Öffentliches Interesse, jawoll!

In einer Ermittlungsakte notiert die Polizei im Bericht nach Abschluß der Ermittlungen:

Die Frau Amtsanwältin hat aber ein öffentliches Interesse daran, daß drogenkranke, obdachlose Menschen nicht schwarzfahren. Wo kommen wir denn da hin, wenn das jeder machen wollte? Daher gehört sowas auch zackig angeklagt!

Dann schauen wir uns das doch mal in der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter genauer an. Die drei U-Bahn-Kontrolleure können dann dem psychiatrischen Sachverständigen ganz sicher von den Eindrücken erzählen, die sie vor etwa 3 Jahren von dem schwarzfahrenden Obdachlosenzeitschriftverkäufer hatten.

Denn die Verteidigung hat kein (nicht-öffentliches) Interesse daran, daß ein kranker Mann für zwei oder drei Monate weggeschlossen wird, weil er die Geldstrafe weder bezahlen, noch wegen seiner fortgeschrittenen Autoimmunkrankheit abarbeiten kann. Nur weil er sich unter dem Einfluß von Betäubungsmitteln ein paar Groschen mit dem „Verkauf“ einer zerfledderten Odachlosenzeitschrift erbetteln wollte.

Das Gesetz ist nicht gnadenlos, wie ein Blick in die §§ 153 ff StPO zeigt. Manche Strafverfolgerinnen aber schon.

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Der gefährdete Erfolg

Aus einem Polizeibericht:

Die Durchsuchungsmaßnahmen wurden wegen des Vorliegens von Gefahr im Verzuge durchgeführt, weil die Aufschiebung der Durchsuchung bis zur Einholung einer richterlichen Anordnung den Erfolg der Maßnahme mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gefährdet hätte.

Nun, darüber kann man – wie in den wohl meisten Fällen – geteilter Ansicht sein. Jedenfalls hat sich der Berichtsverfasser einigermaßen Mühe gegeben, die „Gefahr“ dann noch ausführlich und an sich auch ordentlich zu begründen. Zeit für einen Anruf bei der staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Bereitschaft wäre aber meiner Ansicht mehr als genug gewesen.

Aber egal, denn einen Absatz weiter lese ich:

Die durchgeführte Durchsuchung wurde durch den Tatverdächtigen freiwillig gestattet. Beweismittel konnten keine aufgefunden werden.

Ja, aber es hätte ja sein können … daß der anonyme Hinweis „zum Erfolg“ geführt hätte.

Falls jemand unter den Lesern ist, der jemandem gerne mal einen Besuch von der Polizei gönnt, kann ja dort mal anonym anrufen und etwas von Marihuana erzählen, das in einer Kaffeekanne versteckt ist … das scheint zu funktionieren.

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Britzer Autobahntunnel bringt 2,7 Millionen im Jahr

Der Britzer Autobahntunnel auf der der BAB 100 in Neukölln – „Tunnel Ortsteil Britz“ – ist mit gut 1,7 km der längste Autobahntunnel in Berlin. Und er ist der einzige, der mit einer Schwarz-Blitz-Anlage ausgerüstet ist. Die Meßgeräte arbeiten mit Infrarotlicht, das für die menschlichen Augen unsichtbar ist.

Sie – die Geräte – sind jeweils kurz hinter den Tunnel-Ein- und Ausgängen der beiden Röhren montiert.


Wer die Warnschilder knapp vor den Tunnelportalen übersieht und sich dort nicht auskennt, wird abge-infrarot-lichtet. Es sind nicht wenige, die sich auf dem Weg aus der oder in die Stadt noch mal eben ein Ticket mit nach Hause nehmen.

Von den 6.000 Tunnelfahrern stündlich(!), die durch die Röhren fahren, haben sich im Jahr 2011 rund 148.000 Stück ablichten lassen. Das waren ca. 400 Bußgeldbescheide pro Tag, alle 3 Minuten ein Satz Fotos.

Die Britzer Schwarzblitzer haben dem 2011er Berliner Haushalt auf diesem Wege rund 2,7 Millionen Euro eingebracht. Die Investitionskosten lagen bei etwa 1,4 Millionen. Die Betriebskosten (Wartung, Technik etc.) sind (mir) nicht bekannt, dürften bei diesem Überschuß aber auch nicht sonderlich ins Gewicht fallen.

