Der Mandant ist zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach knapp 2/3 der verbüßten Haft wurde er in die Freiheit seines Heimatlandes ausgewiesen. Abschiebung ausländischer Straftäter nach Teilverbüßung wird dieses Verfahren genannt, das in § 456a StPO geregelt ist.
Das Problem für den Mandanten war nun, daß sein Heimatland nicht seine Heimat ist. Er will zurück und lieber die Haftstrafe komplett absitzen, um dann – „resozialisiert“ – hier in Berlin zu bleiben, wo er aufgewachsen und integriert ist.
Unser Auftrag ist es nun, dieses Verfahren einigermaßen geschmeidig zu gestalten. Wir sollten für den Mandanten den kürzesten Weg in die Haftanstalt ebnen. Aber so einfach ist das nicht: Mal eben zur Haftanstalt fahren, anklopfen und sagen: „Hallo, hier bin ich wieder!“ ist im Vollstreckungsrecht nicht vorgesehen.
Bei der Staatsanwaltschaft arbeiten Rechtspfleger, die die Vollstreckung der Strafen verwalten, die vom Gericht verhängt wurden. Meine Gesprächspartnerin bei dieser Vollstreckungsstelle war sehr verwundert über meine Frage:
Wie bekomme ich den Mandanten in den Knast?
So einen Fall hatte sie nämlich noch nicht auf dem Tisch. Wir haben uns dann auf folgendes Prozedere geeinigt:
Der Mandant sucht sich die Berliner Polizeidienststelle seines geringsten Mißtrauens aus, auf der er einen Beamten freundlich begrüßen wird. Diesen Beamten haben wir vorher bereits über den Besuch informiert, damit er sich vorbereiten kann. Insbesondere muß er einen Computer einschalten, damit er den Haftbefehl findet, der gegen den Mandanten dort verzeichnet ist.
Auf dieser Polizeidienststelle beginnt dann der Weg über die „Gefangenensammelstelle“ in die Haftanstalt. Mit ein wenig Glück ist es die JVA Moabit, in der der Mandant die erste Zeit seiner Freiheitsstrafe bereits abgessen hat. Die freundliche Rechtspflegerin wird wohlwollend prüfen, ob sie das Aufnahme-Ersuchen dorthin richten kann.
Es ist schon ein komisches Gefühl, den eigenen Mandanten ins Gefängnis zu bringen. Die Aufgaben eines Strafverteidigers sehen in der Regel eher anders aus. Aber es ist gar nicht so selten, daß Menschen, die zuvor geflohen sind, nach einiger Zeit lieber die Haft antreten, statt viele weitere Jahre stets auf der Flucht zu sein.
Trotzdem, dieserTeil meiner Arbeit als Verteidiger hat einen weitaus geringeren Unterhaltungswert als eine Verteidigung vor der Verurteilung.