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Strafrecht
Neiddebatten mit der Staatsanwaltschaft
In einer Wirtschaftsstrafsache wird dem Mandanten vorgeworfen, einige Vorschriften u.a. des Insolvenzrechts nicht beachtet zu haben. Es ging um eine nebenberuflich geführte Gesellschaft, die irgendwann aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr überleben konnte.
Die Staatsanwaltschaft ließ sich nicht davon abhalten, den Erlaß eines Strafbefehls zu beantragen. Und das Gericht hatte kein Problem damit, diesem Antrag stattzugeben.
Nun müssten Staatsanwälte eigentlich nicht nur den Tatbestand ermitteln, sondern auch die Höhe des Einkommens des Beschuldigten. Das war dem Staatsanwalt in diesem Verfahren aber schlicht zu mühsam. Deswegen hat er von dem Beruf des Mandanten auf die Höhe seines Einkommens geschlossen und sich dabei von den Vorurteilen leiten lassen, die man allgemeinhin in der gesicherten und verarmten Beamtenschaft pflegt.
Das sieht dann im Ergebnis so (fürchterlich) aus:
Wenn man das einmal zurückrechnet, was sich der wirtschaftlich verarmende Staatsanwalt vorstellt, der ein bestimmtes Bild von klassischen Berufen hat, soll mein Mandant über ein monatliches Nettoeinkommen von 9.000 Euro verfügen können.
Ich weiß nicht, in welcher Welt dieser Ermittler lebt, aber seine Schätzung wirft kein gutes Licht auf dessen Charakter. Dass es auch Menschen gibt, die trotz hohen Ansehens nur ein durchschnittliches Gehalt bekommen, darüber werde ich mit dem Ankläger dann in der Hauptverhandlung debattieren.
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Bild: © Thomas Max Müller / pixelio.de
Ein scheinselbständiger Rosenkrieg
Rosenkriege sind was ganz Feines. Für den Strafverteidiger. Unter dieser Überschrift beginnt ein weiteres Kapitel in einem bestehenden Mandat
Die Exfrau und ehemalige BGB-Gesellschafterin zeigt ihren Exmann an. Sie behauptet gegenüber der Staatsanwaltschaft, ihr Ex habe angeblich Scheinselbständige beschäftigt.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt, sammelt Indizien und klagt an.
In der Anklageschrift reklamieren die Strafverfolger einen Schaden in ernsthafter sechsstelliger Höhe.
Das gerichtliche Verfahren dümpelt vor sich hin, schließlich sind die Verfahren wegen Nichtabführens von Sozialabgaben (§ 266a StGB) insbesondere den Richtern am Amtsgericht ein Greuel, das sie gern mal auf Phasen verschieben zu versuchen, von denen sie hoffen, weniger zu tun haben (Indes: „Die Hoffnung wird von Pebb§y gemeuchelt.“) . Kenner der Szene vermuten jetzt richtig: Die (umfangreichen) Akten setzen auf einer Fensterbank liegend reichlich Staub an.
Erfahrene Verteidiger nutzen die Zeit, um mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) einen Deal hinzubekommen. Ziel ist es dabei, die Einziehung des Vermögens im Strafverfahren dadurch zu verhindern, daß die Forderungen der DRV ausgeglichen sind, bevor es mit dem Hauptverfahren konkret losgeht. Das hat für alle Beteiligten Vorteile: Die DRV bekommt zügig einen Großteil ihrer Forderungen, der Angeklagte kann bei der Höhe der Zahlungen ein Wörtchen mitzureden und der Strafrichter muß sich nicht so intensiv mit dem häßlichen Sozialrecht herumschlagen.
Nun bekommt aber besagte Rosenkriegerin davon Wind, daß ihr Rosenbekriegter versucht, sein immobiles Vermögen zu verflüssigen. Und das teilt sie dann auch noch der Staatsanwaltschaft mit.
