Die richterliche Brechstange

Der Beschuldigte hat Post bekommen. Von der Polizei. Es wird ihm vorgeworfen, eine Straftat begangen zu haben. Es ginge um die Internetpräsentation „www.Ich-habe-keine-straftat-begangen.de„.

Ihm wird von der Polizei Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Verteidigung gegeben. Dazu soll er auf der Polizeidienststelle erscheinen. „Vorladung“ heißt die fette Überschrift auf dem Altpapier.

Er macht – entsprechend beraten – von seinem Recht Gebrauch, sich durch Schweigen zu verteidigen. Und verzichtet auf den Besuch bei der Polizei. Schließlich muß er weder aussagen, noch der Vorladung der Polizei folgen. Dies teilt der Beschuldigte der Polizei auch mit.

In der Folgezeit bekommt der Beschuldigte wiederholt gleichlautende Mitteilungen. Stets geht es um die Internetpräsentation „www.Ich-habe-keine-straftat-begangen.de„. Und stets sagt der Beschuldige nicht aus und geht auch nicht zur Polizei.

Nur noch einmal schreibt er an die Polizei, daß er nicht kommen werde. Auf die weiteren 10 oder 11 Vorladungen reagiert er nicht. Schließlich ist ein Beschuldigter kein Papagei.

Dann war längere Zeit Ruhe. Bis auf vergangene Woche. Da bekommt er wieder eine Ladung. Diesmal vom Gericht. Es geht um die Internetpräsentation „www.Ich-habe-keine-straftat-begangen.de„. Nun soll er vom Gericht als Zeuge gehört werden!

Der Beschuldigte schreibt an das Gericht und erkundigt sich mit wohlklingenden Worten nach dem Gesundheitszustand des Richters. Er werde als Beschuldigter doch jetzt nicht aussagen, nur weil das Gericht im ein Schild um den Hals hängt, auf dem Zeuge steht!

Selbstverständlich darf er auch als Zeuge schweigen, wenn die Gefahr besteht, daß er sich bei einer wahrheitsgemäßen Aussage möglicherweise der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt, § 55 StPO. Und die Gefahr hat sich doch bereits realisiert. Nur: Wenn das Gericht ihn vorlädt, muß er wenigstens erscheinen.

Deswegen beantragt der beschuldigte Zeuge (bzw. der bezeugen-sollende Beschuldigte) die Aufhebung des Termins und seine Abladung. Das Gericht besteht aber auf seinem Erscheinen. Also beauftragt der Beschuldigte einen Rechtsanwalt, ihn als Zeugenbeistand zu begleiten. Beide fahren zum Gericht, sagen dort, daß sie nichts sagen werden und fahren wieder nach Hause.

Man glaubt es nicht, was manche Richter (und wohl die hinter ihnen stehenden Staatsanwälte) sich alles einfallen lassen, um die verfassungsmäßig garantierten Rechte der Bürger zu hintergehen!

Die Kosten für dieses Theaterstück trägt natürlich der Beschuldigte. Das Vergütungsgesetz sieht dafür 250 Euro vor. Auf diesem Wege kann man einen Beschuldigten auch mürbe machen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Kanzlei) veröffentlicht.

13 Antworten auf Die richterliche Brechstange

  1. 1
    ewu says:

    hab kurz gelacht. und dann ists mir vergangen …

  2. 2
    fernetpunker says:

    Klingt nach amerikanischen Zuständen: „in den Zeugenstand berufen“.

  3. 3

    […] richterliche Brechstange Die richterliche Brechstange Kein Wunder wenn bei uns die Abzocker so ein gutes Leben haben. Wenn die Justiz sich mit solchen […]

  4. 4
    peter says:

    wenn das BVerfG es zuläßt, dass DE zum Geberland einer europ. Transferunion wird, dann habe ich den letzten Glauben in das Recht verloren. Und dann wird sehr vielen das Lachen vergehen. Vor diesem Hintergrund: wir leben bereits in einer Bananenrepublik. In den „unteren Rängen“ gibt es noch die Illusion von Recht und Rechtsstaat, auf europ. Ebene folgt das Recht längst dem polit. Willen (egal wie oft es dafür geändert werden muss, ohne Zustimmung des Volkes versteht sich).
    Für den beschuldigten Zeugen (kleines Wortspiel) natürlich unangenehm, aber letztlich nur Spiegelfechterei.

