Jahresarchive: 2014

Eine Konsequenz deutlicher Hinweise

Nebenklägerinvertreterin - 532554_web_R_B_by_Marion_pixelio.deDer Mandant wurde von einem Amtsgericht in einem nicht ganz südlichen Bundesland verurteilt. Es war zwar „nur“ ein Ehrkränkungsdelikt, aber sowohl Gegenstand als auch die Rechtsfolge hatten es echt in sich. Und den im Raum stehenden Eintrag ins Führungszeugnis konnte der Mandant nun überhaupt nicht gebrauchen. Die Wurst war’s, um die es ging.

Das Amtsgericht hatte es sich einfach gemacht. Die Frage, ob die behauptete Tatsache falsch oder zutreffend war, ist offen geblieben – nach dem Motto: Selbst wenn die Tatsache zutreffend wäre, reichte sie nicht zur Rechtfertigung der Ehrkränkung. Bei der Tatsache handelt es ich um eine angebliche Sexualstraftat zur Lasten eines Kindes, die sich vor ein paar Jahren ereignet haben soll. Oder nicht. Schon das war streitig und seinerzeit auch nicht abschließend aufgeklärt, sondern die Sache ist sanktionslos eingestellt worden.

Sicher nicht einfach mal so nebenher aufzuklären; aber schlicht darüberhinweg zu urteilen, geht ja nun auch nicht.

Dann ging es noch um die Täterschaft, der Mandant bestritt die ihm zur Last gelegte Ehrkränkung; es gab realistische Alternativ-Szenarien, die in der ersten Instanz vom damaligen Verteidiger nicht ins Programm genommen wurden. Er war ja auch eher ein hervorragender Mietrechtler (auf Vermieterseite, wie er betont) …

Die Chancen standen also so schlecht nicht, daß am Ende der Berufungsinstanz etwas herauskommt, was dem Mandanten nicht die Beine unterm Hintern wegzieht.

Ach so, bevor ich’s noch vergesse: Am Katzentisch – genauer: Am Raubkatzentisch – der Staatsanwaltschaft saß die Nebenklage. Mit reichtlich Messer zwischen den Zähnen der Fachanwältin für Familienrecht.

Insgesamt also die helle Freude, eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe für einen Strafverteidiger, die ich gern übernomme habe. Trotzdem, das Mandat hatte dann doch kein Happy End. Und das kam so:

Ich habe mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung getroffen. Die enthielt folgenden deutlichen Hinweis:

deutlich01

Die Situation erlaubte es nicht, zu Beginn der Arbeit sofort einen Vorschuß zu liquidieren. Ich habe einfach mal losgelegt und kam auch gut voran.

Irgendwann stand dann der Termin vor dem Landgericht fest und es ging ans Eingemachte. Ich habe die Vergütung für etwa vier Stunden Vorarbeit abgerechnet und einen Vorschuß auf das Honorar für die Verteidigung vor der Strafkammer auf den Zettel geschrieben.

Bis zum Termin waren es noch locker zwei Wochen, ich habe mich auf eine entspannte Vorbereitung eingestellt. Geplant waren Opening Statement, ein paar Anträge und eine genauere Analyse der Zeugenaussagen, die über 6 Leitakten, 3 Beiakten und einige Beweismittelordner verteilt waren. Alles gut, es fehlte nur der nötige Schmierstoff, und das, obwohl ich dem Mandant noch einmal den deutlichen Hinweis gegeben hatte, daß auch alter Motor Brennmaterial braucht, um arbeiten zu können:

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Das war am Donnerstag, am darauf folgenden Mittwoch sollte der Termin stattfinden. Für mich wurde die Luft enger, ich habe ein wenig geschoben und noch knapp den kompletten Dienstag für dieses Mandat reservieren können, alles also noch im grünen Bereich. Am Montag habe ich den Mandanten per eMail auf unsere Vereinbarungen und auf den fehlenden Zahlungseingang hingewiesen.

