Die Thermoskanne im Verwaltungsrecht

Ich habe am Freitag über ein Akteneinsichtsgesuch in einer Cybercrime-Sache berichtet. Die Einsichtnahme in die 500 Bände der Ermittlungsakte hat mir der gut gelaunte Vorsitzende Richter auf der Geschäftsstelle gewährt. Der Versand der Akten scheint das Gericht vor ein paar organisatorische Probleme zu stellen.

Ein Kommentator machte in unserem Facebook-Account dazu folgenden Vorschlag:

Facebook-Kommentar

Dazu fällt mir eine kleine Geschichte ein, die ich Anfang der Neunziger als „junger“ Anwalt in der verwaltungsrechtlichen Sache erlebt hatte.

Es ging auch um die Einsicht in eine (einbändige) Akte einer ostdeutschen Behörde. Man wollte mir weder die Akte, noch Kopien schicken.

Ich bin also auf’s brandenburger Land gefahren und wurde in der staubigen Geschäftsstelle des Amts an einen Katzentisch gesetzt. Um mich herum saßen drei weitere Mitarbeiterinnen (vom Typ her irgendwas zwischen kitteltragende Hausfrau und Traktoristin im Blaumann). Eine der drei ziemlich mißtrauischen Damen gab mir (Wessi! Kreuzberger! Rechtsanwalt! Motorradfahrer!) dann recht widerwillig die IHRE Akte.

Die Luft war nicht nur wegen des DDR-weit bekannten Desinfektions- und Putzmittelgeruchs zum Schneiden. Ich habe dann meine Tasche ausgepackt: Notizblock, Stiftetasche. Damit hatten die Damen gerechnet.

MicrocasetteEtwas Unruhe an den Plaste-Schreibtischen stellte ich dann fest, als ich mein batteriebetiebenes Diktiergerät, zwei Sätze Ersatzbatterien und ca. 10 dieser microcasetten fein säuberlich im rechten Winkel zum Notizblock aufbaute.

ThermoskanneDie Schnappatmung bei den Damen setzte dann ein, als ich meine gut befüllte Butterbrotsdose und eine rote Thermoskanne (meine hatte noch einen weißen Deckel) vor mir auf dem Tisch drapierte.

Ich hatte noch nicht einmal die ersten 10 Seiten der Akten abdiktiert, als irgendein zu höheren Würden berufener Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung die Amtsstube betrat und mich fragte, wie lange es denn dauern würde, bis er die Akte wieder zurück bekäme, wenn er sie mir jetzt mitgeben würde …

Dieser Beitrag wurde unter Behörden, Historisches veröffentlicht.

11 Antworten auf Die Thermoskanne im Verwaltungsrecht

  1. 1
    WPR_bei_WBS says:

    Sehr schön, und das ganze jetzt im richterlichen Dienstzimmer in Frankfurt. Vielleicht mit digitalem Diktiergerät, spart den Bandwechsel. Wobei, der psychologische Effekt der sauber aufdrappierten Bänder ist vermutlich nicht zu unterschätzen. :-)

  2. 2
    tom says:

    Erinnert mich daran, wie ich vor zwei Wochen einem Anwalt eine Akte schicken wollte, aber dies nicht konnte:
    Alle vorhandenen Briefumschläge zu klein, auf mein Verlangen nach einem passenden in der Geschäftsstelle nur ein desinteressiertes Achselzucken.
    Kollegentipp: „kleb doch zwei A4-Umschläge zusammen“
    Hab die.Akte dann persönlich beim Anwalt eingeworfen.
    (Landeshauptstadt München)

  3. 3
    WPR_bei_WBS says:

    @tom:
    Da kann der Steuerzahler in mir nur laut „Danke“ sagen. Andere hätten vermutlich einen Umzugskarton bestellt, die 80% Hohlraum mit alten Zeitungen aufgefüllt und dann einen Kurierdienst das Ding liefern lassen.
    Wer so eine Gechäftsstelle hat, braucht keine Feinde mehr ;-).