Es ist nicht einfach, den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Britzer Tunnel zu entkräften. Mit ein wenig technischem Know How aber auch nicht ausgeschlossen. Die weiteren Verteidigungsmöglichkeiten – Fahreridentität, Flensburger Vorteintragungen, Fahrverbot etc. – bleiben auch bei der Tunnelblitzerei erhalten.

Übrigens: Es wird von hinten und vorn gleichzeitig fotografiert, damit auch das hintere Kennzeichen von Motorrädern abgelesen werden kann. Die auf offener Straße gut funktionierende Vorsorge gegen solcherlei Kontrollen – das getönte Visier – erscheint bei der schummerigen Tunnelbeleuchtung nicht in jedem Fall geeignet zu sein.

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Optimistische Umsatzerwartungen

Ein kleiner Betrag für den einzelnen Verkehrsteilnehmer, Millionen für das Land Berlin.

Für das Jahr 2012 erwartet unser Finanzsenator den Betrag von 40.820.000 Euro, den insbesondere Verkehrsteilnehmer in das Stadtstaatssäckel einzahlen. Im kommenden Jahr sollen es sogar 41.620.000 Euro werden, die mehr oder minder freiwillig auf das Konto der Landeskasse überwiesen werden.

Quelle: Haushaltsplan 2012/2013, Einzelplan 05 – Inneres und Sport, Seite 174

Diese Wahnsinns-Beträge sind wohl auch nur deshalb möglich, weil die meisten Verkehrsteilnehmer genau das zahlen, was die Obrigkeit von ihnen fordert. Dabei wäre ist eigentlich recht einfach, dem „Inneren“ das Leben die Einnahmen schwer zu machen: Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen und dann mal schauen, welche Fehler beim Massen-Messen gemacht wurden.

Polizeibeamte sind doch auch nur Menschen ;-) , die ab und an mal Fehler machen. Und Strafverteidiger sind eben dazu da, genau diese Fehler aufzudecken.

Man sollte es einfach sportlich sehen: Nur wer es nicht versucht, zahlt hundertprozentig. Alle anderen können sich daran beteiligen, die optimistischen Millionen-Prognosen der Haushälter ein wenig zu dämpfen. Be Berlin!

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Berliner Strafverteidiger: Presseerklärung

Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. hat heute folgende Presseerklärung veröffentlicht:

Presseerklärung zur Kritik der Vereinigung Berliner Staatsanwälte an der Praxis zum offenen Strafvollzug

Der Senator für Justiz sieht sich durch eine Stellungnahme der Vereinigung Berliner Staatsanwälte veranlasst, die Praxis der Zulassung zum offenen Vollzug zu überprüfen. Der Senator sollte sich nicht beirren lassen, denn diese Stellungnahme ist in weiten Zügen rechtlich unzutreffend, populistisch und setzt die Vollzugsverantwortlichen unzutreffend herab.

Der Strafvollzug dient primär der Befähigung des Strafgefangenen, künftig ein straffreies Leben zu führen. Allein so erlangen Strafe und Strafvollzug eine verfassungsgemäße Legitimation. Den gesetzlichen Vorgaben folgend hat dies möglichst nah am „normalen“ Leben zu geschehen. Familiäre und andere positive soziale Bindungen sollen aufrecht erhalten bleiben.

Der offene Vollzug in Berlin entspricht dem Strafvollzugsgesetz und ist ein Erfolgsmodell, welches von diversen Bundesländern nachempfunden wird.

Selbstverständlich wird vor der Aufnahme in den offenen Vollzug durch erfahrenes und geschultes Personal eingehend geprüft, ob eine Flucht- oder Missbrauchsgefahr vorliegt. Als Prüfungsgrundlage dienen insbesondere das Urteil, Sachverständigengutachten und ausführliche Explorationsgespräche mit den Inhaftierten unter Hinzuziehung erfahrener Psychologen – und nicht wie von der Vereinigung Berliner Staatsanwälte behauptet, regelmäßig allein auf Angaben „der – zumeist anwaltich vertretenen – Verurteilten, deren Validierung schwerlich möglich ist“. Insbesondere die niedrige Missbrauchzahl von weniger als einem von 1.000 Verurteilten widerlegt das Argument der Vereinigung Berliner Staatsanwälte.

Der Vorstand

Anm.: Hervorhebungen und Verlinkungen durch mich.

