Faxen und das Amtsgericht Charlottenburg

Von Menschen, die mit der Justiz nichts zu schaffen haben, muss ich mich als rückständig disqualifizieren lassen, wenn ich einräume, mit der (Straf-)Justiz immer noch per Fax kommunizieren zu müssen, wenn es schnell und zuverlässig gehen soll.

Faxen sei ja sowas von 1990er, das gibt es doch eigentlich gar nicht mehr. Eigentlich nicht, ja – im Bereich der justiziellen Resopalmöbel aber schon. Aber es geht auch noch schlimmer.

Zur Zeit verteidige ich einen Mandanten, bei dem der Verdacht nahe gelegen hat, ihm könnte es an der Willensbildungs- und Steuerungsfähigkeit mangeln, so das möglichweise auch die Schuldfähigkeit ausgeschlossen oder eingeschränkt sein könnte.

Der Mandant wurde unmittelbar nach dem Vorfall auf Antrag des Sozialpsychiatrischen Dienstes nach dem PsychKG in ein Krankenhaus eingewiesen. Über diesen „Unterbringungs-Vorgang“ hat das Betreuungsgericht beim AG Charlottenburg eine Akte angelegt. In diese Akte will die Staatsanwaltschaft Einblick nehmen, um – wie sie vorträgt – die Schuldfähigkeit des Beschuldigten prüfen zu können.

Zwischenzeitlich hatte ich Einsicht in die Ermittlungsakte, woraus sich ergab, dass der gegen den Mandanten erhobene Vorwurf nicht halt- und/oder nachweisbar ist. Der Staatsanwältin reichte mein Telefonanruf, um meine Anregung der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO formlos in der Akte zu vermerken, so klar war die Sache jetzt.

Deswegen hatte ich ich mich beim Betreuungsgericht gegen die Übersendung der Betreuungsakte mit den persönlichen Daten meines Mandanten gewandt und am 10.09.2019 einen entsprechenden Antrag gestellt.

Als erste Reaktion darauf forderte mich die Richterin am 12.09.2019 auf, eine schriftliche Vollmacht für das Betreuungsverfahren vorzulegen. Ich habe am selben Tag klargestellt, was meine Aufgabe und schon deswegen keine Vollmacht vorzulegen sei: Ich bin allein mit der Verteidigung in dem Ermittlungsverfahren beauftragt und dafür muss ich mich nicht durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht legitimieren.

Meine Schreiben an das Gericht habe ich via Faxdienstleister an das Amtsgericht Charlottenburg geschickt. Vom Gericht bekam ich jeweils die Post per Sack.

Nun reagiert die Richterin ein weiteres Mal (per Post) mit einer Entgegensehung, die mich daran zweifeln lässt, dass sie bereits in den 90er Jahren angekommen ist.

Was macht man mit so einem Zettel, ohne grob unhöflich zu werden? Mir ist es knapp gelungen, in sachlichem Ton zu schreiben:

Die Übersendung der Korrespondenz per Fax ist ausreichend, das Ausdrucken meiner Schriftsätze und ihr Versand per Post ist nicht erforderlich.

Ich bin gespannt, was in dieser Welt bewegenden Sache noch passieren wird. Der Begriff „Betreuungsgericht“ hat für mich jedenfalls nun eine völlig neue Bedeutung bekommen.

__
Bild: © Judith Lisser-Meister / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Richter, Strafverteidiger, Zivilrecht veröffentlicht und mit den Begriffen verschlagwortet.

21 Antworten auf Faxen und das Amtsgericht Charlottenburg

  1. 1
    Betreuung says:

    Das Gericht als Selbsthilfegruppe. lol!

  2. 2
    Thorsten says:

    Autsch!

  3. 3
    Vera S. says:

    Deutsche sind Spitzenreiter beim Konsum von Pappe und Papier | ZEIT ONLINE
    https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-10/verbrauch-pappe-papier-bundesregierung

  4. 4
    WPR_bei_WBS says:

    Oh man… Wenn man sich vorstellt, man hat so eine Richterin (die offenbar für logische Argumente auf Datenbasis nicht zugänglich ist) vor einem sitzen, wenn man sich gegen eine Betreuung oder Einweisung wehren will… Kafka, ick hör Dir trapsen…

  5. 5
    Uli says:

    Die Richterin ist es gewohnt, dass 90% aller anderen Anwälte (wahrscheinlich Zivilisten) ihre Schriftsätze „vorab per Fax“ einreichen, so dass Sie mit dem Altpapier/Thermopapier aus dem Gerichtsfax aus Ihrer Sicht zum Glück nicht arbeiten muss, da ja noch immer schön bedruckte Seiten hinterherkommen.

