Verkehrsüberwachung durch die Kripo

Zwei Moppedfahrer, eine Honda und eine Suzuki, haben ein ziviles Polizeifahrzeug, einen Opel, überholt. Alle drei waren etwas flott in der Stadt unterwegs, der Opel mit etwa 80 km/h. In dem Bußgeldverfahren stellt sich nun die Frage: Wie schnell war der Hondafahrer? Die Polizeibeamten hatten die Geschwindigkeit durch Hinterherfahren „gemessen“.

Die Ermittlungsakten geben Auskunft:

Ermittlungsakte Honda:

Kurz hinter dem beschriebenen Kreuzungsbereich beschleunigte das Krad nochmals erheblich, so dass nach einer Fahrstrecke von 250 Meter in Höhe der Graf-Gluffke-Straße ein Höchstwert von unserem Tacho des Zivilfahrzeug von über 130 km/h abgelesen werden konnte.

Die dortige Lichtzeichenanlage schaltete kurz vor dem Überqueren auf Gelblicht. Das Krad fuhr hinter einem anderem Krad, Suzuki, mit gleicher Geschwindigkeit wie o.a., in einem Abstand von ca drei Fahrzeuglängen hinterher.

Also: Die Honda fährt hinter der Suzuki. Als die Honda an die Kreuzung kommt, schaltet die Ampel von grünem auf gelbes Licht um. Aha.

Nun die Ermittlungsakte Suzuki:

Kurz hinter dem beschriebenen Kreuzungsbereich beschleunigte das Krad nochmals erheblich, so dass nach einer Fahrstrecke von 250 Meter in Höhe der Graf-Gluffke-Straße ein Höchstwert von unserem Tacho des Zivilfahrzeug von über 130 km/h abgelesen werden konnte.

Die dortige Lichtzeichenanlage wurde bei augenscheinlich unverminderter Geschwindigkeit bei Rotlicht überquert.

Also: Die Suzuki fährt bei Rotlicht. Vor der Honda, die bei Gelblicht über die Ziellinie gefahren ist.

Hmmm. Es kann natürlich sein, daß die Ampel an der Kreuzung Graf-Gluffke-Straße anders wie sonst üblich – nach grün kommt gelb kommt rot – geschaltet ist, etwa nach grün kommt rot kommt gelb. Oder so ähnlich.

Besser wäre es aber auf jeden Fall, wenn die beiden Kriminalbeamten, die da in dem Opel unterwegs waren, die Verkehrsüberwachung künftig den geschulten Kollegen vom Verkehrsdienst überließen. Die kennen im übrigen auch die Spielregeln, die sich das Kammergericht für die Messung durch Hinterherfahren (250 Meter reichen nicht!) ausgedacht hat. Die Kripo ist dafür da, Straftäter zu ermitteln.

Wenn nicht feststeht, wer nun vorn und wer hinten gefahren ist, gilt der Zweifelsgrundsatz: Die Honda fuhr vorn (was durch das Gelblicht bestätigt wird). Dann fuhr die Suzi zwischen dem Polizeiauto und der Honda. Und auch das führt zu einer unzulässigen – unverwertbaren – Messung der Honda. Das Verfahren ist einstellungsreif.

Manchmal reicht es nicht aus, sich nur eine Akte anzuschauen; der Blick ins Parallelverfahren bietet öfters mal Anlaß zur Freude.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeiten, Polizei veröffentlicht.

8 Antworten auf Verkehrsüberwachung durch die Kripo

  1. 1
    Zivilrechtler says:

    Gute Arbeit.

  2. 2
    Chak says:

    Da fährt also ein ziviles Polizeifahrzeug mit 130 durch die Stadt? Mit oder ohne Blaulicht?

  3. 3
    wirr says:

    hat mal wer nachgesehen ob die Ampel richtig rum hängt? O_O

    Das kann doch gar nicht sein, das Polizisten(!) sich bei ihren Zeugenaussagen irren oder gar falsches Berichten.

  4. 4
    isi says:

    @Chak #2

    viel interessanter scheint mir eigentlich, daß die Jungs, bevor ihr Jagdeifer geweckt wurde, so ~ 80 gefahren sein wollen… In der Stadt. Vermutlich bei 50er-Limit, oder?

  5. 5
    knilch says:

    Ausgezeichnete Arbeit!

  6. 6
    Ö-buff says:

    Ist doch wohl klar, dass sich der letzte Satz aus der Suzuki-Akte auf den Polizei-Opel bezieht, oder? ;)

  7. 7
    Moritz says:

    Kann man das Verfahren eigentlich mit der Auflage einstellen, sich zwingend einen Organspenderausweis zuzulegen?

  8. 8
    andy says:

    @wirr, o ja kann.
    Ich glaube hier wird nichts „falsches“ berichtet absichtlich, sondern die Polizisten kennen sich in ihrem eigenen selbstgeschaffenen Schwurbel-Polizeideutsch nicht mehr aus.
    Das ist mir augenscheinlich in meine Sehorgane getreten dass die Formulierungskomplexität hinsichtlich der Tatörtlichkeit eine Verunmöglichung einer klaren Aussage erzeugt.