Und nun fing das Standard-Programm an, das mein lieber Kollege Dr. Rüdiger Spormann mal mit folgendem Textchen umschrieb:

Reihenfolge

Ich war enttäuscht, viel Arbeit, tolle Ideen und bereits ein paar fruchtbare Worte mit dem Vorsitzenden Richter. Und dann sowas.

„Längst überwiesen“, „ich frage mal nach“, „Zahlendreher“, „Blitzüberweisung“ … fünf, sechs, sieben eMails hin und her. Der halbe Tag, den ich eigentlich für die Arbeit gebraucht hätte, war bereits im Sack. Ich habe dann schonmal zornig durchgeladen:

deutlich03

Um Viertelvoreins ging dann eine weitere Nachricht ein mit der Aufforderung(!), ich möge mich sofort(!) bei irgendsoeiner Kleinbank in Westdeutschland erkundigen, daß die Zahlung angewiesen sei. So gern, wie ich die Tierchen mag, aber zum Affen lasse ich mich dann ja doch nicht machen:

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Dann habe ich erstmal Mittagspause gemacht: Schweinerücksteak auf Blattspinat mit gerösteten Kartoffelecken. Das beruhigt die Nerven. Müde und satt habe ich aufs Konto geschaut, einen Caffè getrunken und dann nochmal zusätzlich bei dem Bankberater meines geringsten Mißtrauens angerufen – kein Zahlungseingang. Und peng:

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Den Nachmittag habe ich dann für ein paar stupide Verwaltungsarbeiten verwandt, zu denen ich in meinem heiligen Zorn gerade in der richtigen Stimmung war.

Es hätte so schön werden können.

Tags drauf ging der geforderte Rechnungsbetrag ein. Und zwar gleich zweimal. 10 Minuten später hatte ich die verbindliche Bestätigung meiner Bank, daß der von mir abgerechnete und angewiesene Zuvielbetrag wieder zurück zum Absender unterwegs war.

Was mich jetzt noch fuchsig macht: Ich weiß ganz sicher, was herausgekommen wäre, wenn der Mandant rechtzeitig gezahlt hätte. Aber ich kenne das tatsächliche Ergebnis nicht. Wenn ich es nicht mehr aushalte, rufe ich doch nochmal den Richter an.

Update:
Es hat eine Reaktion gegeben.
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Bild: Marion / pixelio.de

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Ehrlich eingemauert

Der Mandant ist jetzt (wieder) auf dem konkreten Weg der Besserung. Er litt zur Tatzeit an einer massiven psychiatrische Erkrankung. Deswegen war er schuldunfähig (§ 20 StGB). Und weil er gleichzeitig unter Beweis gestellt hat, imstande zu sein, eine vollbesetzte Neuköllner Eckkneipe binnen kürzester Zeit leer zu räumen, hat man ihn vor ein paar Jahren in ein Krankenhaus des Maßregelvollzug eingewiesen (§ 63 StGB).

Nach langer Zeit und einigen Irrungen und Wirrung steht nun seine Entlassung unter Bewährungsaufsicht an. Die Klinik ist der Ansicht, das würde nicht nur funktionieren, sondern auch, daß weitere Heilungserfolge innerhalb der Unterbringung nicht mehr zu erzielen seien.

Bemerkenswert offen beurteilt der Chefarzt den Zustand seiner Einrichtung, wie sie in der Regel von den Untergebrachten empfunden wird. Aus der an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts adressierte Stellungnahme des Arztes:

Eingemauert

Intramural, also innerhalb der Mauern. Eine erfrischend ehrliche Umschreibung der Zustände in der forensischen Psychiatrie.

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Anstaltsleiter in die Raucherzelle!

461836_web_R_K_by_Giovanni Borea_pixelio.deDer 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat ein Herz für Nichtraucher. Die Richter haben den raucherfreundlichen Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Essen vom 03.02.2014 exakt fünf Monate später am 03.07.2014 unter dem Aktenzeichen 1 Vollz (Ws) 135/14 abgeändert.