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Mein Brief an den Mandanten

Der Mandant bittet mich, meine Rechnung für seine Verteidigung in einer (privaten) Strafsache „auf seine Firma“ auszustellen. Also statt „Verteidiger-Vergütung“ möchte er lieber Honorar für „allgemeine Beratung“ seines Unternehmes leisten.

Ich habe mir die Zeit genommen, ihm ein paar Zeilen zu schreiben, die ich hier wiedergebe:

Es kann sein, daß ich berufsbedingt im Laufe der Jahre (Jahrzehnte?) vorsichtiger, vielleicht übervorsichtig geworden bin bei und mit der Begehung von Straftaten. Aber lassen Sie es mich, das Milchmädchen, kurz erklären.

Es geht hier um einen Betrag von 700 + 133 Euro, 833 Euro gesamt.

Wenn ich die Rechnung wie gewünscht ausstellen würde, hätten Sie die Gelegenheit des Vorsteuerabzugs iHv. 133 Euro. Angenommen, Ihnen ginge es wirtschaftlich seeeehr gut und die verbleibenden 700 Euro werden zu Betriebsaufwendungen „gemacht“, könnten Sie mit einer Steuerersparnis von – sagen wir mal – 40%, das sind 280 Euro, rechnen. Insgesamt steht hier also eine „Ersparnis“ iHv 413 Euro zur Rede. Bei einem Steuersatz von 20% kämen am Ende gar nur 273 Euro herum.

Der Inhalt der *gewünschten* Rechnung stimmt nicht mit dem Inhalt der *tatsächlich* erbrachten Leistung überein, die Rechnung wäre „unrichtig“. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber eine Rechtsnorm geschaffen, den § 370 AO:

    Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] unrichtige oder unvollständige Angaben macht, […] und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

Wir müssen also abwägen: Eine mögliche Steuerersparnis iHv 273 bis 413 Euro gegen das Risiko eines Steuerstrafverfahrens mit empfindlicher Strafe (und hohen Verteidigerkosten! ;-)).

Nebenbei: Ich schreibe hier bewußt „wir“, da ich an der Steuerhinterziehung zumindest als Gehilfe beteiligt wäre.

Ok, Sie werden (vielleicht vor dem Hintergrund einiger Erfahrungen) einwenden, das Enddeckungsrisiko sei gering. Dem kann ich meine Praxis als Strafverteidiger entgegen halten. Ich kann Ihnen abendfüllende Geschichten von ganz häßlichen Steuerstrafverfahren erzählen, an denen ich als Verteidiger beteiligt war …

Und: Bei mir schlägt die Finanzverwaltung alle paar Jahre auf und prüft meine Bücher. Seit Beginn meiner Selbständigkeit als Strafverteidiger waren das bereits 4 solcher Außenprüfungen (die alle ohne Steuerstrafverfahren abgeschlossen wurden!). Die Rechnung eines Strafverteidigers, der einen Unternehmer in einer Sache berät, die mit Straftaten auch entfernt nichts zu tun haben kann … das könnte für einen Finanzbeamten durchaus spannende Fragen aufwerfen … die ich dann nicht unbedingt freiwillig wahrheitsgemäß beantworten möchte.

[ironie]
Sehr geehrter Herr Wilhelm Brause, ich habe keine Probleme damit, eine Wirtschaftsstraftat zu begehen. Wenn es sich denn lohnt! Das bedeutet, ich fange an zu überlegen, wenn wir hier über 7- oder 8-stellige Beträge reden. Dafür kann ich mir auch ein paar Jährchen in Tegel vorstellen. Aber – bitteschön – für 273 oder 413 Euro sollten wir beide nicht unseren guten Ruf risikieren. Das lohnt einfach nicht!
[/ironie]

Ich hoffe, Sie bringen ein wenig Verständnis für meine Position auf, wenn ich, der Pathologe, Sie davor bewahren möchte, im Rahmen einer Verteidigung gegen den Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, eine Straftat zu begehen.

Soweit für heute mein Beitrag zur Förderung der Steuerehrlichkeit. Ich rechne damit, daß es funktioniert.

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Sommerloch mit Sprengstoff gestopft

Die Stimmung in Berliner Rockerkreisen ist angespannt, keine Frage. Besonders zwischen Engeln und Banditen gibt es derzeit keine freundschaftlichen Beziehungen. Das ist natürlich auch den Medien aufgefallen.

