Monatsarchive: März 2011

Beugehaft gegen ehemaligen Rechtsanwalt

Das OLG Stuttgart hat gegen den ehemaligen Heidelberger Rechtsanwalt Siegfried Haag, früheres RAF-Mitglied, eine Beugehaft von (bis zu) sechs Monaten sowie eine Geldstrafe verhängt.

Haag soll im „Buback-Prozess“ gegen Verena Becker als Zeuge aussagen. Wie alle anderen Zeugen, die der RAF zugeordnet werden, verweigerte er die Aussage; das Gericht vertritt die Ansicht, daß Haag ein Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO nicht zustehe, weil er an den unmittelbaren Vorbereitungen des Mords an Generalbundesanwalt Buback im Jahre 1977 nicht beteiligt gewesen sei.

Ob Haag die Beugehaft absitzen muß, entscheidet demnächst der Bundesgerichtshof: Haag hat Beschwerde erhoben gegen die Anordnung der Zwangsmittel.

Das Aussageverhalten Haags gleicht dem Verhalten der anderen RAF-Mitglieder, die in diesem Verfahren als Zeugen gehört werden sollten: Sie schwiegen.

Die Besonderheit bei Haag im Vergleich zu den anderen Zeugen ist allerdings seine Erklärung, die er kurz vor seiner Entlassung aus der Strafhaft (15 Jahre Freiheitsstrafe u.a. wegen Beihilfe zum Mord) abgegeben hat:

Die Handlungsweise der RAF hat sich als falsch herausgestellt. Ich bin zu der Gruppe gestoßen mit der Überzeugung, mal sehen, ob es klappt. Es hat all die Jahre gebraucht, um zu dem Ergebnis zu kommen, diese Politik muss ich aufgeben, sie ist falsch.

(Zitiert nach Wikipedia)

Es bleibt also abzuwarten, ob Haag sich ggf. doch noch beugen läßt …

Weitere Informationen über das Buback-Verfahren und das Verhalten der anderen Zeugen liefert Holger Schmidt in seinem Weblog „Terrorismus in Deutschland„.

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Unzuständigkeit

Die Strafanzeige landete auf dem Tisch der Abteilung 51 bei der Staatsanwaltschaft. Offenbar hatte man aber keine Lust Zeit freie Kapazität für die Bearbeitung der Sache. Und für diese Zwecke gibt es einen Textbaustein:

Es ist der Klassiker des Öffentlichen Dienstes:

„Wieso denn ich schon wieder?“

… womit als erstes eine zielorientierte Prüfung der eigenen Unzuständigkeit eingeleitet wird. In diesem Fall hat’s funktioniert.

Wenn das mal kein böser Fehler war.

Nebenbei:
Worum es bei diesem Modesta-Projekt geht, kann man in einem Bericht von Katja Füchsel im Tagesspiegels vom 13.10.2007.

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Die DNA-Probe, wie sie leibt und lebt

Vor ein paar Jahren wurde der Mandant ED-behandelt, also einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen. Mit allem Drum und Dran. Als es im aktuellen Fall um die Frage einer DNA-Probe ging, notierte der Ermittlungsbeamte folgenden Hinweis:

Der Mandant wurde in der Folge unbehandelt entlassen. Man hatte seine DNA und alles weitere ergab sich aus der Spurensicherung der Polizei:

Für den Ermittler war der Fall klar. Er schloß die Akte und gab sie weiter an die Staatsanwaltschaft, die dann Anklage erhob.

Etwa 18 Monate nach der angeblichen Tat fand der Hauptverhandlungstermin statt. Reichlich Zeugen waren geladen, der Mitangeklagte war auch erschienen und aussagebereit. Die Zeugen konnten zu dem Mandanten nichts sagen, der Mitangeklagte bekundete, daß der Mandant nichts mit der Sache zu tun hatte. Es kam also darauf an, was der DNA-Vergleich ergab.

Das Ergebnis der kriminaltechnischen Auswertung fehlte in der Akte. Beziehungsweise es konnte noch nicht „nachberichtet“ werden:

18 Monate lang hatte man also noch keine Gelegenheit, ein paar Moleküle miteinander zu vergleichen.

Das ist der öffentliche Dienst, wie er leibt und lebt. Auf der eine Seite werden Speichel- und sonstige Proben auf Teufel komm raus gesammelt und auf der anderen Seite ersticken die Ermittler in den auf diesem Weg angelegten Datensammlungen, die in ihrer Menge einfach nicht mehr bearbeitet werden können.