Inhaftierte Nichtraucher dürfen danach nicht (mehr) mit rauchenden Mitgefangenen in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden (wenn sie die fünf Monate überlebt haben ;-) ). Nur wenn sie passionierte Passivraucher sind und einer gemeinschaftlichen Unterbringung mit Rauchern ausdrücklich zustimmen, kann die Knastverwaltung sie in die Raucherzelle schließen.

Im vorliegenden Fall ging es um einen Strafgefangenen, der eine mehrjährige Haftstrafe in einer süddeutschen Justizvollzugsanstalt verbüßt. Er wurde zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins beim Amtsgericht Gelsenkirchen im September 2013 in die Justizvollzugsanstalt Essen überstellt. Dort wurde er vier Tage in einer Gemeinschaftszelle gesteckt, in der sich ein paar Quarzer die Lungen mit Nikotin vollpumpten.

Die Essener Richter wollten sich mit einem Taschenspielertrick aus der Affaire ziehen. Der Bayern-Knacki hatte beantragt, seine Unterbringung in einer Zelle mit den Nikotin-Junkies für rechtswidrig zu erklären. Die Strafvollstreckungskammer des LG Essen wies diesen Antrag zurück, da der Strafgefangene gegenüber der Justizvollzugsanstalt seinerzeit nicht beantragt habe, in einer Einzelzelle oder in einer rauchfreien Gemeinschaftszelle untergebracht zu werden.

So geht’s nicht, meinten die OLG Hammer. Das nordrhein-westfälische Nichtrauchergesetz verbiete das Rauchen in einem mit mehreren Personen belegten Haftraum, wenn eine der darin untergebrachten Personen Nichtraucher sei. Das sei von Amts wegen zu berücksichtigen, also auch ohne Antrag des Nichtrauchers. Wenn die JVA meint, Raucher mit Nichtrauchern gemeinsam wegschließen zu müssen, sei sie gehalten, vorher mal nachzufragen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Knastleitungen und Strafvollstreckungskammern mit einer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, aus einem Knast ein Loch machen zu müssen, das zu Zeiten akzeptabel war, in denen man sich das Mittagessen noch mit der Keule besorgen mußte. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, daß erst über zwei Instanzen mühsame Klimmzüge gemacht werden müssen, um eine einigermaßen menschenrechtskonforme Unterbringung zu erstreiten.

Aus der Website der JVA Essen:

Es sind zahlreiche […] Hilfsangebote entwickelt worden, die allesamt dazu beitragen sollen, das es dem Gefangenen gelingt, […] künftig in sozialer Verantwortung ein Leben […] zu führen.

Vielleicht sollte man dem Anstaltsleiter auch mal so ein Hilfsangebot machen. Nötig hätte er es.

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Bild: Giovanni Borea / pixelio.de

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Ein krimineller Haufen beim Landgericht

371559_web_R_K_B_by_Dieter Schütz_pixelio.deEine Gruppe von rund 30 Personen hatte sich zusammen gefunden, um eine wirtschaftlich recht lukrative Geschäftsidee umzusetzen. Die Ermittlungsbehörden wurden darauf aufmerksam und machten ihren Job. Der Gegenstand der Geschäfte verstieß nach Ansicht der Ermittler gegen eine ganze Batterie von Vorschriften.

Die Sache entwickelte sich und im Laufe dreier Jahre füllte sich ein kompletter Raum in der Größe eines mittelständischen Wohn-Eß-Zimmers mit Ermittlungsakten.

Irgendwann war es dann aber soweit, die Staatsanwaltschaft schloß die Ermittlungen ab (§ 169a StPO). Und nun beginnt die eigentliche Geschichte.