Die sieht eine vermeintlich herannahende Katastrophe und beantragt (und erhält) einen Arrestbeschluß, mit dem eine Sicherungshypothek und ein Veräußerungsverbot ins Grundbuch eingetragen wird.
Jetzt müssen wir uns etwas Neues einfallen lassen … (… was dann nicht für die Öffentlichkeit und Expartnerinnen bestimmt sein wird.)
Wenn das aber so weiter geht, fürchte ich, daß hier noch ein Mandat für die Verteidigung vor dem Schwurgericht hereinkommt.
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Bild: © Karl-Heinz Laube / pixelio.de
Einwirkung mit einem Küchenbeil
Die fast poetisch anmutende Begründung eines sehr seltenen Freispruchs:
Ich finde, dem Gericht ist es hervorragend gelungen, den an sich recht dramatischen Vorfall in wohlklingende Worte zu fassen.
Das Urteil ist daher(?) auch rechtskräftig geworden.
Rabatte und Bonussysteme beim Strafverteidiger
Apotheker und Strafverteidiger haben zwei Gemeinsamkeiten:
- Sie leben vom Elend ihrer Kunden bzw. Mandanten: Je schlechter es denen geht, desto höher fallen die Umsätze aus.
- Sie dürfen keine Rabatte auf die Rechnungsbeträge geben.
Nun fand ich in einer Strafsache, in der es um Abrechnungsbetrug ging, diese Marketing-Idee eines Apothekers:
Jetzt überlege ich, ob auch unsere Kanzlei so ein Treue-Bonus-System einführen soll. Für jede Strafverteidigung erhält der Mandant 10 Punkte, für ein Verfahren vor dem Landgericht 20 Punkte und für eine Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer 30 Punkte, bei 100 Punkten gibt es dann einen Direktflug in ein Land ohne Auslieferungsabkommen und einen Satz hochwertiger Feilen schon bei 50 Punkten …
Ich frage mal bei der Rechtsanwaltskammer an, was die von der Idee halten.
Ernst zu nehmendes Landgericht
Irgendwas ist nicht so gelaufen, wie sich das die Staatsanwaltschaft vorgestellt hat. Das war im Jahre 2004 (nein, das ist kein Tippfehler!).
Und wenn dieses „Irgendwas“ nicht in das rosarote Weltbild einer durchschnittlich begabten Staatsanwältin paßt, setzt sie sich an den Schreibtisch in ihrem Elfenbeinturm und schreibt eine Anklage. Die Anklage in diesem Fall stammt aus dem Jahr 2010. Soweit, so normal.
Dann fand in 2012 eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht statt, die im zweiten(!) Anlauf nach 10 (s.o.) prickelnden Terminen im Dezember 2012 mit einem Urteil endete.
Eine Woche später ging das Fax mit der Berufung des verurteilten Rechtsanwalts beim Amtsgericht ein.
Ab 2015 versuchten sich mehrere Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer daran, die Berufungshauptverhandlung zu terminieren. Ich habe den Überblick verloren, aber drei Ansätze mit jeweils 3 bis 5 Terminen waren es bestimmt. Nun soll es nicht vor April/Mai 2019 weitergehen.
Ich habe zwischendurch noch einmal ergänzende Akteneinsicht genommen und dabei dieses goldige Schreiben eines Zeugen an das Landgericht in den Akten gefunden:
Der Kundige erkennt an den Formulierungen, daß es sich bei dem Zeugen um einen zivilrechtlich orientierten Rechtsanwalt handelt.
Der angeschriebenen Berufungskammervorsitzenderichterin ist es unter Aufbietung aller vorhandenen Willenskräften noch knapp gelungenen, die Contenance zu bewahren; sie schreibt – höflichst – an den Zeugen:
… wird auf Ihr Schreiben vom **.**.2017 höflichst erwidert, dass Sie eine vom Gericht an Sie adressierte Zeugenladung selbstverständlich ernst nehmen dürfen. Zurückliegende Terminsaufhebungen habe ich ebenso wenig zu vertreten wie die bisherige Dauer des Strafverfahrens insgesamt. Eine nähere Stellungnahme hierzu werden Sie von mir daher nicht erwarten können.