  5. 5
    Autofahrer says:

    Neben den Weltuntergangstheorien der Vorkommentatoren, machen sich meine kleinen Fragen eher unbedeuten aus:

    1.) 250 Euro für den Rechtsanwalt oder an Gerichtskosten?
    2.) Wenn ich als Zeuge/Beschuldigter/Whatever hinfahre und nichts sagen möchte, brauche ich dann einen Anwalt?

  6. 6
    klabauter says:

    55 berechtigt ja nicht unbedingt zu einer Totalverweigerung, sondern es hängt – möglicherweise vom dem Zeugen nicht bekannten Verfahrensstand – (Einlassung des Angeklagten z.B.) ab, zu welchen Punkten der Zeuge vernommen werden soll und zu welchen er dann ein AVR hätte.
    Wenn der Zeuge meint, dass er einen Beistand braucht, ist es nun mal sein Risiko, die Kosten dafür tragen zu müssen. Was das mit „mürbe machen“ zu tun hat (er hat doch aufgrund der hervorragenden Beratung von Beginn an nichts gesagt und wurde nicht zermürbt) zu tun hat?

  7. 7
    Kollege says:

    @Autofahrer:

    1.) Gemeint sein dürften Rechtsanwaltskosten, auf denen der „Zeuge“ selbst sitzen bleibt.

    2.) Natülich können Sie auch alleine schweigen. Die Frage ist nur, wie man das durchhält und ob man das Richter und/oder Staatsanwalt klarmachen kann, die einen möglicherwiese davon überzeugen wollen, dass man kein Recht hat, zu schweigen.

  8. 8
    Der irre Ire says:

    Blöd. Ich bekomme immer:

    „Die von Ihnen aufgerufene Adresse http://www.ich-habe-keine-straftat-begangen.de/ ist zurzeit nicht erreichbar. Bitte überprüfen Sie die korrekte Schreibweise der Webadresse (URL) und versuchen Sie dann die Seite neu zu laden.“

    :-)

  9. 9
    Autofahrer says:

    @Kollege

    Vielen Dank!

    Nachfrage zu 1.)
    Wenn der Betreffende unschuldig ist, bzw. nicht verurteilt wird, kommt dann nicht die Staatskasse für die Kosten auf?

    zu 2.)
    Könnte schwierig werden, da stimme ich Ihnen zu.

  10. 10
    Micha says:

    Denic: Die Domain „ich-habe-keine-straftat-begangen.de“ ist nicht registriert.

  11. 11
    MaxR says:

    Welcher Beschuldigte?
    Ich denke, er war Zeuge?

  12. 12
    RA JM says:

    @ micha:
    Vielleicht nicht mehr – ein Erfolg strafverfolgungsbehördlichen Wirkens.

    Im Übrigen: Ekelhafte Arroganz der Macht !

  13. 13
    RA Anders says:

    Ich hatte gerade letzte Woche eine ähnliche Situation. Dass für den § 55 StPO die Möglichkeit einer Straftat ausreicht, wollte das Gericht nicht so ernst nehmen. Das laufende Ermittlungsverfahren war dem Gericht nicht genug zur Annahme des § 55 StPO, wobei es bei mir die Besonderheit gab, dass das Ermittlungsverfahren eines wegen uneidlicher Falschaussage in erster Instanz war und der Zeuge zur Berufungsverhandlung geladen war.

    Besonders absurd ist, dass man nicht als Zeugenbeistand beigeordnet wird, weil der Zeuge ja schon vor seiner Vernehmung einen Anwalt gewählt hat.
    Von der Kostenseite, muss man dem Mandanten also empfehlen, ohne Anwalt in den Termin zu gehen und dann eisern zu schweigen.

    Dass das allerdings gut geht, wage ich zu bezweifeln.