Der Mandant bittet mich, meine Rechnung für seine Verteidigung in einer (privaten) Strafsache „auf seine Firma“ auszustellen. Also statt „Verteidiger-Vergütung“ möchte er lieber Honorar für „allgemeine Beratung“ seines Unternehmes leisten.
Ich habe mir die Zeit genommen, ihm ein paar Zeilen zu schreiben, die ich hier wiedergebe:
Es kann sein, daß ich berufsbedingt im Laufe der Jahre (Jahrzehnte?) vorsichtiger, vielleicht übervorsichtig geworden bin bei und mit der Begehung von Straftaten. Aber lassen Sie es mich, das Milchmädchen, kurz erklären.
Es geht hier um einen Betrag von 700 + 133 Euro, 833 Euro gesamt.
Wenn ich die Rechnung wie gewünscht ausstellen würde, hätten Sie die Gelegenheit des Vorsteuerabzugs iHv. 133 Euro. Angenommen, Ihnen ginge es wirtschaftlich seeeehr gut und die verbleibenden 700 Euro werden zu Betriebsaufwendungen „gemacht“, könnten Sie mit einer Steuerersparnis von – sagen wir mal – 40%, das sind 280 Euro, rechnen. Insgesamt steht hier also eine „Ersparnis“ iHv 413 Euro zur Rede. Bei einem Steuersatz von 20% kämen am Ende gar nur 273 Euro herum.
Der Inhalt der *gewünschten* Rechnung stimmt nicht mit dem Inhalt der *tatsächlich* erbrachten Leistung überein, die Rechnung wäre „unrichtig“. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber eine Rechtsnorm geschaffen, den § 370 AO:
Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] unrichtige oder unvollständige Angaben macht, […] und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Wir müssen also abwägen: Eine mögliche Steuerersparnis iHv 273 bis 413 Euro gegen das Risiko eines Steuerstrafverfahrens mit empfindlicher Strafe (und hohen Verteidigerkosten! ;-)).
Nebenbei: Ich schreibe hier bewußt „wir“, da ich an der Steuerhinterziehung zumindest als Gehilfe beteiligt wäre.
Ok, Sie werden (vielleicht vor dem Hintergrund einiger Erfahrungen) einwenden, das Enddeckungsrisiko sei gering. Dem kann ich meine Praxis als Strafverteidiger entgegen halten. Ich kann Ihnen abendfüllende Geschichten von ganz häßlichen Steuerstrafverfahren erzählen, an denen ich als Verteidiger beteiligt war …
Und: Bei mir schlägt die Finanzverwaltung alle paar Jahre auf und prüft meine Bücher. Seit Beginn meiner Selbständigkeit als Strafverteidiger waren das bereits 4 solcher Außenprüfungen (die alle ohne Steuerstrafverfahren abgeschlossen wurden!). Die Rechnung eines Strafverteidigers, der einen Unternehmer in einer Sache berät, die mit Straftaten auch entfernt nichts zu tun haben kann … das könnte für einen Finanzbeamten durchaus spannende Fragen aufwerfen … die ich dann nicht unbedingt freiwillig wahrheitsgemäß beantworten möchte.
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Sehr geehrter Herr Wilhelm Brause, ich habe keine Probleme damit, eine Wirtschaftsstraftat zu begehen. Wenn es sich denn lohnt! Das bedeutet, ich fange an zu überlegen, wenn wir hier über 7- oder 8-stellige Beträge reden. Dafür kann ich mir auch ein paar Jährchen in Tegel vorstellen. Aber – bitteschön – für 273 oder 413 Euro sollten wir beide nicht unseren guten Ruf risikieren. Das lohnt einfach nicht!
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Ich hoffe, Sie bringen ein wenig Verständnis für meine Position auf, wenn ich, der Pathologe, Sie davor bewahren möchte, im Rahmen einer Verteidigung gegen den Vorwurf, eine Straftat begangen zu haben, eine Straftat zu begehen.
Soweit für heute mein Beitrag zur Förderung der Steuerehrlichkeit. Ich rechne damit, daß es funktioniert.