelmässig das Wort im Munde umgedreht worden – zumindest nach meinem Sprachverständnis. Jedenfalls wurde *nie* die wörtliche Rede wiedergegeben.)

Also, erstens:
Verpflichtet ist man nicht zur Zeugenaussage bei der Polizei. Das hatten wir ja gerade schon.

Und zweitens:
Allein deswegen ist auch man nicht verpflichtet, irgendwas zu unterschreiben. Egal, was auf den Formblättern da steht.

Aber:
Die verweigerte Unterschrift nützt am Ende gar nichts; denn der Vernehmungsbeamte wird im Zweifel irgendwann befragt werden, ob der Zeuge denn das so ausgesagt hat, was da nicht unterschrieben wurde. Und schon ist der Sack zu.

Und jetzt?
Was kann der vorsichtige Zeuge also tun? Wenn er sicher stellen will, daß nur das in die Akte kommt, was er in seinem Kopf zu Worten geformt hat. Und nicht das, was sich der Vernehmungsbeamte (aus-)gedacht hat?

 
Ganz einfach:
Der Zeuge schreibt seine Aussage selbst und vorher zuhause auf, bringt einen unterschriebenen Ausdruck mit zur Vernehmung und gibt diesen dann zur Akte. Falls notwendig, kann der Zeuge vorher telefonisch das Beweisthema erfragen. Ergänzende Fragen kann der Zeuge beantworten, muß er aber nicht.

  • Und was passiert, wenn der Beamte nicht mitspielt? Dann gibt es eben keine Aussage. Punkt.

Etwas schwieriger:
Der Zeuge verlangt die wörtliche Protokollierung, also er diktiert seine Antworten dem Polizeibeamten ins Zweifingersuchsystem.

  • Und was passiert, wenn der Beamte nicht mitschreibt? Dann gibt es eben keine Aussage. Punkt.

Für Erwachsene:
Der Zeuge verlangt die audio-visuelle Aufzeichnung seiner Vernehmung. Das muß er vorher allerdings ankündigen, sonst fehlt es bei dem Vernehmungstermin an der notwendigen Technik.

  • Und was passiert, wenn der Beamte kein Gerät hat oder es nicht einschaltet? Dann gibt es eben keine Aussage. Punkt.

Für Fortgeschrittene:
Der Zeuge wendet sich an einen erfahrenen Strafverteidiger und bittet darum, ihn als Zeugenbeistand zu beraten und zu begleiten. Das ist besonders dann eine schlaue Idee, wenn man nicht weiß, ob man wirklich (noch) Zeuge oder (schon) Beschuldigter ist.

Noch zur Abrundung:
Das oben beschriebene Prickeln sollte sich nicht nur auf den Polizeibeamten und später auf den Staatsanwalt und das Gericht beziehen. Besonders Belastungszeugen sollten auch den Verteidiger des Belasteten im Focus behalten, denn der wird den Zeugen auch noch befragen. Und nichts regt die Phantasie eines Strafverteidigers so an wie ein Zeuge, der seinen Mandanten belastet.

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Bild: © Alex, „Uris Library Stacks“ / www.piqs.de * Some rights reserved.

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Die Abmahnung des Cold Callers

Der Held am TelefonSo macht man das richtig: Erst nervt man die Leute mit unerwünschter Werbung via Telefonanruf. Und wenn die sich dann in adäquater Form wehren, jault man auf. Ein solches Gebahren ist mir aus langen Jahren bekannt, in denen wir noch selbst die Spammer abgemahnt und gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen haben.

Mittlerweile beauftragen wir den Kollegen Bert Handschumacher mit der professionellen Abwehr dieser Nervensägen. Wie auch diesmal, nachdem uns ein Cold Caller eine Anwaltssoftware am Telefon aufschwätzen wollte.

Was bisher geschah, habe ich am 4.12.2015 in einem Beitrag über die Einstweilige Verfügung gegen Cold Caller zusammen gefaßt. Ein Mitarbeiter der Rummel AG wollte uns WinMACS, eine Anwaltssoftware, … naja … empfehlen, weil er dachte, wir würden sie brauchen und dieser Gedanke rechtfertige es, uns von der Arbeit zu abzuhalten.

Unsere Reaktion …

  • Abmahnung
  • Einstweilige Verfügung
  • Blogbeitrag

… auf diesen rechtswidrigen Eingriff in unseren Kanzleibetrieb gefällt dem Anrufer bzw. dem Anbieter (die Rummel AG) der Anwaltssoft (WinMACS) nicht.

Das ist nachvollziehbar, aber beabsichtigt.

Interessant ist nun die Variante, wie die Rummel AG den Ball aufnimmt: Sie beauftragt ihrerseits eine Kanzlei für Wirtschaftsrecht aus Nürnberg. Von diesen Kollegen habe ich heute ein „Einschreiben/Rückschein vorab per Telefax“ erhalten. In diesem gut dreiseitigen, handwerklich sauber erstellten Schriftsatz erklärt mir die Kollegin, Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, was ich nicht machen darf.

