Die Staatsanwaltschaft konnte sich nicht entscheiden. War’s ein Diebstahl? Oder eine Hehlerei? Egal, hauptsache Anklage, irgendwas wird schon hängenbleiben bei der Wahlfeststellung durchs Gericht. So der unterstellte Gedanke der Strafverfolger.
Aus Sicht der Verteidiung sah es laut Akte allerdings sehr dünn aus, was die Beweislage anging. Der Mandant bestreitet gegenüber seinem Verteidiger, ein Dieb oder Hehler zu sein. Er verteidigt sich auf anwaltlichen Rat im Verfahren durch Schweigen.
Richtig überzeugend war das, was dann die Beweisaufnahme im ersten Anlauf vor Gericht brachte, auch aus Sicht der Richterin nicht. Deswegen holte sie die weiße Fahne heraus und machte dem Angeklagten ein Angebot, das in Moabit sehr oft gemacht wird, wenn der Tatnachweis nicht geführt werden kann.
Das Verfahren gegen den Mandanten sollte eingestellt werden. Sonst müsse das Gericht Nachermittlungen veranlassen.
Eine Einstellung hat für das Gericht den Vorteil: Eine erledigte Sache mehr (hallo PEBB§Y!), es muß kein Urteil geschrieben werden und die Kosten der Verteidigung bleiben beim Angeklagten hängen, nicht bei der Justizkasse.
Der Verteidiger und sein Mandant betrachteten das Ganze ziemlich gelassen. Sie waren mit der Einstellung nicht einverstanden: „Dann machen Sie mal, das mit den Nachermittlungen.“
Ein paar Wochen später bekam der Verteidiger die um die Nachermittlungen ergänzte Akte.
Das Ergebnis sah so aus:
Verfügung der Richterin: Urschriftlich mit Akte an die Amtsanwaltschaft nochmals übersandt. Angesichts des Umstands, dass a) der L. mit dem e-mail-account nicht namhaft gemacht, b) die S. nicht ermittelt werden kann, wird ein Tatnachweis nicht geführt werden können.
Sollt da nicht die Hauptverhandlung allen erspart und nach § 153 StPO vorgegangen werden?
Ich halte an dieser Stelle mal fest: Die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat ist nicht nachweisbar. Das Gericht will aber keinen Freispruch, sondern nur eine Einstellung.
Wie reagiert nun die objektivste Behörde der Welt?
Verfügung der Amtsanwaltschaft: 1) Urschriftlich mit Akten dem Amtsgericht Tiergarten – Abteilung *** – übersandt nach Kenntnisnahme mit Zustimmung zur Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO (Die Kosten des Verfahrens trägt die Landeskasse, die notwendigen Auslagen (seine Verteidigerkosten) trägt der Angeklagte selbst. 2) Wiedervorlage zur Frist.
Der Angeklagte fragt zu Recht:
Wollen die mich verarschen?!
Die höfliche Antwort darauf lautet: Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ ist für die Berliner Strafjustiz ein schöner Spruch für’s Poesiealbum. Einen Freispruch – und die damit verbundene Erstattung der Verteidigerkosten – gibt es nur dann, wenn es es sich wirklich nicht vermeiden läßt.
Ich halte ein solches Verhalten für eine unerträgliche Grenzüberschreitung des insoweit mit der Amtsanwaltschaft kollusiv zusammen wirkenden Gerichts. Das ist hier nur eine relative Kleinigkeit, die allerdings ein Verhältnis der Richterin und der Oberamtsanwältin zum rechtsstaatlichen Verfahren ans Tageslicht befördert, bei dem es mir kalt den Rücken runterläuft.
Wenn sich hier nicht der Verteidiger (ich war’s nicht) nachhaltig für die Interessen seines Mandanten eingesetzt hätte, hätten die beiden Justiziellen aus Kosten- und Bequemlichkeitsgründen einen Unschuldigen um seinen Freispruch betrogen.
Was macht man bloß mit solchen Leuten?
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Bild Fassade: © M.E. / pixelio.de