Monatsarchive: März 2012

Gesetz zum Schutz der Identität

So lautet der Titel eines neuen Gesetzes unserer freien, gleichen und brüderlichen Nachbarn. Mit ihren eigenen Worten: Loi relative à la protection de l’identité.

Das Gesetz sieht die Speicherung von Fingerabdrücken in Personalausweisen (Carte d’identité) und Reisepässen vor. Anders als in unserem freiheitlichen und demokratischen Lande sollen zudem die persönlichen und biometrischen Daten dauerhaft in einem Zentralregister vorgehalten werden, auf das unter anderem die Strafverfolgungsbehörden zugreifen können.

Diese wohlklingenden Überschriften formuliert der Gesetzgeber immer dann, wenn er in den Vorschriften genau das Gegenteil dessen regelt, was er vorgibt regeln zu wollen.

Wo „Ministerium für Wahrheit“ drauf steht, darf man nicht erst seit 1984 davon ausgehen, daß dort eben keine Wahrheit drin ist. Garantiert nicht.

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Der Tod als Verfahrenshindernis

Der ehemalige KZ-Aufseher, der 91-jährige John Demjanjuk, verstarb in einem Seniorenheim bei Rosenheim. Im Mai 2012 hatte ihn das Landgericht München wegen Beihilfe zum Mord an mehr als 28.000 Juden zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Gegen dieses Urteil hatten sowohl Demjanjuk, als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, über die der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden hatte. Eine Entscheidung wird es nun auch nicht mehr geben. Das Verfahren wird nach nach § 206a StPO einzustellen zu sein. Strafprozessual gesehen ist der Tod des Beschuldigten ein profanes Verfahrenshindernis.

Es bleibt dann nur noch die Kostenentscheidung, die in § 467 Abs. 1 StPO geregelt ist. Allerdings rechne ich damit, daß die „notwendigen Auslagen“ des Verstorbenen, also seine (Wahl-)Verteidiger-Kosten, nicht der Kasse des Freistaats überbürdet werden.

§ 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO ist da recht knackig: Demjanjuk ist nämlich wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Eben sein Tod. Und der rechtfertigt keine Kostenübernahme durch die Justizkasse. (Da könnte ja jeder kommen.)

Auch vor dem Hintergrund der Tatvorwürfe könnte meiner Ansicht nach schon länger ein Verfahrenshindernis bestanden haben: Die Würde des Menschen. Einen alten, zudem sehr kranken Mann mit einem Verfahren zu überziehen, das er bereits zu Beginn erkennbar nicht überleben wird, ist mindestens unethisch. Selbst wenn er die Rechtskraft erlebt hätte, wäre ihm ein Attest der Haftunfähigkeit sicher gewesen. Auch dann stellte eine Weiterverhandlung ein Verstoß gegen elementare Verfassungs-Prinzipien dar.

Einen Rechtsstaat erkennt man stets am Umgang mit seinem Gegner. Auch und gerade dann, wenn er ein mordender, ehemaliger KZ-Aufseher gewesen sein sollte.

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„In Bayern hätte das so nicht stattgefunden.“

Der Zwischendurch-Mal-Eben-Präsident und bayerisch-stämmige Seehofer Horst, selbstredend Mitglied der dortigen Schon-Immer-Regierungs-Partei, beschwert sich bei unserem Regierenden Partymeister Klaus Wowereit, Member eines linken Clubs, der sich von der Schwesterpartei der Bayern supporten läßt.

Über den Zapfenstreich hat er sich bei Wowie mokiert, den das Berliner Volk dem ehemaligen Bundespräsidenten und jetzigen Ehrensöldner geliefert hatte. Mit den ganzen Vuvuzelas und Trillerpfeifen. Eine unwürdige Störung des würdigen Abschied des Schnäppchenjägers sei das gewesen.

Naja, Schnäppchenjäger hat Herr Seehofer natürlich nicht gesagt. Seine Rede gegenüber der „Welt am Sonntag“ – einem Produkt aus dem Hause Springer, das auch den Mobilfunkanschluß des Bildzeitgungs-Dieckmann finanziert – war von einem „beschämenden“ Auftritt und weiter:

„In Bayern hätte das so nicht stattgefunden.“

Ja-Ne, is klar. Unwürdig, beschämend. Finde ich auch. Und unverschämt.

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Der Klassiker

Aus einem Durchsuchungsprotokoll:

Sowas liest man immer wieder gern. :-(

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Living In The USA

Steve Miller besingt das Leben in den Staaten.

We’re living in a plastic land …

Jeff Smith, früher Senator im Bundesstaat Missouri, beschreibt das Leben in einem amerikanischen Knast.

As your grandma probably taught you, God gave you two ears, two eyes and one mouth — use them in proportion.

Kai Blum faßt die Ratschläge des Amerikaners zusammen.

An die Gefängnisregeln halten, aber unter keinen Umständen Mitgefangene verpfeifen. Auch nicht den Eindruck erwecken. (Keine langen Gespräche mit den Wärtern. Wegsehen, wenn man etwas Verbotenes sieht.)

Ich denke, daß diese Tips – in deutscher oder in amerikanischer Sprache – durchaus auch ihre Berechtigung für den deutschen Justizvollzug haben.

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Markenzeichen

Markenzeichen

Die Beschriftung dieses Titels könnte zu ungewollten Konsequenzen führen. Deswegen lasse ich das jetzt einfach mal ohne Worte wirken.

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Fangfrage

Aus dem Vernehmungsprotokoll in einer Ermittlungsakte:

Eben ein vom Verteidiger gut geschulter Mandant.