Das war 2017. Danach hat der Zeuge eine weitere Ladung erhalten. Der Termin, zu dem er geladen war, wurde aufgehoben. Er wird sich damit abfinden müssen, noch weitere Ladungen zu erhalten, zunächst einmal irgendwann im Frühjahr 2019.
Vielleicht gelingt es aber auch der o.g. durchschnittlich begabten Staatsanwältin, ihr Weltbild zu überdenken, einen Fuß vor die Tür ihres Turms zu setzen und die vom Prozeßrecht vorgesehenen Folgen einer überlangen Verfahrensdauer zu recherchieren. Es kann aber auch sein, daß ihr dabei noch vom Kammergericht geholfen werden muß.
Man weiß es nicht …
Habe ich schon mitgeteilt, daß der Angeklagte das alles überhaupt nicht lustig findet, der von diesem heillos überforderten Chaosladen in Moabit seit nun über 14 Jahren traktiert wird?
Enttäuschendes Plädoyer
Es ist ein alt bekanntes Problem von Dienstleistern im Allgemeinen, von Strafverteidigern im Besonderen: Die Mandanten sind unzufrieden, obwohl die Leistung hervorragend war.
Dazu der folgende Fall:
Die Staatsanwaltschaft klagte eine Erpressung im besonders schweren Fall an. Die beiden Angeschuldigten hätten einen (ehemaligen) Vertragspartner zur Zahlung eines fünfstelligen Betrags bewegen wollen; dabei soll auch eine Schußwaffe eine Rolle gespielt haben. Dafür schlägt der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor.
Die Anklage ging zunächst bei der Großen Strafkammer ein, weil nur dort Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verhängt werden können. Das paßte zu der Strafmaßvorstellung der Staatsanwaltschaft.
Die Verteidigung im Zwischenverfahren …
… führte dazu, daß die Sache zum Schöffengericht „runter“ eröffnet wurde. Die Strafkammer meinte nämlich, die Strafkompetenz des Schöffengerichts reiche aus, da hier wahrscheinlich nur ein minderschwerer Fall des (einfachen) schweren Falls der Erpressung vorliegen dürfte, und zwar in Gestalt eines Versuchs. (Für die mitlesenden Jura-Junkies in Zahlen ausgedrückt: §§ 255, 249, 250 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB und nicht Abs. 2, und das Ganze dann als Versuch nochmals gemildert über §§ 22, 23, 49 StGB. Wenn Sie wissen, was ich meine. :-) ).
Mehr als vier Jahre sollten es also nach Ansicht der Verteidigung und der Strafkammer auf keinen Fall werden. Soweit also schon einmal ein erster Erfolg.
In der zweitägigen Beweisaufnahme …
… konnte die Verteidigung das Schöffengericht davon überzeugen, daß eine Waffe überhaupt keine Rolle gespielt hat. Und daß die Zahlungsforderung an sich gar nicht so unberechtigt gewesen war.
Am Ende kam dann eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen heraus, wegen einer versuchten Nötigung – statt 5 Jahre plus X, die es nach anfänglicher Ansicht der Anklagebehörde hätten werden sollen. Und trotzdem war der Mandant enttäuscht.
Was war passiert?
Der Mitangeklagte wurde von einem sehr erfahrenen Kollegen verteidigt, der ein so grandioses Plädoyer gehalten hat, daß sogar mein Mandant selbst von seiner Unschuld überzeugt war. Der Antrag auf Freispruch mußte einfach durchgehen, da führte nach der auf der Anklage- und Verteidigerbank vertretenen Ansicht kein Weg dran vorbei!
Und dann am Ende doch kein Freispruch, sondern die Verurteilung.
Ich bin mir aber sicher, daß die Welt nach ein paar Tagen und mit ein bisschen Sinn für die Realität wieder anders aussehen und der Mandant dieses Ergebnis als Erfolg feiern wird.