Das Verfahren mußte ausgesetzt werden, damit die DNA-Auswertung als Beweismittel in das Verfahren eingeführt werden kann. Dazu wird dann ein „neuer Termin von Amts wegen“ bestimmt, zu dem dann wieder alle Zeugen geladen werden. Das Mißmanagement in der einen Abteilung verbraucht die Ressourcen in der anderen Abteilung. Öffentlicher Dienst eben.

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Raumfahrtrecht

Kanzlei für Motorradrecht ist schon – wie ich eigenwerbend und selbstlobend finde – eine recht gute Marketing-Idee.

Eine mit großem Abstand bessere hatte der Kollege Dr. Roderic Ortner: Rechtsanwaltskanzlei für Luft- und Raumfahrtrecht.

Nicht nur, daß er damit im Spiegel gelandet ist, sondern er hat auch noch den 5. Soldan Kanzlei-Gründerpreis für diese Idee bekommen.

Neidlose Gratulation aus Kreuzberg nach Köln!

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Wurzelspitzenresektion

Die Wurzelspitzenresektion (WSR, auch Apektomie, Wurzelspitzenamputation) ist eine Entfernung (Resektion) einer Wurzelspitze (Apex) des Zahnes.

Quelle: Wikipedia

Hmpf.

Update:
24 Stunden, 4 Schmerztabletten und reichlich Chlorhexamed später geht es jetzt wieder mit dem Sprechen. Das mit dem klaren Denken folgt dann gewiss noch …

Besten Dank @all für die Anteilnahme!

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Stephan Lucas: Resolution der Strafverteidiger

Die Resolution zum Prozess gegen Rechtsanwalt Stephan Lucas vor dem Landgericht Augsburg wurde von der weit überwiegenden Mehrheit der über 800 Teilnehmer am 35. Strafverteidigertag angenommen.

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Obiter dictum, Kollege Stephan Lucas

… hatte der 1. Senat zusätzlich angemerkt, dass er

„mit Befremden zur Kenntnis nehme, dass er mit unwahrem Vorbringen konfrontiert wurde“.

Quelle: Nack, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof

Manchmal haben Personen, die als charakterlich unverdächtig erscheinen, gerade einen triftigen Grund zur Lüge: Wenn sie die Wahrheit sagten, wäre es um ihren guten Ruf geschehen.

Quelle: Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht: Glaubwürdigkeits- und Beweislehre, Vernehmungslehre. Ein Leitfaden für die Praxis

Weitere Informationen zu diesem Angriff der Justiz auf die freie Advokatur:

Ich will’s nicht hoffen, daß demnächst (wieder?) Strafverteidiger, die eine andere Ansicht als Strafrichter vertreten, als Straftäter verfolgt werden.

Update:
Eine weitere gute, lesenswerte Zusammenfassung des Verfahrens, bestehend aus eigener Beobachtung und Zitaten aus den Prozeßberichten anderer Kollegen und Medien, liefert auch der Nürnberger Strafverteidiger Dr. Tobias Rudolph.

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Fundstück

Beim Aufräumen gefunden:

Kann die noch jemand gebrauchen?

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Dominospiel bei der Strafkammer

Nachdem bekannt wurde, daß ein türkisches Fax nicht als Beweismittel genutzt werden durfte, sondern nur der polizeiinternen Neugierde dienen sollte:

hat man sich die Akten noch einmal genau angeschaut. Und dann purzelten die Dominosteine:

Die einzig richtige Konsequenz:

Und es gibt sie also doch, die Beweisverwertungsverbote …

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Haftbedingungen oder Folter?

In der JVA Celle wird ein Inhaftierter fast 16 Jahre in Einzelhaft festgehalten. Nun soll er in die Freiheit entlassen werden. Die JVA tut nichts, um ihn darauf vorzubereiten.

berichtet Kai Schlieter in der taz.

Weiter heißt es in dem Artikel:

Der Mann ist seit Mai 1995 in Einzelhaft, isoliert von allen anderen Inhaftierten. Die Direktorin des Instituts für Sanktionenrecht und Kriminologie der Universität Kiel, Monika Frommel, hatte dazu gesagt: „Das ist ein Fall von Folter.“

Das sieht die JVA anders:

Erst im November 2010 wurde ihm eine Vollzugslockerung angeboten: Er darf von nun an mit einem anderen Inhaftieren auf den Freistundenhof und die Küche benutzen.

Na, herzlichen Glückwunsch!

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