Der zerbrochene Krug

Den Mandanten haben wir in unserer Kanzlei seit vielen Jahren. Es fing damit an, daß die Polizei ihm sein Motorrad weggenommen hatte, weil er damit so zügig unterwegs war, daß die vier Streifenwagen ihm nicht folgen konnten, als er auf dem Hinterrad über den Supermarktparkplatz zwischen zwei Begrenzungspillern hindurch schlüpfte. Das war Ende der 90er. Das Mopped – eine wunderschöne Yamaha R1 – hat er zurück bekommen, es gab ein paar Flens und gut war’s.

In der Zwischenzeit bis heute kam er immer mal wieder vorbei, ähnliche Delikte, auch mal etwas mehr als nur eine kleine OWi. Stets hart an der Kante und dauerhaft ein gut gefülltes – aber knapp nie überfülltes – Konto in Flensburg. Mit viel Arbeit ist es uns gelungen, über die langen Jahre für den Erhalt seiner Fahrerlaubnis zu sorgen.

Nun aber ist der Krug – ein 7er BMW – auf dem Weg zum Brunnen zerbrochen:

Schade

Da hilft erstmal kein Verteidiger mehr. Und es sieht auch nicht so aus, als würde das eine problemlose Wiederteilung der Fahrerlaubnis geben, wenn die Sperrzeit abgelaufen ist.

Aber der Mandant ist ein optimististisches Stehaufmännchen und ich rechne damit, daß er bald wieder sein Mopped bei uns vor der Kanzleitür parken wird.

Dieser Beitrag wurde unter Mandanten, Verkehrs-Strafrecht veröffentlicht.

21 Antworten auf Der zerbrochene Krug

  1. 1
    jemand says:

    Wie kann man so unverbesserlich sein?

  2. 2
    surfguard says:

    Ich ahne ja die Antwort, aber hättet ihr euch auch gerühmt, diesem mutwilligen Verkehrsgefährder mit viel Arbeit (=Honoraren) über Jahre die Fahrerlaubnis erhalten zu haben, wenn er jetzt zugekokst keinen Laternenmast umgenietet hätte, sondern einen Passanten?

  3. 3
    Tilman says:

    Immer diese alberne, übertriebene Polizeisprache: „Mast der Lichtzeichenanlage“ – auch als „Ampel“ bekannt.

  4. 4
    Bulli says:

    @surfguard
    Diese müßige Wenn-Diskussion endet in einer Sackgasse.

    Wenn man ihren Gedanken weiter (und zu Ende) spinnt, hat Herr Hoenig keine Arbeit mehr und es gäbe nur noch eine Strafe für egal welches Vergehen. Tod durch den Strang/Spritze/Stromstoß). Das wiederum würde die Bevölkerung sehr ausdüngen. ;)

    Wir leben nun mal mit über 80 Mio Menschen auf relativ engem Raum. Ein wenig Lebensrisiko ist da immer dabei.

  5. 5
    HD says:

    Eine geschickte Darstellung, was Strafverteidigung zu leisten vermag – und wo ihre Grenzen sind.

  6. 6
    surfguard says:

    @Bulli Ich glaube, dass es noch Abstufungen dazwischen gibt, einerseits für alles die Todesstrafe zu fordern und andererseits zu hinterfragen, ob es in diesem konkreten Fall gut war, jemandem wiederholt den Erhalt der Fahrerlaubnis zu erkämpfen, der dem Anschein nach unbelehrbar ist.

    Als Schöffe am Landgericht weiß ich den Wert einer guten Verteidigung übrigens auch zu schätzen und habe vor einiger Zeit mal mit den anderen Richtern einen Verkehrssünder (Fahren auf dem Moped ohne Fahrerlaubnis) der Freiheitsstrafe entledigt, die der Amtsrichter ihm noch aufgebrummt hatte.

    Ich weiß also, wovon ich rede und kann differenzieren.

    Ich frage mich nur ernsthaft (im Sinne von: offene Frage), ob man sich als Anwalt hinterfragt, wenn einer, den man nimmer wieder rausgepaukt hat, dann richtige Scheiße baut?

  7. 7
    Senfgnu says:

    Ich hoffe mal nicht. Schließlich ist für das Urteil der Richter zuständig. Der Anwalt ist dazu da, bestmöglich zu verteidigen.