Etwa die Hälfte der Beschuldigten wurden im Schnelldurchgang (teils per Strafbefehl nach §§ 407 StPO) „abgearbeitet“. Es verblieben dann noch 17 Leute, gegen die Anklage erhoben wurde. Aber nicht eine, sondern drei:

  • Gegen 8 Personen begann der erste Prozeß im Frühjahr und ist noch nicht beendet.
  • Es folgte ein zweites Verfahren gegen weitere 4 Personen, von denen 3 kürzlich verurteilt wurden. Ein Angeklagter ist krank geworden.
  • Ein drittes Verfahren gegen die 5 letzten Gruppenmitglieder wird nach Plan „A“ Anfang Dezember beginnen.

Diese Aufteilung war vermutlich dem erheblichen Umfang der Sache mit einer knappen Viertelmillion Blatt Akten geschuldet. Vielleicht auch, weil die Staatsanwälte mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln überfordert waren.

Daraus entwickelten sich jetzt ein paar Probleme, die man unter dem Stichwort „Vorbefaßtheit“ in der Rechtsprechung und in der juristischen Literatur zum Thema Befangenheit findet und z.B. im Zusammenhang mit §§ 22 Nr. 4, 23, 148a Abs. 2 Satz 1 StPO diskutiert. Denn alle drei Verfahren werden vor derselben Wirtschaftsstrafkammer unter Vorsitz desselben Richters geführt.

Aber nun zur Überschrift dieses Beitrags.

In der mündlichen Begründung des Urteils des 2. Verfahrens bezog sich der Richter den Angaben von Prozeßbeteiligten zufolge teilweise auf Ergebnisse der Beweisaufnahme im 1. Verfahren und begründete damit die Entscheidung der Kammer im 2. Verfahren. Ja klar, bei dem Umfang kann man ja schonmal was durcheinander bringen, nicht wahr?

In Medien-Berichten (Lisa Steger auf rbb-Online und Marion Kaufmann in der MAZ) über den Ausgang dieses 2. Verfahrens wird der der Richter mit dem knackigen Satz „Es war ein krimineller Haufen, der Geld verdienen wollte.“ zitiert, mit dem er den Charakter zumindest der soeben Verurteilten umschrieb.

Da muß man jetzt mal schauen, wie der Richter das gemeint hat. Beziehungsweise wen er sonst noch damit gemeint haben könnte.

Übrigens:
Den Begriff „Haufen“, mit dem eine Ansammlung von Menschen beschrieben wurde, fand der Gesetzgeber bereits Anfang 1998 unappetitlich (6. StrRG v. 26.1.1998, BGBl. I 164). Seit dem 1. April 1998 spricht das Gesetz daher politisch korrekt von „Gruppe“. Es gibt weitere Begriffe für dieses Phänomen: Gruppierung, Bande, Vereinigung, die alle nicht so ekelig klingen, wie diese – in Hinblick auf die noch nicht verurteilten Angeklagten zweideutige – Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters einer Wirtschaftsstrafkammer.

Es könnte sein, daß Plan „B“ eine gewisse Bedeutung bekommen könnte.
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Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

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U-Wanne

Der Parkplatz unter der U-Bahn Linie 1.

U-Wanne

Erst hinterher ist aufgefallen, daß es da ein Problem geben könnte. Mit der lichten Höhe. Auf Schilder mit der Höhenbegrenzung ist das Auge eines Mopped- und PKW-Fahrers nicht geeicht. Aber auch die 2,70 m lassen noch reichlich Luft nach oben.

Und daß es hier ein Problem mit dem Parken geben könnte, ist auch nicht zu erwarten. Denn schließlich hat ein unabhängiges Gericht rechtskräftig festgestellt, daß die Wanne ein PKW ist.

Wanne als PKW

Jedenfalls immer dann, wenn es dem Fiskus um die Kohle geht, für die andere Leute gearbeitet haben.

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Beschämend und befremdlich – ein Leser weniger

Ich habe Post erhalten, von einem (ehemaligen?) Blogleser:

Hallo Herr Hoenig,

bis jetzt gehörte ich zu den gerne lesenden Besuchern Ihres Blogs. Gestern oder heute morgen jedoch haben Sie ein Kunststück vollbracht, das mich in meiner Wahrnehmung Ihrer Person stark ändert.