Verteidigung in Steuerstrafsachen
Die Verteidigung in Steuerstrafsachen hat im Vergleich zu „normalen“ Strafsachen einige Besonderheiten.
Schwierig sind immer wieder die Verhandlungen mit den Ermittlungsführern bei den Straf- und Bußgeldstellen. Zumeist handelt es sich um den klassischen Beamten, der es gewohnt ist, Entscheidung nur streng nach Vorschrift und Dienstanweisungen zu treffen. Die Spielräume sind im Verhältnis zu denen von Staatsanwälten erheblich enger.
Da das Arbeiten in einem Finanzamt aber sehr stark reglementiert und strukturiert ist (sein muß?), sehen auch die (Ermittlungs-)Akten entsprechend aus. Und das wiederum erleichtert dem Verteidiger die Arbeit.
Solche wunderbaren Übersichten habe ich bisher fast nur in Steuerstrafsachen entdecken können:
Diese Akte ist nun ohnehin wegen ihres bescheidenen Umfangs recht übersichtlich. Aber solche Inhaltsverzeichnisse sind absolut hilfreich, wenn es sich um Verfahren handelt, die einen Aktenumfang haben, der sich auf mehrere Umzugskartons verteilt.
Nebenbei: Diese Ordnungsstrukturen finden sich auch in von den Steuerbehörden digitalisierten Akten wieder. Auch dort sehen die Akten mancher Staatsanwaltschaften aus wie Kraut und Rüben.
Es ist eben nicht alles schlecht, was vom Finanzamt kommt. :-)
Der Staatsrechtsler und das bisschen Strafrecht
Die AfD hat Prof. Karl-Albrecht Schachtschneider mit einem „Gutachten“ zur Strafbarkeit der AfD-Fraktionschefin Alice Weidel in der Parteispenden-Affäre beauftragt.
Er hat sich sehr lange und intensiv mit der Sach- und Rechtslage auseinander gesetzt:
Und er hat sich umfassend und vollständig informiert:
Das Ergebnis seiner fundierten und gewissenhaften Prüfung:
Wer ist dieser strafrechtliche Überflieger?
Das kann man so machen, aber dann isses halt … nicht professionell.
Weidel und Schachschneider sei gesagt: Si tacuisses … Aber was erwarte ich auch schon von diesen Leuten, deren kollusives Ziel es zu sein scheint, eben dasjenige Staatsrecht, für das der Sachverständige in seinem aktiven Berufsleben unterwegs war, auf links rechts zu drehen.
Anmerkung für den einen einsamen Lehrer unter den Lesern:
Doch, das ist korrekte Rechtsschreibung in der Überschrift.
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Besten Dank an den Strafverteidiger Thorsten Hein aus Bad Vilbel für den Hinweis auf den Beitrag im Deutschlandfunk.
ScreenShots 1 bis 3: Aus einem Beitrag von Martin Zagatta beim Deutschlandfunk.
ScreenShot 4: Wikipedia via Google-Suche
Gemütlichkeit statt Nötigung
Es gibt klassische Anfragen, die auf allen Kanälen alle Nase lang in den Kanzleien der Strafverteidiger eintreffen. Hier mal eine Geschichte, die über ein Portal eingetroffen ist, das gern von Menschen genutzt wird, die kostenlosen Rechtsrat suchen:
Die Grund-Konstellation im Straßenverkehr ist bekannt. Wilhelm Brause fährt nicht so, wie ein Bulli Bullmann das gerne hätte. Bullmann weist Brause auf seine Ansicht hin. Anschließend diskutiert man darüber.
Je nach Bildung und Temperament der beteiligten Brauses und Bullmanns entwickelt sich die Begegnung anders. In vielen Fällen wird anschließend die Staatsgewalt in die Diskussion integriert. Am Ende soll es dann ein Strafverteidiger richten.