Nämlich:

… die von der Gläubigerin [damit ist die cold calling Rummel AG gemeint] an den Schuldner [das bin ich] am 23.11.2015 um 9:50 Uhr gesandte E-Mail und/oder den vom Schuldner gegen die Gläublgerin erwirkten Verfügungsbeschluss des Landgerichtes Berlin vom 27.11.2015, Az.: 150533/15 zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen, ohne dabei jeweils alle die Gläubigerin individualisierbar machende Angaben zu schwärzen.

Im Klartext heißt das: Die gewerblich rechtschützende Kollegin vertritt die Ansicht, die Veröffentlichung eines Gerichtsentscheids, in dem Roß und Reiter benannt werden, sei verboten. Na gut, das ist Zivilrecht, damit kenne ich mich nicht so aus. Interessiert mich eigentlich auch nicht weiter.

Mir kam und kommt es darauf an, auf diesem Weg aufzuzeigen, welche Konsequenzen diese Unverschämtheit, sich anzumaßen, mir unerwünschte Werbung auf’s Auge drücken zu wollen, haben kann.

Die Werbung via Telefon ist extrem belästigend und man kann sich nur selten effektiv dagegen wehren. Ich bin mir aber sehr sicher, zumindest die Geschäftsführung der Rummel AG hat sich spätestens jetzt einmal über die Rechtslage informiert. Und wird zum Schluß gekommen sein: Cold Calls sind unzulässig. Und – als Strafverteidiger bin ich Berufsoptimist – das werden sich bestimmt auch andere Werbetreibende zumindest in Bezug auf unsere Kanzlei merken.

Die Rummel AG hat mich nun aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dazu hat sie mir über ihre Anwältin eine Frist bis zum 17.12.2015 gegeben. Da bleibt mir ja noch ausreichend Zeit, mich kompetent beraten zu lassen, und dann eine Entscheidung zu treffen.

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Bild: © clickhero.de / pixelio.de

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Der 10. Termin in der Strafbefehlssache

Nach dem Dezernatswechsel beim Amtsgericht Sinzig geht es nun weiter. Neun Termine und neun korrespondierende Aufhebungen der Termine, das war die Vorgeschichte. Jetzt kommt die zehnte Runde.

10. Termin

die 10.Ladung

Auch wenn das Gericht wieder darauf verzichtet hat, hier mal eben nachzufragen, ob eine Kollision mit einem anderen Termin besteht: Von meiner Seite aus paßt es.

Mal sehen, ob das auch bei den „anliegend aufgeführten Beweismitteln“ klappt und der neue Richter gesund bleibt bis dahin (was ich im wünsche, aber bei so einem Job, den er da hat, nicht sicher vorhersehen kann).

Hinweis:
Gern nehme ich Wetten entgegen, ob der Termin nun stattfindet oder ob er zum zehnten Mal aufgehoben wird.

To be continued …

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Der erste Senat des BGH: Mollath ist nicht beschwert!

Der 1. Senat des Bundesgerichtshofs teilt via Pressestelle (Pressemitteilung Nr. 201/2015) am 09.12.2015 mit:

Fall Mollath: Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen

Beschluss vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 56/15

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Fall Mollath die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 14. August 2014 verworfen.

Das Landgericht Regensburg hatte den Angeklagten mit Urteil vom 14. August 2014 in dem wiederaufgenommenen Verfahren freigesprochen und ihm für näher bestimmte Zeiträume der Unterbringung eine Entschädigung zugesprochen. Eine Maßregel hatte das Landgericht Regensburg nicht mehr angeordnet. Einen Teil der dem Angeklagten zur Last gelegten Vorwürfe hatte es nach der Beweiswürdigung als nicht erwiesen angesehen und den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Im Hinblick auf den Vorwurf einer gefährlichen Körperverletzung im Jahr 2001 war das Landgericht Regensburg zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe den gesetzlichen Tatbestand vorsätzlich und rechtswidrig erfüllt, im Tatzeitpunkt aber nicht ausschließbar ohne Schuld im Sinne des § 20 StGB gehandelt. Der Freispruch des Angeklagten von diesem Vorwurf fußt auf diesen rechtlichen Erwägungen.

Der Angeklagte hat mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision seine Freisprechung beanstandet, soweit diese (nur) aus Rechtsgründen erfolgt ist; durch die ihm nachteiligen Feststellungen des Urteils sei er trotz der Freisprechung faktisch beschwert.

Der 1. Strafsenat hat die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Ein Angeklagter kann eine Entscheidung nur dann zulässig anfechten, wenn er durch sie beschwert ist. Dies bedeutet, dass die Urteilsformel einen unmittelbaren Nachteil für den „Beschwerten“ enthalten muss. Es genügt nicht, wenn ihn – wie im vorliegenden Fall – nur der Inhalt der Urteilsgründe in irgendeiner Weise belastet. Aus verfassungsrechtlichen Vorgaben und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt sich vorliegend nichts anderes. Danach ist die Revision gegen ein freisprechendes Urteil nur ausnahmsweise unter eng umgrenzten Umständen zulässig. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.