Sie haben den Kommentar des A[…], in dem er zurecht fragt ob er sich erinnert, dass in dem Beitrag […], sowie meinen darunter liegenden Kommentar mit dem Hinweis auf […] einfach entfernt.

Ich finde es beschämend, dass ein Rechtsanwalt, der sich immer als der Verteidiger der Freiheit und als aktiver Gegner von Meinungsunterdrückung ausspricht, nicht den Schneid hat einen eigenen Fehler einzugestehen sondern stattdessen zum Mittel der aktiven Löschung greift. Natürlich gibt es kein Kommentarrecht bei Ihnen, das ist korrekt. Ich erwarte aber von einem guten Blogbetreiber, wenn er schon löscht, dass er den Schneid hat, mir kurz seine Beweggründe zu erklären. Und wenn Sie auf Ihrem Blog Dinge veröffentlichen, die […], dann müssen Sie sich das halt anrechnen lassen. Einfach die Beiträge mit den Hinweisen darauf löschen finde ich als befremdlich.

Ich habe auf einen weiteren Kommentar in Ihrem Blog auf den Beitrag verzichtet, um nicht Öl ins Feuer zu gießen, hoffe jedoch, dass Sie mir hierauf eine Antwort senden werden.

Viele Grüße

Der gelöschte Kommentator „erwartet“ von mir, daß ich mich rechtfertige. Gut. Das nehme ich zur Kenntnis.

Liebe Klugscheißer, Besserwisser, Googlesuchmaschinenbediener und sonstige Trolls: Das hier meine ich ernst:

Ich werde den Teufel tun und jeden Mist, den (ausschließlich) der Absender für ein hochwissenschaftliches Traktat hält, hier stehen lassen. Auch künftig werde ich hier kommentarlos Kommentarmüll entsorgen. Für anonyme Stellungnahmen, die notdürftig als Abwasserrohbrüche getarnt und nur dazu geeignet sind, mir den Spaß am Bloggen zu verderben, habe ich rechts neben der Enter- eine weitere Taste. Das ist hier ein Freizeitprojekt und keine Unterhaltungssendung für privatfernsehgeschädigte Gerichtshowzuschauer.

Übrigens, lieber Marc, mir vorzuwerfen, ich hätte „keinen Schneid“, aber selbst keine Eier, unter Ihrem Klarnamen aufzutreten … das hat schon was. Aber Danke für die Anregung zur diesem Blogbeitrag und für die nochmalige Gelegenheit zur Klarstellung meines Selbstverständnisses als Blogger.

Hat sonst noch jemand wesentliche Fragen? Immer her damit. Ich leite sie gern weiter ans Heise-Forum …

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Pillen für den Staatsanwalt

Am heutigen Freitag wird das erste Urteil im schlanken zweiten Prozeß vor dem Landgericht Potsdam erwartet, damit dann knapp vor dem Nikolaustag der dritte Prozeß mit seinen bisher rund viertelhundert geplanten Hauptverhandlungsterminen starten kann, nachdem die 500 Seiten potente Anklage nächste Woche zugelassen und bevor der erste Prozeß beendet sein wird.

Übrigens: Falsch ist, was die dpa gestern vermeldet hat

Unklar ist auch noch, wann sich der mutmaßliche Bandenchef wegen des Millionenbetrugs verantworten muss.

Richtig wäre es, wenn die Agentur-Journalisten geschrieben hätten, daß es ihnen unklar ist.

Aber vielleicht liegen die dpa-Agenten ja doch nicht ganz so verkehrt, wenn man berücksichtigt, daß die von der Verteidigung bereits im September beim Gericht beantragte Akteneinsicht noch nicht gewährt wurde. Erst bekommt es die Staatsanwaltschaft nicht so richtig auf die Reihe, dem Gericht (von den Verteidigern rede ich hier diesmal nicht) die Akten in geordneter Form zur Verfügung zu stellen.

