Die Forderung des Ex-Mandanten

Im Mai 2009 habe ich dem Mandanten die Bestätigung der Staatsanwaltschaft geschickt, daß das gegen ihn geführte Verfahren eingestellt worden ist. Man hatte ihm vorgeworfen, im besoffenen Kopf den Kunden eines Kiosks mit beschuhtem Fuß in die Weichteile getreten zu haben.

Der anschließende Kontakt zwischen dem Mandanten und den beiden Polizeibeamten hatte dann auch einen gewissen Unterhaltungswert. In der Strafanzeige war zu lesen:

Er schrie herum und bezeichnete die polizeilichen Maßnahmen als „Bullenscheiße“. Weiter äußerte er gegenüber den eingesetzten Beamten:“ Ihr seid genau solche Nazis, wie die „Bayernbullen!“

Gefährliche Körperverletzung, einfache Körperverletzung, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte stand auf dem roten Deckel der Ermittlungsakte.

Mit einigen Klimmzügen und viel Glück war es mir gelungen, dem Staatsanwalt eine Einstellung gegen Zahlung von 150 Euro (ja, in Worten: einhundertundfünfzig) aus dem Kreuz zu leiern. Diese Auflage hat der Mandant auch erfüllt, deswegen wurde das Verfahren endgültig eingestellt. Das Mandat war abgeschlossen, habe ich dem Mandanten stolz wie Oskar mitgeteilt.

Glück gehabt, dachte ich mir. Und hatte eigentlich einen zufriedenen Mandanten erwartet. Eine Reaktion kam aber erst im Dezember 2009, also sieben Monate später. Da verlangte (ja, verlangte) der Mandant erst eine erneute Besprechung über den Fall und dann sollte ich ihm auch nochmal die gesamte Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft besorgen. Dazu war ich jedoch nur nach Einwurf weiterer Münzen bereit. Irgendwie schien mein Ansinnen ihm nicht gefallen zu haben, denn gestern erhielt ich Post von ihm:

Sehr geehrter Herr Hönig,

Da Sie ‚die Sache‘ – wie von ihnen mitgeteilt – als abgeschlossen betrachten sind die bei ihnen vorhandenen Akten und Aufzeichnungen für Sie nicht mehr relevant. Ich fordere Sie deshalb auf mir diese unverzüglich, spätestens jedoch bis 25.1.2010 vollständig zu übersenden.

Mit freundlichen Grüßen

Wenn er höflich darum gebeten hätte, wäre es überhaupt kein Problem gewesen, ihm die Dateien noch einmal auszudrucken oder sonstwie zur Verfügung zu stellen, und das, obwohl er bereits während der Bearbeitung des Mandats von jedem Schriftstück, das rein- oder rausgegangen ist, eine Kopie erhalten hat. Das Original der Einstellungsmitteilung hat er auch bekommen. Wenn mir einer allerdings auf diese Tour kommt, dann [zensiert].

Manchmal ärgere ich mich nachträglich über eine erfolgreiche Verteidigung. Diesmal aber richtig.

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Verkehrsüberwachung durch die Kripo

Zwei Moppedfahrer, eine Honda und eine Suzuki, haben ein ziviles Polizeifahrzeug, einen Opel, überholt. Alle drei waren etwas flott in der Stadt unterwegs, der Opel mit etwa 80 km/h. In dem Bußgeldverfahren stellt sich nun die Frage: Wie schnell war der Hondafahrer? Die Polizeibeamten hatten die Geschwindigkeit durch Hinterherfahren „gemessen“.

Die Ermittlungsakten geben Auskunft:

Ermittlungsakte Honda:

Kurz hinter dem beschriebenen Kreuzungsbereich beschleunigte das Krad nochmals erheblich, so dass nach einer Fahrstrecke von 250 Meter in Höhe der Graf-Gluffke-Straße ein Höchstwert von unserem Tacho des Zivilfahrzeug von über 130 km/h abgelesen werden konnte.

Die dortige Lichtzeichenanlage schaltete kurz vor dem Überqueren auf Gelblicht. Das Krad fuhr hinter einem anderem Krad, Suzuki, mit gleicher Geschwindigkeit wie o.a., in einem Abstand von ca drei Fahrzeuglängen hinterher.

Also: Die Honda fährt hinter der Suzuki. Als die Honda an die Kreuzung kommt, schaltet die Ampel von grünem auf gelbes Licht um. Aha.