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Telefonidentifizierung

Viel- und Ferntelefonierern ist es bekannt. Das Grundrauschen eines Telefonats zwischen Kreuzberg und der Hasenheide in Neukölln hört sich anders an als ein Gespräch mit dem Drogenhändler in Columbien. Und Festnetze klingen anders als Funkverbindungen.

Telefonverbindungen können also identifiziert werden: Jede hat ein eigenes, fast unverwechselbares Audiomuster. Und das könnte helfen, Betrüger zu überführen, die etwa mit gestohlenen Kreditkarten per Telefon shoppen wollen, berichtet Technology Review in seiner Online-Ausgabe.

Ich denke, das dürfte dann auch mit Anrufern möglich sein, die Lösegeld oder das Räumen eines Flughafen fordern bzw. Nachschub für den heimischen Drogenmarkt bestellen.

Einem Bericht von heise online zufolge soll es möglich sein (zumindest aber möglich werden), nicht nur festzustellen, ob jemand aus dem Festnetz oder per Handy anruft, sondern auch, ob ein mobiler Anruf aus Atlanta in Wirklichkeit von einem Telefon in Nigeria gemacht wird.

Es ist mein Reden seit dreiunddreißig: Straftaten und Telefonieren sind nicht kompatibel. Zumindest erleichtern Telefonate die Arbeit der Ermittlungsbehörden ungemein.

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Was es so alles gibt …

Unser Neben-Spezialgebiet, das Motorradrecht, fällt ja schon ein wenig aus der Rolle. So ein Schwerpunkt oder vergleichbare entwickeln sich meist aus dem Hobby des jeweiligen Rechtsanwalts. Pferderecht ist auch noch so eine Spezialität, hinter der man sicherlich einen Reitersmann oder – häufiger – Reitersfrau vermuten darf. Das Jagdrecht fällt mir da auch noch ein. Das macht z.B. der mit uns befreundete Kollege und Jägersmann Andreas Jede.

Ganz neu in der Blogger-Szene ist Lars Ritterhoff, Rechtsanwalt in Freiburg, der wohl sonnigsten Stadt in unserer Republik. Er hat seine reichlichen – technischen – Erfahrungen mit den erneuerbaren Energien zu seinem Schwerpunkt gemacht. Gemeinsam mit seinem Partner Stefan Flaig begleitet er solche Projekte, für die die Juristerei allein nicht ausreicht: Kraft-Wärmekopplung (KWK), BHKW-, Photovoltaik- und Windprojekte, Biogas- und Masse sowie Nahwärmeprojekte. Alles Begriffe, von denen man in einer Juristischen Falkultät nichts hört und nichts liest.

So ist das eben, wenn ein Anwalt seine Freizeit-Spielerei mit in die Kanzlei nimmt. Der Job soll ja auch Spaß machen.

… gut, daß ich jetzt nicht mehr darüber nachdenken muß, warum ich Strafverteidiger geworden bin. ;-)

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Falsche Angaben in der Knolle

Mal eben dem Anwalt eine eMail geschickt und mal eben schnell gefragt. Wieder einmal eine der Fragen, die wir doch gewiß mal eben zwischendurch beantworten könnten.

Wir könnten solche „Mal-Eben-Fragen“ schlicht löschen. Sie nerven schon ein bisschen. Oder mitteilen, daß wir mit dem Beantworten von Fragen unseren Lebensunterhalt und den unserer Mitarbeiterinnen verdienen und eine Kostennote vor der Beantwortung schreiben.

Wir haben uns für die dritte Variante entschieden: Wenn wir schon kostenlos arbeiten, dann sollen alle etwas davon haben – deswegen mal eben diesen Blogbeitrag.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 23.12.2011 habe ich einen Zettel des Ordnungsamtes an meiner Scheibe gefunden. „Parken im Halteverbot (Zeichen 283)“. Auf dem Zettel steht mein Kennzeichen, aber ein anderer Fahrzeugtyp als der Meinige. Am 17.02.2012 bekam ich nun die schriftliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld/Anhörung.

Meine Frage nun:
Habe ich hier eine Chance gegen anzugehen? Ist das Kennzeichen oder der Fahrzeugtyp oder gar beides ein Beweis, dass es sich um mein Fahrzeug handelt?

Da muß dann mal eben der Fachanwalt für Verkehrsrecht dran:

Nur mit viel Glück kommt man aus dieser Geschichte schadlos heraus. Grundsätzlich muss der Bußgeldbescheid bzw. das Verwarnungsgeld alle Daten enthalten, die eine eindeutige Identifizierung ermöglichen. Da liegt es nahe, dass das Kennzeichen als ausreichend angesehen werden wird.

Die freundliche Mitarbeiterin des Ordnungsamtes wird dieses wohl sorgfältig abgeschrieben und eher später am Schreibtisch den Fahrzeugtyp verwechselt haben. Vielleicht kennt sie sich mit Autos nicht so gut aus und hält einen Skoda für eine S-Klasse. Oder den Polo für einen Golf?

Eine reelle Chance auf die Einstellung des Verfahrens hätte man, wenn es ein Fahrzeug wie beschrieben mit einem sehr ähnlichen Kennzeichen geben sollte. Dann könnte man einen einen Schreibfehler beim Kennzeichen nicht mehr ausschließen.

Im Zweifel flüchtet sich die Bußgeldstelle aber in den Kostenbescheid nach § 25 a StVG. Dann bezahlt der Halter nicht das Verwarnungsgeld, sondern eine Gebühr in annähernd gleicher Höhe.

In der Regel kann der Rat daher nur lauten: Mal eben zahlen und schnell wieder vergessen.

… meint Rechtsanwalt Tobias Glienke.

Nachtrag:
Mit „Im Voraus möchte ich mich für Ihre Mühen bedanken!!“ schließt die oben zitierte Anfrage. Das geht in Ordnung.

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