StA-Potsdam und die Akteneinsicht

Daß nun auch das Landgericht seine liebe Mühe damit hat, ist nachzuvollziehen.

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Update: Schokolade statt Bußgeldbescheid

Seit einigen Jahren bereits läuft unser

Kostenloser eMail-Kurs - Selbstverteidigung in Bußgeldsachen

In den nächsten Wochen erwarten wir den 6.000sten Kursteilnehmer, der wissen will, wie man in Bußgeldverfahren auch ohne Rechtsanwalt (nicht) klarkommt.

Nun ist es ja seit Hannes Waders Zeiten schon so, daß nichts bleibt, wie es war. Ein paar kleinere Änderungen im System der Ordnungswidrigkeiten standen an und dann war da noch der Gesetz- und Verordnungsgeber, der ganz Flensburg auf den Kopf gestellt hat: Das Verkehrszentralregister heißt nun Fahreignungsregister und der Kandidat braucht jetzt nur noch 8 Punkte, um sein Herz-Kreislauf-System nachhaltig mit dem Fahrrad in Schwung halten zu dürfen.

Das hat uns – zuvorderst Rechtsanwalt Tobias Glienke, Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Strafrecht – veranlaßt, dem bewährten „eMail-Kurs – Selbstverteidigung in Bußgeldsachen“ ein Update zu gönnen. Wir haben die insgesamt neun Lektionen überarbeitet und an die aktuelle Rechtslage angepaßt. Auch der Wiederholer hat damit die Chance, mal wieder was Neues zu entdecken.

Hannes Wader hat nämlich Recht, wenn er die Reform des Fahrerlaubnisrechts bereits im Jahr 1982 vorhergesehen hat:

Denn was neu ist wird alt
Und was gestern noch galt
Stimmt schon heut oder morgen nicht mehr

Und damit das Lernen auch wieder richtig Spaß macht, gibt es eine Auslobung. Wer einen Fehler(*) in dem Kurs entdeckt und ihn uns bis kommenden Nikolaustag an diese eMail-Adresse mitteilt, dem schicken wir gute Laune aus Schokolade (wenn er es wünscht und uns – zu treuen Händen – seine Adresse mitteilt.).

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(*) Es gilt eine gesunde Mischung aus alter und neuer Rechtschreibung (wie hier im Blog). Und: Lang lebe das „ß“!

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Keine kriminellen Kiffer in Bernau

CannabisblattDer mittlerweile bundesweit bekannte Jugend-Richter am Amtsgericht Bernau, Andreas Müller, ist schon eine Marke für sich. Die Verteidigung in „seinen“ Verfahren ist so manches Mal eine echte Herausforderung, wenn der Strafverteidiger das, was man im Strafprozeßrecht und der StPO so nachlesen kann, ernst nehmen möchte. RiAG Müller arbeitet doch sehr ergebnisorientiert, um es mal höflich auszudrücken.

Aber Andreas Müller hat dann doch sehr oft das richtige Händchen, so daß man es ihm in vielen Fällen nachsehen kann. Nun äußert er sich in der Zeit über den Unsinn der Cannabis-Prohibition.

Der 53 Jahr alte Richter hat in den 20 Jahren, in denen er als Jugendrichter unterwegs ist, in mehr als 12.000 Verfahren nicht einen einzigen Fall gehabt, in dem Cannabis-Konsum zu schweren Straftaten wie Körperverletzung oder Vergewaltigungen geführt habe. Es sei fast immer „nur“ der Alkohol. Der kleine Kiffer taucht in dieser Spalte der Kriminalstatistik nicht auf.

Deswegen hält der Jugendrichter die Kiffer auch nicht für Kriminelle, sondern für Menschen, die ein Rauschmittel nutzen, das überall in der Welt seit Jahrhunderten konsumiert wird.