Nun hat Alexander Fröhlich für den Tagesspiegel „exklusiv“ eine neue Sensation ausgegraben:

Sie [drei „bunte“ Rocker] waren mit einem Mietwagen aus Schweden unterwegs und mit der Fähre aus Dänemark gerade in Rostock angekommen, als die Polizei zuschlug. Im Gepäck fanden die Beamten drei Stangen Sprengstoff, insgesamt 700 Gramm, eine Sprengkapsel und schusssichere Westen. Die drei Rocker sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Rostock und das Landeskriminalamt (LKA) Mecklenburg-Vorpommern wollen sich wegen der laufenden Ermittlungen noch nicht äußern.

Wenn man sich die Landkarte anschaut und die Linie von Dänemark nach Rostock verlängert, landet man in Berlin. Rocker – Sprengstoff – Berlin. Es ist gar nicht anders denkbar: Die Bandidos wollten die Hells Angels in die Luft sprengen.

Ganz exklusiv schreibt der Journalist daher:

Die Polizei hat drei Rocker festgenommen, die Überläufer zu den Hells Angels offenbar mit einem Bomben-Anschlag töten wollten.

und tritt den Beweis dafür an:

Ermittler gehen davon aus …

Es wäre sehr bedauerlich, wenn manchen Journalisten im Sommerloch auch noch die Rocker ausgingen … dann hätten sie wirklich nur noch die Glaskugel.

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Selbstverteidigungskurs in der Fachpresse

Unser kostenloser eMail-Kurs „Selbstverteidigung in Bußgeldsachen“ ist ja nun schon etwas älter. Wir haben ihn ein paar Mal überarbeitet und die Beiträge an die jeweils aktuelle Rechtslage angepaßt. Knapp 4.000 Teilnehmer hatte der Kurs bisher.

Nun endlich sind auch die Redakteure der Zeitschrift „MOTORRAD“ auf den Kurs aufmerksam geworden; sie schreiben in der Rubrik „Motorrad News“ auf Seite 15 (PDF) der aktuellen Ausgabe (PDF):

Kurs für Sünder

Hey, liebe Motorrad-Journalisten! Das ist kein Kurs für Sünder, sondern für Verkehrsteilnehmer, gegen die man in der Regel völlig haltlose Vorwürfe erhebt und die sich gegen die Ungerechtigkeit der Welt selbst verteidigen wollen, weil sie uns armen Verteidigern das Honorar nicht gönnen.

Trotzdem und gern: Wir freuen uns über die Anerkennung unserer Arbeit, die uns mit der Veröffentlichung dieses Hinweises verbunden ist, und bedanken uns dafür.

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Der Keks des Richters

Der Hauptverhandlungstermin sollte um 9:00 Uhr beginnen. Drei Angeklagte mit ihren Verteidigern und vier Zeugen waren geladen. Wenn dann ein Zeuge fehlt, ist das nicht weiter schlimm. Schwieriger wird es, wenn einer der Angeklagten nicht erscheint. Heute hatten wir aber das Problem, daß der Richter – wohl halb aus persönlichen, halb aus dienstlichen Gründen – verhindert war, pünktlich zu erscheinen. Eine geschlagene Stunde später sollte es erst losgehen.

Als ich dann kurz vor 10:00 Uhr wieder in den Saal kam, lagen Kekse auf den Plätzen der Verteidiger.

Der Richter hatte sich auf diesem Wege für seine Verspätung entschuldigt.

Besten Dank dafür, nicht (nur) für den leckeren Keks, sondern für die keksgewordene Kollegialität. Entsprechend war die Atmosphäre, in der dann die Verhandlung stattfand, und die mit einem Ergebnis endete, das von allen Beteiligten getragen wurde.

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Die Umwelt-Plakette für die Wanne

Nun hat auch die Wanne eine Plakette für (gegen?) die Umweltzone:

OK, den Bäbber findet man eher nicht in der am 16.10.2006 im Bundesanzeiger veröffentlichte Verordnung über die Kennzeichnung emissionsarmer Fahrzeuge vom 10.10.2006.

Gleichwohl könnte man ihn durchaus als „amtlich“ bezeichnen. ;-)

Danke an den Döschwoh-Freak für Bäbber und Foto.

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