Mir stellen sich in solchen Konstellationen Fragen. Wie zum Beispiel so eine:
Warum hält dieser zur Rede stellen meinen zu müssende Oberlehrer nicht einfach die Klappe und fährt weiter, statt anschließend und klugscheißend seine Rechthaberei mit einer Strafanzeige zu garnieren und hilflose Polizeibeamte für die Reparatur seiner mißlungenen Erziehung heranzuziehen? Und obendrauf dann noch kostenlosen Rechtsrat bei einem Strafverteidiger zu schnorren.
„Was kann ich tun?“ fragt das arme strafverfolgte Opfer. Ich hätte da mal einen – kostenlosen! – Vorschlag:
Nebenbei:
Die Anfragen über solche Rechtsberatungsportale haben oft hohen Unterhaltungswert und dienen super als Anregung für launige Blogbeiträge. Fürs ernsthafte Arbeiten sind sie indes eher nicht geeignet.
Wenn Zivilisten verteidigen
In einer mittleren Wirtschaftsstrafsache hat mich die bereits Angeklagte mit ihrer Verteidigung beauftragt. Und zwar aus der Untersuchungshaft heraus.
Hintergrund war das „Unternehmen in der Krise“ – auf dem Deckel standen die Klassiker: Nichtabführen von Sozialabgaben, Umsatz- und Lohnsteuerhinterziehung sowie Insolvenzverschleppung. Eigentlich nichts wirklich Bösartiges, für das man bei einer verständigen Verteidigung in den Knast müßte. Die bisher nicht bestrafte Mandantin saß aber eben genau dort.
Die Staatsanwaltschaft hatte das Ermittlungsverfahren aufgrund einer Strafanzeige eingeleitet, ein wenig ermittelt und dann vorübergehnd nach § 205 StPO eingestellt. Der Mandantin konnte nämlich irgendwann keine Post mehr zugestellt werden, Anfragen bei den Meldebehörden führten zu keinem Ergebnis und weitere in der Akte vermerkte Recherchen der Staatsanwaltschaft blieben erfolglos.
Eigentlich mehr aus Neugier beauftragte die Mandantin ihren langjährigen Familienanwalt mit der Akteneinsicht. Der Kollege, auf seinem Gebiet sicher ein Spezialist, meldete sich bei der Staatsanwaltschaft:
In der Strafsache
gegen Frollein F.
Aktenzeichen 999 Js 666/16
bestelle ich mich unter Vorlage anliegender anwaltlich beglaubigter Kopie einer
Vollmachtsurkunde vom 29.99.2017 für die derzeit in Taschkent befindliche F.
Uuuund zack:
Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Haftbefehls wegen Flucht, § 112 II 1 StPO, dem der überforderte Ermittlungsrichter unbesehen stattgab, weil er den Staatsanwalt als stets zuverlässig arbeitend und persönlich kennt. Quasi parallel dazu erfolgte die Zustellung der Anklage an den insoweit zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt.
Was – um Himmels Willen – bringt einen Anwalt dazu, ohne Kenntnis der Akte (der er die Brisanz der Nichterreichbarkeit seiner Mandantin problemlos hätte entnehmen können) ihren Aufenthalt im nicht-europäischen Ausland zu verraten (sic!).
Die Mandantin war nicht auf der Flucht, sondern aus geschäfltichen Gründen in Usbekistan, um sich wieder auf wirtschaftlich stabile Füße zu stellen. Was ihr auch gelungen wäre, wenn sie nicht bei ihrer Einreise nach Deutschland verhaftet worden wäre.
Warum hat er nicht schlicht geschrieben:
… zeige ich an, daß mich Frollein F. mit ihrer Verteidigung beauftragt hat und beantrage Akteneinsicht …
Fertig. Mehr muß nicht sein.
Nun aber eine Haftsache, die keine Haftsache hätte werden müssen, wie sich bei der mündlichen Haftprüfung dann auch herausstellte.
Augen auf bei der Verteidigerauswahl!