Juristische Argumentationstechnik

Es geht um den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Verteidigung hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt und reklamiert einen Meßfehler.

Das gefällt der Richterin an einem kleinen, feinen Amtsgericht im Lande Brandenburg nicht.

Sie teilt informell mit:

Das Gericht beabsichtigt daher nicht, zu Werten eines Fahrzeughecks, dessen Front bereits gemessen werden darf und nicht schneller sein kann, als das Heck, welches noch 5 m aus dem 50m-Raum hinausragt, ein Gutachten einzuholen.

Der Richterin ist zuzugestehen, daß sie zumindest die Grundlagen der Fahrphysik verstanden hat. Aufbaukurse für Fortgeschrittene dann in der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung.

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Bild: © Aleix Llovet Vidal – Own work, CC BY-SA 3.0 / via wikimedia

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht, Philosophisches, Richter veröffentlicht.

4 Antworten auf Juristische Argumentationstechnik

  1. 1
    Kater Karlo says:

    Wo ist das Problem, wenn die Fahrzeugfront innerhalb des Messbereiches gemessen wurde?
    Ich nehme an, der Beträgt 20-50m.
    Wenn das Heck 5m hinausragt, das Auto allerdings kürzer ist, sieht das schon anders aus. Bin gespannt auf die Argumentation.

  2. 2
    Kai says:

    Herr Hoenig darf als rennstreckenerprobter Motorradfahrer an dieser Stelle übrigens mal gerne das gezeige Bild erklären, wer diese Unsitte des herausgestreckten Beines in Kurven erfunden hat, die inzwischen selbst zwischen Hintertupfingen und Uterwesel zum guten Motorradfahren zu gehören scheint.

  3. 3
    Hauke says:

    Das Heck kann nach Ablauf der Zeit, die es benötigt, um eine Strecke von 5m zurückzulegen, langsamer sein, als die Front zu Beginn der Zeitmessung.

    Bei einer Beschleunigung von -5m/s^2 benötigt ein Fahrzeug etwa 1/3 Sekunde, um von Tempo 59km/h auf Tempo 53km/h abzubremsen. Es legt dabei eine Strecke von etwa 5m zurück. Abzgl. der Messtoleranz von mindestens 3km/h bei stationären Messsystemen ergibt sich für das Heck bei Erreichen des zulässigen Messbereichs unter der Annahme einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50km/h…

  4. 4
    Engywuck says:

    @Hauke: implizit in Deiner Rechnung ist die Annahme, dass das Auto ein starrer Körper ist. Strengenommen ist es das aber nicht – Front und Heck können sich mit verschiedenen Geschwindigkeiten und auch Beschleunigungen bewegen (wenn auch nicht lang). Bestes Beispiel dafür ist der Aufprall auf eine Mauer: Eine Winzigkeit vor dem Aufprall bewegen sich Front und Heck mit (etwa) derselben Geschwindigkeit, eine Winzigkeit danach hat die Fornt die Geschwindigkeit 0, während das Heck noch fast ungebremst die ursprüngliche Geschwindigkeit hat. Hier sorgt dann die Verformung für ein Abbremsen.
    Ein anderes Bespiel ist ein Rotieren (eine Kurve): hier ist mindestens die Richtung der Geschwindigkeit eine andere – und damit die Relativgeschwindigkeit zu einem stationären Beobachter.