Nun die Ermittlungsakte Suzuki:

Kurz hinter dem beschriebenen Kreuzungsbereich beschleunigte das Krad nochmals erheblich, so dass nach einer Fahrstrecke von 250 Meter in Höhe der Graf-Gluffke-Straße ein Höchstwert von unserem Tacho des Zivilfahrzeug von über 130 km/h abgelesen werden konnte.

Die dortige Lichtzeichenanlage wurde bei augenscheinlich unverminderter Geschwindigkeit bei Rotlicht überquert.

Also: Die Suzuki fährt bei Rotlicht. Vor der Honda, die bei Gelblicht über die Ziellinie gefahren ist.

Hmmm. Es kann natürlich sein, daß die Ampel an der Kreuzung Graf-Gluffke-Straße anders wie sonst üblich – nach grün kommt gelb kommt rot – geschaltet ist, etwa nach grün kommt rot kommt gelb. Oder so ähnlich.

Besser wäre es aber auf jeden Fall, wenn die beiden Kriminalbeamten, die da in dem Opel unterwegs waren, die Verkehrsüberwachung künftig den geschulten Kollegen vom Verkehrsdienst überließen. Die kennen im übrigen auch die Spielregeln, die sich das Kammergericht für die Messung durch Hinterherfahren (250 Meter reichen nicht!) ausgedacht hat. Die Kripo ist dafür da, Straftäter zu ermitteln.

Wenn nicht feststeht, wer nun vorn und wer hinten gefahren ist, gilt der Zweifelsgrundsatz: Die Honda fuhr vorn (was durch das Gelblicht bestätigt wird). Dann fuhr die Suzi zwischen dem Polizeiauto und der Honda. Und auch das führt zu einer unzulässigen – unverwertbaren – Messung der Honda. Das Verfahren ist einstellungsreif.

Manchmal reicht es nicht aus, sich nur eine Akte anzuschauen; der Blick ins Parallelverfahren bietet öfters mal Anlaß zur Freude.

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Huch!

Es könne in Einzelfällen zu Fehlern kommen, räumt der Personalrat des Landeskriminalamtes (LKA) ein. „Wenn jemand immer nur in Hektik arbeitet, kann er auch mal was vergessen“, sagt Personalratschef Werner Thronicker.

Sabine Deckwerth und Andreas Kopietz berichten in der Berliner Zeitung über die Ursache dafür, daß die Schüler Yunus K. und Rigo B. sieben Monate wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft saßen.

Noch so einer:

Chef-Ermittler Haeberer räumt ein: „Wir bestreiten nicht, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch besser werden können. Aber was wir nicht verhindern können, ist die Lebenswirklichkeit, nämlich dass ein Zeuge die von ihm beobachtete Person nach der Tat auch für wenige Sekunden aus dem Auge verlieren kann.“

Tja, wo gehobelt wird, da fallen schon ‚mal Knastüren in’s Schloß. So ist das …

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Nächste Woche in Moabit

Was es in der kommenden Woche im Kriminalgericht zu sehen und zu hören gibt, faßt Berlin Kriminell in einer Übersicht zusammen.

Bemerkenswert an dieser Aufstellung:

    Freitags scheint recht wenig zu tun zu sein … in der öffentlich-rechtlich organisierten Hochburg der Berliner Kriminalität.
    Und: Die Strafsache, in der ich am Dienstag und Donnerstag unterwegs sein werde, wird von der Justizpressestelle nicht annonciert. Die Gründe dafür denke ich mir mal … ;-)
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Gartenlokal

Es gibt Tage, da trinken selbst die Kreuzberger ihre Latte nicht mehr draußen.

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Die Jahre des Affen

Ein Fabel zum Wochenende:

Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, wollte er die Lebenszeit aller Kreaturen bestimmen. Dem Esel, dem Hund, dem Affen und dem Menschen gab er je dreissig Jahre. Der Esel wusste, dass ihn ein mühseliges Dasein erwartete, daher bat er, ihm seine Lebenszeit zu verkürzen. Da erliess ihm Gott achtzehn Jahre. Der Hund und der Affe beklagten sich ebenfalls über ein zu langes Leben, und so wurde die Lebenszeit des Hundes um zwölf, die des Affen um zehn Jahre gekürzt.