Kriminelle sind Menschen, die andere zusammenschlagen, die im Suff ihre Frauen und Kinder misshandeln oder die Millionen an Steuern hinterziehen.

Das seien Cannabis-Konsumenten nicht, „urteilt“ der Richter.

Andreas Müller kritisiert die enorme Justiz-Ressourcen-Verschwendung, die durch die jährlich mehr als 150.000 Cannabis-Nutzer-Verfolgungs-Verfahren geführt werden. Ein Großteil dieser Verfahren werden eingeleitet und dann wieder eingestellt. Sie binden Energie, Personal und Geld. Und vernichten Existenzen wegen ein paar Gramm Mariuhana, wenn der Kiffer das Pech hat, mehrmals hintereinander beim Knüseln erwischt zu werden.

Drogenpolitik ohne Sinn und Verstand, so bezeichnet der Richter zutreffend das, was derzeit noch (!) betrieben wird. Er erkennt – und dafür braucht man keinen Hauptschulabschluß, daß Cannabis konsumiert wird, egal ob es kriminalisiert und verboten wird oder nicht.

Die schlimmste Nebenwirkung dieser Cannabis-Prohibition sei die Kriminalisierung. Dadurch werden Hunderttausende oder Millionen Kriminelle „produziert“, die keine solchen sind. Sie sind nicht gefährlich und trotzdem stigmatisiert man sie. Daß dies falsch ist, liegt auf der Hand.

Das Cannabis-Verbot schränke weder die Verbreitung ein, noch schütze es die Gesundheit der Menschen und Haschisch sei auch keine Einstiegsdroge.

232966_web_R_K_B_by_nikinix_pixelio.deMüller lobt die Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und –professoren, weil gerade Strafrechtsprofessoren die Autorität haben, ideologische Barrieren zu überwinden. Einem Kiffer mit Rastalocken oder einem kleinen Kreuzberger Strafverteidiger hört niemand zu.

Die aktuelle Diskussion in Deutschland, an deren Ende die Legalisierung der Cannabis-Produkte stehen wird – davon bin nicht nur ich überzeugt, hat durch die Freigabe von Marihuana in Colorado ernsthaften Schwung bekommen. Es ist ja nicht alles schlecht, was aus den USA zu uns rüberschwappt.

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„Kiffer sind keine Kriminellen!“ Ein Interview mit RiAG Andreas Müller von Rainer Schmidt in der Zeit vom 8. Oktober 2014

Bild unten: nikinix / pixelio.de

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Vorbereitung des Schlußvortrags für die Schöffen

Es ist nicht immer einfach, nach einer sechsstündigen Beweisaufnahme jedes Detail noch im Kopf zu haben, wenn die Beweisaufnahme geschlossen wurde. In der Regel reicht aber die Zeit, in der der Sitzungunsvertreter der Staatsanwaltschaft plädiert, für die Vorbereitung.

In diesem Fall hatte der nämlich genug damit zu tun, für die 74 Einsatzstrafen jeweils das Strafmaß ins Protokoll zu diktieren, aus denen er dann einen Antrag auf die Gesamtstrafe gebastelt hat. Das Brainstorming für den Schlußvortrag der Verteidigung sah dann so aus:

Plädoyer

Das war die Grundlage für einen guten Halbstünder, den ich besonders in die Richtung der Schöffen geschickt habe. Mit Erfolg: Die Strafe wurde entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft dann doch noch mal ganz knapp zur Bewährung ausgesetzt. Vielleicht weil diesmal die Schöffen den Vorsitzenden überzeugt haben. Und nicht wie sonst oft andersherum.

Und irgendwann werde ich mal daran denken, meine Plädoyers aufzuzeichnen, damit ich sie wie Heinrich Hannover (Die Republik vor Gericht 1954-1974. Erinnerungen eines unbequemen Rechtsanwalts sponsored link) nach dem Ende meiner aktiven Zeit als Verteidiger in einem Hörbuch verwursten kann.

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