Ich habe das Gefühl, diese bayerischen Richter und der 1. Senat des Bundesgerichtshofs haben ein besonderes Verständnis vom Funktionieren einer fairen und rechtsstaatlich organisierten Justiz.

Wenn ich Mist gemacht habe, stehe dazu. Und ich setze alles daran, dazu beizutragen, daß das Ergebnis so weit wie möglich entmistet wird. Das machen die da unten in Bayern augenscheinlich ganz anders.

Es gibt irgendwo im Strafgesetzbuch eine Vorschrift, in der von Einsichtsfähigkeit und von dem Zustand, in dem sie fehlt, die Rede ist. Kann die jemand mal raussuchen und an den 1. Senat und nach Regensburg schicken?

Update:
Hier ist der Beschluß 1 StR 56/15 im Volltext (pdf)

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Verteidigungsziel: Freispruch oder Verurteilung?

700663_web_R_by_Rudis-Fotoseite.de_pixelio.deWas ist die Aufgabe eines Strafverteidigers? Dies ist immer wieder mal Thema von Gesprächsrunden, wenn es sich nicht vermeiden ließ, daß mein Beruf bekannt wurde.

Es sind nicht nur juristische Laien, die dieses Thema anschneiden. Gern beteiligen sich auch Zivilrechtler, Richter oder staatliche Ermittler an solchen Befragungen eines „Schmuddelkindes unter den Rechtsanwälten„.

Was machst Du eigentlich, wenn der Mandant Dir gegenüber eingeräumt hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben; dennoch beauftragt er Dich mit einer Freispruch-Verteidigung?

Das ist der Startschuß für eine manches Mal abendfüllende Unterhaltung. Nun liegt mir wieder einmal genau so ein Fall auf Tisch. Nichts wirklich Bösartiges, aber auch kein Delikt von der Qualität einer Schwarzfahrt.

Erste Variante: Strafmaßverteidigung

Ich hatte relativ schnell – also noch zu Beginn des Ermittlungs-Verfahrens – eine erste Akteneinsicht erhalten. Die Sache war noch nicht „ausermittelt“, aber in groben Schnitten schien das Ergebnis bereits festzustehen.

Die Mandantin kommentierte den Akteninhalt mit den einleitenden Worten:

Lieber Herr Hoenig,
die Vorwürfe treffen zu. Tatsächlich war es so: …

Die dann folgenden Ausführungen zielten darauf ab, ihr Verhalten nachvollziehbar zu machen. Dies war also der Auftrag für eine Strafmaßverteidigung mit dem Ziel, eine spektakuläre Beweisaufnahme in einer öffentlichen Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu vermeiden.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft setzten sich fort. Einige Wochen später erhielt ich die ergänzende Akteneinsicht, die Ermittlungen standen vor dem Abschluß. Die Verteidigung, d.h. meine Mandantin, erhielt noch einmal „rechtliches Gehör“, also die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Das war also der Punkt, an dem die Weichen gestellt werden müssen. Ich habe der Mandantin die komplette, nun schon aus zwei Bänden bestehende Akte übermittelt.

Zweite Variante: Freispruchverteidigung

Die Mandantin kommentierte nun diese Ermittlungsergebnisse einleitend mit diesen Worten:

Lieber Herr Hoenig,
bitte verteidigen Sie mich mit dem Ziel eines Freispruchs. Eine Täterschaft meinerseits lässt sich nicht belegen.

Tja, und jetzt?

Was meint die geschätzte Leserschaft dazu?

  • Was soll ich meinen Gesprächspartnern auf der nächsten Party erzählen?
  • Wie lautet die Antwort auf die eingangs dieses Beitrags gestellte Frage?
  • Welche Möglichkeiten hat der Verteidiger?
  • Wozu ist der Verteidiger – immerhin auch Organ der Rechtspflege, § 1 BRAO – verpflichtet?
  • Was darf die Mandantin von ihrem Verteidiger erwarten?

Die Entscheidung ist nicht ganz einfach, das sage ich gleich. Denn die juristischen, strafrechtlichen Konsequenzen dieses Verfahrens sind eigentlich nicht wirklich schlimm; hier stehen freiheitsentziehende Folgen nicht zur Rede. Der Hund liegt begraben in den massiven gesellschaftlichen Folgen einer Verurteilung, die einer nachhaltigen Karrierevernichtung gleichkommen würde.

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Bild: © Rudis-Fotoseite.de / pixelio.de

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Dokumentiert: Korrekte Behandlung

Das wird man ja mal sagen dürfen: Nicht alle Polizeibeamten sind schlimme Finger. Es gibt reichlich Freunde und Helfer, die völlig korrekt arbeiten. Und das darf dann auch mal schriftlich festgehalten werden.

Korrekt behandelt

Na, bitte. Geht doch!

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