  6. 6
    Fischkopp says:

    Das Amtsgericht Bremen macht diesen Schwachsinn in verschiedenen Variationen noch immer mit, letztens verweigerte eine Wachtmeisterin am Zentral – Fax, die dort für die Verteilung aller eingehenden Schreiben zuständig ist, die Entgegennahme meines Faxes; Begründung: „Anschreiben fehlt.“ Dann habe ich die Dame via Telefon an ihr Patschehändchen genommen, ihr erklärt, dass eine Urkundenunterdrückung strafbar und nur das Aktenzeichen, nicht aber das Anschreiben, entscheidend ist. Mal sehen was, abgesehen davon, die von mir ebenfalls eingereichte Dienstfruchtlosbeschwerde bewirken wird…..

  7. 7
    Draalo says:

    Gibt es eigentlich auch Waldorf-Richter?

    Also solche die zu Beginn der Verhandlung erst mal die versammelte Mannschaft einen Stuhlkreis bilden lassen, voll auf pantomimische Zeugenvernehmung stehen, in der Verhandlungspause Globuli gegen das schlechte Karma im Saal verteilen und zum Schluss das Urteil tanzen?
    Nein? Sollte mal wer erfinden, kann die Situation nur verbessern.

  8. 8
    HugoHabicht says:

    Nur weil die StPO eine Verteidigung auch ohne Vollmacht zulässt (und sich daraus u.U. Vorteile für den Mandanten ergeben können) bedeutet das nicht, dass ein Gericht, welches nach völlig anderen Vorschriften tätig wird, ebenfalls eine Akte ohne Vollmachtsvorlage herausrücken muss. Mag es sich dabei auch um eine Annexsache zur Strafsache handeln.

    • Nur weil es möglich ist, einen Blogbeitrag – auch ohne ihn zu lesen (resp. zu verstehen) – zu kommentieren, bedeutet das nicht, dass es sinnvoll ist, einen Kommentar zu formulieren, der mit dem Blogbeitrag nichts zu tun hat.

      [   ] Sie haben den Blogbeitrag gelesen.
      [   ] Sie haben den Blogbeitrag verstanden.
      [X] Sie kommentieren trotzdem.

      crh

  9. 9
    Oma says:

    Das AG Charlottenburg, eine promovierten Richterin, verlangte auf Papier identisch nochmals 48 Seiten, weil es sich weigerte im September 2019 aus Gründen des Datenschutzes einen PKH-Antrag aus 2018 an das AG Charlottenburg herbei zu ziehen, sowie die Eidesstattliche Versicherung der Mandantin zu berücksichtigen, dass sich an den wirtschaftlichen Verhältnisse nichts Wesentliches änderte: Die Mandantin, eine Rentnerin, zahlt Miete etc. und lebt von wöchentlich 2 € Nahrung von den >Tafeln< seit zwei Jahren, weil gleichzeitig Rechtsstreit anhängig ist wegen monatlich (mtl.) 114 € Wohngeld / ergänzende Sozialhilfe zur Rente, sowie wegen mtl. 250 € für Medikamente, die die AOK nicht zahlen will.

    In der Sache vor dem AG Charlottenburg geht es um Erstattung von überzahlten Nebenkosten zu einer Mietwohnung aus 2016 in Höhe von rechtsanwaltlich beantragt 601 €, im angefochten Vergleich bereits zuerkannt 261 €. Trotz Obsiegens in der Sache wird die Mandantin voraussichtlich die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits gegen den Vermieter / Eigentümer bezahlen müssen in Form einer Selbstbeteiligung an der Rechtsschutzversicherung in Höhe von ca. 300 € pro Fall.

    Die Mandantin hat daraufhin ihren Antrag auf PKH zurück gezogen, denn der Vorschuss an den Rechtsanwalt ist bezahlt, ebenso der Gerichtskostenvorschuss; zusammen 289 €.

    Auch so kann man der Gentrifizierung als Amtsgericht Charlottenburg zusätzlich Vorschub leisten. (Der Eigentümer hat von 2016 bis 2019 durch Mieterhöhung eine Rendite von 50.000,- € eingefahren, weil er die Netto-Kaltmiete von monatlich 700 € auf 2.100,- € erhöhte!)

    Aus dem Einkommen eines Richters sind 48 Seiten Kopien plus Porto bezahlbar – für berentete Mandanten mitunter nicht mehr.

    Oder: ein Haar in der Suppe ist zuviel – ein Haar auf dem Kopf ist zuwenig.

  10. 10
    Herr Lehmann says:

    Nicht richtig ist aber zum einen die Aussage, die Verteidigervollmacht als solche – ob nachgewiesen oder nicht – berechtige zur Stellung irgendwelcher Anträge im Betreuungsverfahren.

    Ebenso unrichtig ist ferner die Aussage, eines Nachweises durch Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde bedürfe es im Betreuungsverfahren nicht; vielmehr gilt insoweit § 11 FamFG.

  11. 11
    Flamebeard says:

    @10: Und in wie weit berührt das §13 (2) 1.Satz? Es geht hier ja um Akteneinsicht durch Dritte. Und wie die Akteneinsicht durch CRH dem Mandanten, den er verteidigt (berechtigtes Interesse?), nun schaden soll, erschließt sich mir nicht.

