Bei dem Mandanten steht die gesamte berufliche und außerberufliche Existenz auf dem Spiel. In einer sehr persönlich geführten Auseinandersetzung zwischen ihm als Angeklagten und seiner Exfrau als Nebenklägerin wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die für ihn das Aus bedeutet, wenn sie rechtskräftig würde.
Die Strafaussetzung zur Bewährung verhinderte zwar die Inhaftierung, aber wenn diese Vorstrafe in sein Register eingetragen würde, wäre seine akademische Ausbildung ein Fall für die Pinwand. Und sein ausländerrechtlicher Status würde sich ebenfalls schlagartig verändern.
Der Mandant beauftragt mich nun mit der Verteidigung in der Berufungsinstanz. Ich vereinbare mit ihm ein angemessenes Honorar, er schickt mir die unterschriebene Vergütungsvereinbarung zurück, wir besorgen die drei Bände Gerichtsakten und stellen ihm die Kopien als PDF in unserer WebAkte zur Verfügung
Auf meine Vorschußkostenrechnung teilt er mir mit:
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt! Ich habe zur Zeit viele Raten zu bezahlen, überweise Ihnen zunächst einen Teil des Honorars und werde in den nächsten Tagen anrufen, um einen Besprechungstermin zu vereinbaren. Mit freundlichen Grüßen.
Heute geht seine Teilzahlung ein. 80 Euro.
Offenbar ist ihm die Verteidigung seiner Lebensgrundlage nicht mehr wert. Ich bin mir sicher, daß er für diesen Betrag keine halbe Stunde arbeiten würde. Und bin gespannt auf das, was er von mir für diese Teilzahlung erwartet.