  8. 8
    Evelyn says:

    Ich mein die Frage stellt sich für einen Verteidiger eher nicht, weil er demjenigen vor allem ein rechtsstaatliches Verfahren sichern will, aber so einer ist doch offensichtlich nicht geeignet am Straßenverkehr teilzunehmen, oder? Das klingt nach jemandem, dem Regeln nur dazu da sind um sie auszureizen / zu brechen. Und das letzte setzt dem echt die Krone auf.

  9. 9
    mischaaa says:

    ich finde es gut, dass mit qualität und auch bei jedem erdenklichen fall verteidigt wird.
    nicht so toll finde ich, wie aus sicht der verteidigers darüber berichtet wird…

  10. 10
    Zwerg says:

    Ein Verteidiger ist doch auch Mensch. Und daher finde ich die „Was-wäre-wenn-Frage“ doch auf der menschenlichen Ebene interessant.

    Klar. Als Verteidiger muss das Beste für den Mandanten „rausgehohlt werden“. Was immer das ist. Nur am Rande: Hätte der Mandant in diesem Fall einen Menschen umgefahren und getöttet, dann wäre es wohl besser gewesen, dass ihm vorher verboten worden wräre Kfz zu steuern, er sich daran gehalten hätte und dann niemenanden totgefahren hätte. Dafür kommt man nämlich ins Gefängnis – jedenfalls bei uns – wenn man bekifft oder besoffen war und das Register eh schon voll ist.

    Aber der Mensch hinter dem Verteidger. Was würde der in dieser Situation denken? Ist er wirkich so roh, dass ihm das Leid des Geschädigten nicht berührt. Das er denkt, ich bín nur der Verteidiger gewesen? Ich habe nur meinen Job gemacht, „Befehle befolgt“. Oder ist da vielleicht doch noch mehr?

  11. 11
    smoere says:

    „Aber der Mandant ist ein optimististisches Stehaufmännchen und ich rechne damit, daß er bald wieder sein Mopped bei uns vor der Kanzleitür parken wird.“

    Ist das eine euphemistische Umschreibung für „Mit genug Pulver [doppeldeutigkeit beabsichtigt] juckt einen § 21 StVG auch nicht mehr“?

  12. 12
    Verlobte von Wilhelm Brause says:

    Ich verstehe von allem nur die Hälfte.

    Muss es nicht heißen „Der zerbrochene BMW“ und „Der kaputtgeknallte Laternenpfahl“ ?

    Der Mandant scheint keine arme Sau zu sein.
    So ein schönes Auto.

    Wie damals der Wilhelm behauptet hat, Hugo hätte die Luftpumpe vom Fahrrad geklaut und dann hat er die Luft aus den Reifen gelassen, aber das Fahrrad hat Fritz gehört und Marianne und Renate haben behauptet, es wäre anders gewesen und dann diese Wirtshausprügelei…
    Tja, wenn einer so ein feines Auto hat….

    Also damals waren die Anwälte nicht ganz so freundlich. Und die Gerichtsverhandlung war ein Theater für sich. Mich wollten sie zur Zeugenaussage gar nicht hinlassen. Marianne hat behauptet, die Verlobung sei ein Vorwand.

    Aber es kann auch ein zerbrochenes Bierkrug gewesen sein. Bei der Radeberger Gruppe gibt es das wunderhübsche Allgäuer Büble-Bier. Ein Kind holt im Wirtshaus einen Krug Bier für seinen Papa. Das Etikett und die Bierdeckel sind total süß.

    Heute wird kein Alkohol mehr an Kinder verkauft.

    Jugendschutz oder so. Die bekifften Bälger könnten auf dem Heimweg die Hälfte verschütten.

    Und wo gibt es Kinder, die einen Vater haben?
    Es heißt Minderjährige, Erziehungsberechtigte und Unterhaltsverpflichtete und Frau Müller vom Jugendamt…

  13. 13
    Daniel B. says:

    Der letzte Kommentar verwirrt mich einfach nur. Davon hab ich nicht mal die Hälfte verstanden. =D

  14. 14
    matthiasausk says:

    @Surfguard: Ihre Frage sollten Sie den jeweiligen Richtern stellen. Denn die haben dem Mandanten die Fahrerlaubnis schließlich nicht entzogen und so die Beschädigung des Ampelmastes erst ermöglicht.

