Der ultimative Entlastungsbeweis

Vor einiger Zeit hatte ein Kollege die Verteidigung eines Mandanten übernommen, dem die Staatsanwaltschaft eine Untreue zur Last gelegt hat. Er sollte das Geld einer älteren Dame von deren Konto abgehoben und für eigene Zwecke verwendet haben.

Zwischen dem Vorwurf und dem Datum auf dem Kontoauszug lagen mehrere Jahre. Trotzdem hatte der Kollege ihn aufgefordert, wenigstens zu versuchen, ihm ein wenig Substanz zu liefern, aus der er etwas für seine Verteidigung entwickeln könnte.

Der Mandant trug vor, dass er unter anderem Katzenfutter für das Haustier der Dame besorgt habe; dafür hatte er tatsächlich auch noch eine Quittung aus der längst vergangenen Zeit. Für den Einkauf der Kosmetika und anderer Pflegeprodukte hat er jedoch keinen Beleg gefunden. Aber in seinem Fundus alter Fotos sei er fündig geworden:

Das sei eine Aufnahme, die er seinerzeit unmittelbar nach dem Einkauf angefertigt hatte, nachdem er die Sachen der Dame nach Hause gebracht habe. Die Datei habe er noch auf der Speicherkarte seines alten Telefons gefunden.

Wie jeder Strafverteidiger war auch der Kollege nicht gutgläubig. Sondern er schaute sich die Bildinformationen an, die EXIF Daten, die regelmäßig zusammen mit den bunten Pixeln gespeichert werden. Aufgenommen wurde das Bild mit dem aktuellen iPhone Xr, und zwar ein paar Minuten bevor der Mandat die Datei per eMail an den Kollegen geschickt hat. Auf Googel Earth konnte der Kollege dann mit Hilfe der in der Datei gespeicherten geographische Koordinaten, die durch’s Geotagging der Kamera hinzugefügt wurden, nachschauen, dass die Aufnahme beim Mandanten zuhause und nicht bei der Dame in der Pflegeeinrichtung gemacht wurde.

Manchmal ist es ziemlich schwierig, ein begonnenes Mandat mit professioneller Distanz fortzuführen, ohne dem Mandanten das Zeug, was er zur Verteidigung an seinen Anwalt liefert, links und rechts um die Ohren zu hauen.

Das Verfahren gegen den Mandanten endete nicht mit einem Freispruch.

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6 Antworten auf Der ultimative Entlastungsbeweis

  1. 1
    Berg says:

    Selbst wenn der Mandant so schlau gewesen wäre, die EXIF-Daten vorher zu Löchern, alleine am Verpackungsdesign (8×4) wäre zu erkennen gewesen, dass das Foto maximal wenige Tage alt sein kann.

  2. 2
    BV says:

    Und dann am besten noch in einer Wohnung aufgenommen, die der Mandant zum behaupteten Zeitpunkt noch gar nicht bewohnte. Manche halten Juristen auch wirklich für Idioten.

  3. 3
    tom says:

    Endlich ein Usecase für Deepfakes! ;-)

  4. 4
    Der wahre T1000 says:

    „Das Verfahren gegen den Mandanten endete nicht mit einem Freispruch.“

    Ich frag jetzt mal: wieviele Verfahren (prozentual) enden denn mit einem Freispruch? ich habe gehoert das seien sehr wenige. Zum einen soll es daran liegen, dass die Irrtuemer der Staatsanwaltschaften hinsichtlich Unschuldiger eher niedrig sind, also Vorwuerfe haeufiger zutreffen als nicht. Zum anderen wird wohl recht oft das Verfahren – mit oder ohne Auflage – eingestellt.

    Einen Freispruch gibt es wohl eher selten?

  5. 5

    4: wir leben in einer bösen, bösen Welt, durch die viele Verbrecher laufen, die nie bestraft werden. Von dem einen oder anderen Nobelpreisträger wurde das ganze als Gangster – Kapitalismus bezeichnet, was zutrifft.

    Es beginnt damit, dass die meisten Straftaten gar nicht erst angezeigt oder bemerkt werden. Vorsichtige Schätzung meinerseits: über 90%. Die Dunkelziffer bei Tötungsdelikten liegt über 80% – laut amtlicher Statistik. Das Wenige, was wirklich angezeigt wird, führten zu einer Verfahrenseinstellung, diesmal in etwas über 90% der Fälle. Vor diesem Hintergrund bleiben nur noch wenige Anklagen übrig, die dann in fast allen Fällen auch zu einer Verurteilung führen. Wieder über 90%.

    Freisprüche kommen meist in amerikanischen Krimiserien vor, und sind im Übrigen extrem selten.

    Häufig sind falsche Zeugenaussagen der Hintergrund. Es kann auch sein, dass der ganze Fall aus zusammen frisierten und zusammengekünstelten Fälschungen besteht, die in einer Akte gesammelt wurden. In solchen Fällen gab es auch schon hin und wieder Freisprüche.

    An diesem Fall interessant ist, dass der Täter, untechnisch formuliert, denn er ist ja noch nicht verurteilt, völlig bedenkenlos Beweismittel verfälscht hat. Oder besser gesagt, er hat sie erfunden. Oder ihre Existenz vorgetäuscht. Dann taucht die Vermutung auf, dass relativ viele Kosmetika, Shampoos und so weiter nicht da gelandet sind, wo sie eigentlich hingehören.

    Eine böse, böse Welt.

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    Natriumdapflampe says:

    Ich wurde einmal in meinem Leben angeklagt und das Verfahren endete mit einem Freispruch – obwohl mir mein RA dringend nahegelegt hatte, den Strafbefehl zu akzeptieren.
    Die Freichspruchsquote in meiner kleinen Welt beträgt daher 100%.