  4. 4
    RA de Berger says:

    Die einzig richtige Reaktion auf die verweigerte Aktenversendung im kanzleinahen Umland ist die gemütliche Einsichtnahme auf der Geschäftsstelle. Gerne nehme ich auch einen Referendar mit und unterhalte mich mit diesem LAUT und laaaang über den Inhalt der Akte und die Fehler des Gerichts: „Hier sehen Sie, wie man es nicht machen sollte….“

    Ähnliches habe ich bei meinem ausbildenden Rechtsanwalt als Referendar erlebt, als wir Freitags um 16.30 Uhr in der Großkanzlei des recht arroganten Gegenanwalts aufschlugen, bewaffnet mit 40.000,- DM, „dealertypisch“ gestückelt in 10-Mark-Scheinen. Was wir denn wollten, fragte entsetzt der Gegenanwalt. „Erfüllen“ (§ 362 BGB), sagte mein Ausbilder, ihm seine Geldempfangsvollmacht vor die Nase haltend. Ob er das Geld unseres Mandanten annehmen oder seinem Mandanten erklären wolle, daß er das Erfüllungsangebot abgelehnt habe…

    Um 22.00 Uhr war er fertig mit Zählen und fortan gar nicht mehr so arrogant. Ob er das Angebot auch ohne Rechtsfehler hätte ablehnen und auf Überweisung hätte bestehen können, habe ich allerdings bis heute nicht geprüft… Vielleicht eine schöne Frage für das mündliche Examen… :-)

  5. 5
    RA Fuschi says:

    @RA de Berger: Wohl nicht, § 14 I 2 BBankG sagt ja schließlich, dass Euro-Banknoten das einzige unbeschränkt zulässige Zahlungsmittel sind. Einzig über Treu und Glauben könnte man da zu einem Fall des Angebots zur Unzeit kommen, aber das würde ihm auch nicht helfen auf Dauer.

  6. 6
    Pepe says:

    Ich jedenfalls möchte auch nicht,. dass jemand anderes in meinem Büro seine Butterbrote isst und Kaffee trinkt. Ich möchte auch nicht, dass er in meinem Büro furzt und in der Nase popelt, selbst wenn er dreimal Rechtsanwalt ist und das zu seiner Konzentration erforderlich ist. Ich glaube auch nicht, dass das eine oder andere in deutschen Büros als üblich gelten kann.

  7. 7
    moep says:

    @Pepe: Auch der Rechtsanwalt hätte dies ja lieber gemütlich im eigenen Büro erledigt. Wenn man aber nicht bereit ist die Akte zu versenden muss man damit wohl leben. Geht ja auch vielleicht um ein paar 100 Seiten. Da muss man mal essen und trinken ;)

  8. 8
    RA Just says:

    @Pepe: Im Rahmen der Eskalationsstufe 2 wird die Butterbrotschnitte durch eine Stulle mit Pfälzer Leberwurst ersetzt. Die muss man nicht einmal auspacken. Ihr Aroma entfaltet sich von ganz alleine :-)

  9. 9
    Miraculix says:

    Käse ist auch sehr lecker :)

  10. 10
    WPR_bei_WBS says:

    Gebratene Leber kann ich aus eigener Erfahrung nur empfehlen – bei dem Gestank flüchte ich schneller als man „Haftbefehl“ oder „Akteneinsicht“ sagen kann :-).

    ANsonsten soll Harzer Roller auch gute Dienste leisten. Ganz zu schweigen davon, dass man nach ein paar Stunden im stickigen Büro auch mal den Füßen Frischluft gönnen muß. Und das es auch an heißen Sommertagen keine gesetzliche Pflicht zum benutzen von Deo gibt, muß ich wohl keinem Anwalt sagen. Genausowenig wie die Tatsache, dass eine Robe im Gerichtssaal zwar vorgeschrieben sein mag, Achselshirts in der Geschäftsstelle aber legal sind.

    ;-) ;-) ;-)

  11. 11
    Charlie says:

    @RA de Berger:

    „…40.000,- DM, „dealertypisch“ gestückelt in 10-Mark-Scheinen…“ …. somit 4.000 Scheine …

    … gezählt von 16:30 Uhr bis 22:00 Uhr … somit 5 1/2 Stunden oder 330 Minuten …

    … also, mein Taschenrechner sagt, dass der Kollege dann ungefähr 12 Scheine pro Minute gezählt hat. Gut, der wird auch mal eine Pause gemacht haben, aber wirklich besser wird das dadurch nicht. Durfte der denn überhaupt noch praktizieren ?

    ;-)