    Daß der Mandant sich eine effektive Vertretung besorgt, kann man doch weder dem Mandanten noch der Vertretung anlasten, oder?

  15. 15
    doppelfish says:

    @surfguard Es wäre wohl arg einseitig, einem Verteidiger zu unterstellen, er würde in einem solchen Mandanten nur eine sprudelnde Geldquelle sehen. Es wäre wohl weniger einseitig, wenn man dem Anwalt unterstellt, daß er dem Kandidaten unter vier Augen das eine oder andere deutliche Wort gesagt hat.

    Aber im Gerichtssaal sieht das anders aus.

    Wenn dort ein Anwalt einen Mandanten „rauspauken“ kann, gibt’s zwei Möglichkeinten:

    (1) der Mandant hat eben nicht genug Mist gebaut, um eine Strafe zu bekommen, oder
    (2) der Ankläger und der oder die Richter haben Mist gebaut.

    Der Verteidiger hat nur seine Arbeit gut gemacht. Und das ist gut so.

  16. 16
    schneidermeister says:

    @matthiasuask

    Die Richter können nur bedingt etwas dafür. Über die Fahrerlaubnis entscheidet in der Regel die FE_Behörde.
    Als Ziele/Aufgaben der Verteidigung wurden hier bei den Kommentaren ja genannt: Sicherung eines rechtsstaatlichen Verfahrens und „das Beste für den Mandanten herausholen“. Diese beiden Ziele sind nicht unbedingt identisch. So kann das Verfahren rechtsstaatlich zugehen,ohne dass das Optimum herausgeholt wird. Gerade bei Verkehrsordnungswidrigkeiten gab/gibt es so manche Möglichkeit, die von dem einen oder anderen Betroffnenen und/oder Verteidiger ausgelotet wird, um etwa bestimmte Fristen bzw. Entscheidungstermine so zu strecken, dass das Punktekonto in Flensburg nicht zu schnell zu voll wird, die FE-Behörde also nicht einschreiten kann. Und in diesem Punkt sollte sich ggf. mancher, der triumphierend berichtet, wie er wieder mal eine Verfahrenseinstellung erreicht hat oder den Wegfall eines Fahrverbots etc. durchaus fragen, ob es denn das Ziel sein kann, bei notorischen Verkehrsrowdies (damit meine ich nicht den Gelegenheitssünder oder den Berufskraftfahrer, der schon wegen der km-Zahl unvermeidlich höhere Risiken hat, in kurzer Zeit mehrere Verkehrsverstöße zu begehen) alles auszureizen, damit diese weiterhin fahren können wie die wilde Sau. Oder ob nicht zu „das Beste rausholen“ auch gehört, dem Mandanten zu sagen, dass er ohne Alkohol-oder Drogentherapie nicht nur sein eigenes Leben zerstört, sondern auch andere massiv gefährdet.

  17. 17
    Maik says:

    @ Tilman: § 170 Abs. 1 StPO hilft: Das ist kein Polizei-Sprech sondern schönste juristische Prosa. Anklagebehörde mit dem Monopol zur Anklage (sieht man einmal von der Finanzbehörde ab) ist ja bekanntlich die Staatsanwaltschaft.

    Überdies scheint mir die Diskussion immer wieder in die Interessenvertreter-Theorie-Richtung zu gehen, dabei ist die Strafverteidigung immer ein Interessenvertreter- versus Organtheoriestreit. Sie bewegt sich zulässiger- und richtigerweise auf dem schmalen Grad zwischen rechtsstaatlich gebotener Verteidigung und Strafvereitelung im Sinne von § 258 StGB. Insoweit ist auch die Konfliktverteidigung nicht unzulässig (gl.A. Beulke, Strafprozessrecht, 12 Auflage m.W.n.).

    Ich denke ein guter Verteidiger sollte natürlich das bestmögliche für seinen Mandanten herausholen. Er sollte aber niemals (!) den Blick für die Erfordernis einer effektiven Strafrechtspflege vernachlässigen. Demnach scheint es angebracht, die Konfliktverteidigung genauso wie die Verurteilungsbegleitung zu ächten. Herr Hoenig schrieb: „Verteidigung ist Kampf“. Dazu sei ergänzend angeführt: „Die Kunst der Kriegsführung“. Auch Ghandi ist nicht unbedingt für seinen Waffeneinsatz bekannt, richtig?