Der Mensch hingegen fand, dass dreissig Jahre zu wenig seien. Daraufhin gab Gott ihm die Jahre, die er dem Esel, dem Hund und dem Affen weggenommen hatte, also lebt der Mensch siebzig Jahre. Die ersten dreissig sind seine, die menschlichen Jahre, in denen er gesund ist, mit Lust arbeitet und sich seines Daseins erfreut. Die nächsten sind die mühseligen Jahre des Esels, in denen er sich für andere abrackert und dafür nur Schläge und Tritte bezieht. Denen schliessen sich die Jahre des Hundes an, er liegt nur in der Ecke, knurrt und hat keine Zähne zum Beissen mehr. Zuletzt kommen die Jahre des Affen, da wird der Mensch zu einem alten Narren und zum Gespött der Kinder

Quelle: Dubravka Ugreši? via NZZ

Ich kenne aber auch ein paar Leute, die sich bereits im besten Mannesalter zum Affen machen.

Link gefunden bei Markus Felber (felnzz)

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Blogger-Meute

Ein Konzern, der sich mit einem einzelnen Blogger anlegt, kämpft in Kürze gegen eine ganze Meute an Internetautoren. Diese haben Kontakte zu klassischen Medien, einige von ihnen sind Rechtsanwälte und Journalisten, die ihrem bedrohten Blogger-Kollegen mit Tipps helfen.

Quelle: Süddeutsche

Was dabei herauskommen kann, wenn sich ein Unternehmen daneben benimmt, wird an der Suche bei Google nach dem Unternehmen „Exitfilm“ oder nach „Concordia albern“ deutlich. ;-)

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Ouri Jallow und die Stimmung in Dessau

Am 7. Januar 2005 verstarb der in Sierra-Leone geborene Ouri Jallow in einer Gewahrsamszelle des Polizeireviers Dessau an den Folgen eines durch den Brand der Matratze, auf der er fixiert worden war, ausgelösten Inhalationshitzeschocks.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten, der als Dienstgruppenleiter die Verantwortung für den Gewahrsamsbereich getragen habe, zur Last gelegt, er habe es unterlassen, sofort nach dem Ertönen des Alarmsignals des Rauchmelders Rettungsmaßnahmen einzuleiten, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass beim Ansprechen eines Rauchmelders stets vom Ausbruch eines Feuers auszugehen sei. Dabei habe er mögliche Verletzungen Ouri Jallows durch Rauch- und Feuereinwirkung billigend in Kauf genommen.

Das Landgericht Dessau-Roßlau hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge im Amt freigesprochen. Es sei weder erwiesen, dass der Angeklagte Körperverletzungsvorsatz gehabt habe, noch sei nachweisbar, dass der Angeklagte durch ein sofortiges Eingreifen den Tod Ouri Jallows hätte vermeiden können.

Das ist der trockene Bericht des Bundesgerichtshofs in seiner Pressemitteilung vom 7. Januar 2010 über ein Verfahren, das sich in Dessau im Land Sachsen-Anhalt abspielte.

Über Mouctar Bah, der väterliche Freund von Ouri Jallow, seine Bemühungen um die Aufklärung des Vorfalls und seine Erfahrungen in Dessau berichtet heute Michael Bartsch in der taz:

Mit seinem Engagement gilt er Behörden wie auch Einwohnern in Dessau offenbar als Störenfried. Um sein 2003 in der Naumannstraße im südlichen Stadtzentrum Dessaus eröffnetes Telecafé ist eine Art Stellvertreterkrieg entbrannt. Es ist zum Anlaufpunkt für viele hier lebende Afrikaner geworden. Doch es gab Nachbarn, die sich über „Negerpisse“ beschwerten und auch mal tätlich wurden, und es gab mehrere Anzeigen gegen Inhaber Bah, die jedoch alle ins Leere liefen.

Auch die Stadtverwaltung sieht ihn offenbar als Nestbeschmutzer an. Unter dem Vorwand, den Drogenhandel zu begünstigen, wurde Bah wegen „charakterlicher Nichteignung“ die Lizenz für den Laden entzogen.

Soweit die Stimmung in Desslau, in deren Kontext auch das Urteil des Landgerichts zu sehen ist.