  12. 12
    ThetaPhi says:

    Oh Kinners, lest halt. Es ging nur darum daß das Betreuungsgericht das psychologische Gutachten nicht an die Staatsanwaltschaft rausrücken soll. KEINER sollte irgendwelche Akten kriegen.

    Betreuungsgerichte sind (aus gutem Grund) immer seeeeeeeeeeehr auf saubere Vollmachten bedacht, was btw in deren Kontext auch nochmal was ganz anderes zu heißen imstande ist. Im hiesigen Fall, wo ein RA drauf hinwirkt daß im Sinne des Mandanten etwas *nicht* passiert, hätte evtl mal ein Funke zünden können…

  13. 13
    Flamebeard says:

    Gnnnnh… Stimmt. Ich hatte das beim ersten Lesen falsch verstanden, dass erstmal beim Betreuungsgericht Akteneinsicht erfolgen soll…

  14. 14
    Berti says:

    Schade, dass nicht das ursprüngliche Schreiben an das Gericht mitveröffentlicht wurde. Wäre interessant zu sehen, was es mit dem laut Gericht unbestimmten und unkonkreten Antrag auf sicht hat, dem nicht entnommen werden könne, „was der begehrte Gerichtsbeschluss inhaltlich aussprechen soll“. Bzw. inwiefern sich das Gericht hier möglicherweise hinter einer bloß behaupteten Unklarheit versteckt, um sich vor einer Entscheidung zu drücken.

  15. 15
    The says:

    Dass das Aktenzeichen noch nicht überall entfernt bzw verpixelt wurde, seh wohl nur ich…

  16. 16
    WPR_bei_WBS says:

    @ The / #15

    Nein ;-)

  17. 17
    Arno Nym says:

    1.) Eine schriftliche Vollmacht dürfte wegen § 11 Abs. 1 S. 3 FamFG nur gefordert werden dürfen, wenn ernstliche Zweifel an der Vollmacht bestehen. Vgl. in GBA-Sachen z.B. Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 21.03.2019 – 8 W 88/19

    2.) Ausdrucken und Versenden klingt jetzt ein bißchen nach Computerfax, nicht nach klassischem Fax. Das unterstellt wäre – anders als bei klassischem Fax – die Schriftform wohl nicht gewahrt (ist streitig, nach Einführung des BeA spricht aber mehr gegen als für die Einhaltung der Schriftform). Schriftform ist – für Anträge und Erklärungen – nach § 25 Abs.1 FamFG erforderlich.

    3.) Ein „Antrag“ muss m.E. aber gar nicht gestellt werden, hier geht es offenbar um eine bloße Erklärung, vergleichbar mit einer Schutzschrift. Und dann ist auch m.E. völlig egal, ob diese förmlich dem Gericht übermittelt wurde: Prüfen wird das Gericht den Vortrag trotzdem müssen.

    Ein Dritter – hier die StA – hat nur dann ein Akteneinsichtsrecht (die StA übrigends sehr eingeschränkt), wenn ein berechtigtes Interesse nachgewiesen wird, § 13 Abs. 2 FamFG. Wurde die Einstellung des Verfahrens (formlos) mitgeteilt kann ein berechtigtes Interesse eigentlich nicht mehr nachgewiesen werden.

    Kontrollieren kann man das aus Sicht des Anwalts trotzdem nicht und bei dem Verhalten der Betreuungsrichterin ist nicht auszuschließen, dass sie gleichwohl Akteneinsicht gewährt oder bereits gewährt hat.

    Manchmal wünscht man sich Richter mit mehr Augenmaß und insbesondere, dass die das mit dem „Organ der Rechtspflege“ mal ernst nehmen.

  18. 18
    RA Fuschi says:

    Auf so ein Schreiben würde ich ja den Schriftsatz dann per beA einreichen ;-)

  19. 19
    WPR_bei_WBS says:

    @ Arno Nym

    Interessanter Punkt mit der Schriftform, ist mir garnicht aufgefallen. Die Frage ist, wie crh vorgeht. Das „ausdrucken“ und der Fax-Dienstleister könnten den Schluß zulassen, dass er am Computer „unterschreibt“ und nicht in natura. Damit wäre die Schriftform wohl in der Tat nicht gewährt.

    Allerdings kann es natürlich auch sein, dass er regulär ausdrückt und unterschreibt, dass dann aber einscannt / einscannen lässt (er benutzt ja mitunter auch einen Dienstleister zum scannen, gut möglich dass dieser auch fast) und danach zwecks Platzersparnis gleich wieder schreddert (ist ja in der digitalen Akte).

  20. 20
    -thh says:

    @ Arno Nym: § 13 Abs.2 FamFG regelt nur die Akteneinsicht durch nicht am Verfahren beteiligte Personen, nicht aber durch – nicht am Verfahren beteiligte – Behörden. Insoweit gelten die allgemeinen Vorschriften.

  21. 21
    Arno Nym says:

    @ -thh: Sehe ich nicht so, vgl. z.B. LG Fulda, Beschluss vom 02.11.2011 – 5 T 201/11

    Außerdem: Welche allgemeinen (bzw. noch allgemeineren) Vorschriften denn?