    Soweit Staatsanwälte und die Beamten des Polizeidienstes in rechtsstaatlich nicht zu beanstandender Weise gearbeitet haben, wäre eine Strafzumessungsverteidigung, die richtige. Verteidigung und Staatsanwalt sollten sich auf Augenhöhe begegnen (was von BEIDEN Seiten gern vergessen wird). Ein ungeschickter Anwalt verbaut seinem Mandanten mglw. § 153 a StPO, ein ungeschickter Staatsanwalt muss unnötigerweise verhandeln und plädieren. Es darf zwar kein Handel mit der Gerechtigkeit geben (Rechtsprechung des BVerfG zu den Absprachen im Strafprozess), wenn sich jedoch die Verfahrensbeteiligten der materiellen Wahrheit verpflichtet fühlen, so wird es zu einenm fairen und rechtsstaatlich in keiner Weise zu beanstandenden Urteil kommen.

  18. 18
    Bulli says:

    @schneidermeister
    Glauben sie ernsthaft, dass ein Mandant, der ohne Nachzudenken sein eigenes Leben gefährdet, sich mit dem Argument locken lässt, doch bitte andere nicht zu gefährden?

    Im Übrigen wird auch in den Blogeintrag von Herrn Hoenig viel unnötig rein interpretiert. Es ging um zu schnelles Fahren, eine Flucht, einen Wheelie, aber von BTM steht da nichts. Erst jetzt mit der Ampelverbiegaktion kommt Koks ins Spiel. Vielleicht war es einfach sein erstes Mal.

  19. 19
    Moritz says:

    Das erste Mal?
    Ja ne, is klar.

    Ich bin auch sehr zuversichtlich, dass der Mandant bald wieder sein Mopped vor Ihrer Kanzlei abstellen wird.

    Die Dinger funktionieren schließlich auch ohne Fahrerlaubnis.

  20. 20
    RA Punzel says:

    Die Was-wäre-gewesen-wenn-Frage ist eher rechtsphilosophischer Natur. Wäre es einem Zeitreisenden gestattet, den 3-Jährigen Adolf Hitler zu töten, um Schlimmeres zu verhindern? Ab wann „darf“ man einen Mandanten nicht mehr verteidigen, weil seine offensichtliche Uneinsichtigkeit zukünftig noch schlimmere Folgen haben wird? Darf der notorische Schläger nicht mehr verteidigt und ggf. vor einer Gefängnisstrafe bewahrt werden, weil zu befürchten ist, daß er eines Tages jemanden totschlägt?

    In Verkehrssachen ist die Frage ohnehin müßig. Ob man als Verteidiger dazu beiträgt, jemanden die Fahrerlaubnis zu erhalten, spielt im Ergebnis meist keine Rolle, weil diese Kunden im Zweifel auch ohne Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge führen werden. Daß notorische Raser nicht adäquat belangt werden können, liegt eher an den zu mauen Gesetzen, die die Höhe der Bußgelder nicht an das Einkommen und/oder den Wert des eingesetzten Fahrzeugs koppeln, sondern arme und reiche Raser gleich behandeln – zugunsten der Begüterten.

  21. 21
    surfguard says:

    Ich will mal präzisieren;: Mir geht es um den menschlichen Aspekt, der mich wirklich interessiert. Denkt man als Verteidiger darüber nach, ob man jemanden zu oft oder vielleicht sogar zu gut „rausgepaukt“ hat, wenn der am Ende ganz große Scheiße baut?

    Dass jeder Angeklagte eine gute Verteidigung verdient, steht für mich außer Frage. Aber sich komplett aus der Verantwortung für das Urteil zu stehlen und die Last alleine dem Richter aufzubürden, halte ich auch für leichtfertig.

    An diesem Artikel hat mich aber auch der etwas flapsige Ton gestört, der mir unreflektiert erschien.

    An Ampeln stehen ab und an wartende Fußgänger, die bei solchen Unfällen dann gerne mal schwer verletzt oder getötet werden. Das ist gerade hier in Köln bei Unfällen zuletzt mehrmals passiert. Deswegen kommt es mir unpassend vor, in diesem Fall von einem „Stehaufmännchen“ zu reden, das sein „Moped“ (ich verstehe das als Euphemismus für ein schnelles Motorrad, richtig?) bestimmt bald wieder vor der Kanzlei parken wird.