Offenbar ist es dem Landgericht Dessau-Roßlau in seinem Urteil vom 8. Dezember 2008 nicht gelungen, Mouctar Bah und den Bundesgerichtshof davon zu überzeugen, sauber gearbeitet zu haben. Der BGH begründet in der Pressemitteilung die Aufhebung des schlampig begründeten Urteils des Landgerichts:

Nach den Urteilsausführungen ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Brand der Matratze im Einzelnen entwickelt hat. Insbesondere bleibt unklar, ob ein vom Landgericht angenommenes „Anschmoren“ des Matratzenbezuges ohne Verbrennungen der Hand und entsprechende Schmerzenslaute möglich wäre, die den Angeklagten zu einem frühzeitigen Eingreifen hätten veranlassen müssen. Zudem hat das Landgericht bei der Bemessung der für die Rettung Ouri Jallows zur Verfügung stehenden Zeit nicht bedacht, dass der Rauchmelder bereits Minuten vor dem Entzünden der Schaumstofffüllung der Matratze, das innerhalb von zwei Minuten zu einem tödlichen Inhalationsschock führte, möglicherweise bereits dadurch ausgelöst worden war, dass der schwer entflammbare Matratzenbezug zunächst unter Verwendung eines Gasfeuerzeuges angeschmolzen wurde, um die Schaumstofffüllung freizulegen. Dann hätte der Angeklagte aber möglicherweise den Todeserfolg verhindern können, wenn er sofort nach dem Alarm die erforderlichen Rettungsmaßnahmen eingeleitet hätte. Der 4. Strafsenat hat im Übrigen die Annahme des Landgerichts beanstandet, der Angeklagte habe sich pflichtgemäß verhalten, obwohl er den Alarm zunächst wegdrückte, anschließend ein Telefongespräch mit seinem Vorgesetzen führte und danach auf dem Weg zu dem Gewahrsamsbereich umkehren musste, weil er vergessen hatte, die Fußfesselschlüssel mitzunehmen.

Die Geschichte wird – fünf Jahre nach dem Tod von Ouri Jallow – nun in Magdeburg wieder neu verhandelt. Es bleibt zu hoffen, daß das dortige Landgericht die Chance erkennt und wahrnimmt, die Umstände des Todes mit der gebotenen emotionsfreien Sorgfalt aufzuklären.

Dies steht nicht zuletzt auch im Interesse der Dessauer Polizei, um deren Ansehen sich Innenminister Holger Hövelmann (SPD) bemüht, der das Bild der Polizei in Sachsen-Anhalt generell zu verbessern versucht.

Hier wird es das Urteil des 4. Strafsenats vom 7.1.2010 – 4 StR 413/09 – geben, sobald es geschrieben ist.

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Verlierer, schlechter

Der Mandant hatte seinem früheren Verteidiger Rechtsanwalt das Mandat entzogen, mich mit seiner Verteidigung beauftragt und den Kollegen gebeten, die ihm überlassenen Unterlagen direkt an unsere Kanzlei zu senden.

Das hat er dann auch gemacht. Ohne Anschreiben, ohne nichts; einfach die Anklage in eine gebrauchte Tüte gepackt, mit Packband zugeklebt und die Adressen auf die Tüte geschrieben geschmiert.

Offenbar hatte er schlechte Laune. Dabei hatte ich mit dem Anwaltswechsel nichts zu tun; ich habe erst durch diese Zusendung erfahren, daß der Mandant bereits jemand anderes beauftragt hatte. Nun kann ich aber nachvollziehen, warum er bei diesem Anwalt nicht bleiben wollte.

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Nicht ideal gelaufen

Es war der Zeitpunkt der Abrechnung. Am 20. Tag des Prozesses gegen die wegen eines Molotowcocktail-Wurfes angeklagten Yunus K. und Rigo B. nahmen Verteidigung und Richter den Ermittlungsführer der Polizei in die Mangel. Der 38-jährige Staatsschutzbeamte Mario G. räumte schließlich Versäumnisse ein. Die Ermittlungen seien „nicht ideal gelaufen“.

berichtet Konrad Litschko in der taz.

Nicht ideal, weil:

Das sei in der Fließbandarbeit des 1. Mai wohl untergegangen, räumt Mario G ein.

Die Leute per Fließbandarbeit in den Knast stecken und mit einem Schwurgerichtsverfahren überziehen. Tolle Wurst.

Und noch so ein Klops:

Ob er damit sagen wolle, bohrt Verteidiger Stefan König nach, dass er nicht ausreichende Kapazitäten zur Verfügung gehabt habe, um das Verfahren angemessen zu bearbeiten? „Wenn Sie so wollen, ja“, brummelt Mario G. Es habe allerdings auch keinen Anlass gegeben, an den „sehr detaillierten“ Aussagen zweier Polizisten – der Hauptbelastungszeugen – zu zweifeln.

Kein Anlaß zu Zweifeln. Das kennt jeder Verteidiger, der es mit Polizeizeugen vor Gericht zu tun hat.

Es bleibt zu hoffen, daß dieses Verfahren in die Lehrbücher eingeht. Und zwar in die von Polizeibeamten, Richtern und Staatsanwälten.

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