Droht Campino die Untersuchungshaft?

Herr Campino klettert zusammen mit mindestens zwei Damen in ein öffentliches Schwimmbad; genauer: In das Georg-Arnhold-Bad. In Dresden. Und zwar außerhalb der Freibadöffnungszeiten! Also nicht wirklich öffentlich.

Das geht gar nicht, ist deswegen verboten und kann – wenn auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen – bestraft werden.

Dazu hilft ein Blick ins beliebte Strafgesetzbuch. § 123 StGB regelt den sogenannten Schwimmbadfriedensbruch:

Wer in das Freibad eines anderen widerrechtlich eindringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Man könnte aber auch an § 265a StGB denken:

Wer den Zutritt zu einem Schwimmbad in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Beides – also der Schwimmbadfriedensbruch und das Erschleichen des Zutritts zum Schwimmbecken – sind Antragsdelikte, werden also erst einmal nur dann verfolgt, wenn der Bademeister einen entsprechenden Strafantrag stellt.

Medienberichten zufolge soll der sächsische (Law and Order – Sie wissen schon.) Bademeister genau einen solchen Antrag gestellt haben.

Ob das am Ende zu der Verhängung einer Freiheitsstrafe führen würde, hängt u.a. entscheidend von dem Vorstrafregister des Musikanten ab. Darüber liegen mir keine zitierfähigen Gerüchte vor.

Aaaaaber, und jetzt komme ich auf die Frage in der Überschrift zu sprechen:

Der Mitteldeutsche Rundfunk (also der Funk zwischen Ostpreußen und dem Saarland – oder andersherum: Zwischen Maas und Memel) und andere Medien zitieren aus einem Brief des Schlagersängers an den Bademeister:

Uns ist bei dem nächtlichen Ausflug aufgefallen, dass z.B. die Startblöcke leichte Verschleißerscheinungen hatten und so wollen wir gerne mit einer kleinen Spende von 5.000.-€ mögliche Erneuerungsmaßnahmen an dieser und anderer Stelle unterstützen. Gerne würden wir damit auch die noch ausstehenden Eintrittsgelder von unseren Begleiterinnen und Begleitern in dieser Nacht begleichen.

Die 5.000-Euro-Spende soll also den zeugenden Geschädigten dazu veranlassen, sein Strafverfolgungsinteresse zu relativieren und den Strafantrag zurück zu nehmen.

Aus Sicht eines Strafjuristen ist das eine relativ gefährliche Kiste. Denn schauen Sie bitte mal in den § 112 StPO hinein, der die Gründe für die Anordnung einer Untersuchungshaft regelt:

Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
[…]
3. das Verhalten von Campino den dringenden Verdacht begründet, er werde
[…]
b) auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige, insbesondere aber auf Bademeister, in unlauterer Weise einwirken
[…]
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).

Ok, ich kenne ein paar Ermittlungsrichter, die vor nichts zurückschrecken (und auch ein paar, die gern ihren Namen mal in der Zeitung lesen möchten). Aber der nächtliche Schwimmbadbesuch und die höflich formulierte Bitte um Vergebung, verbunden mit dem Angebot eines Quasi-Täter-Opfer-Ausgleichs zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens und der Startblöcke, wird wohl eher nicht zur Einlieferung in die JVA Dresden führen (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO).

Aber Vorsicht:
Die Kontaktaufnahme eines Beschuldigten mit dem Geschädigten während des laufenden Ermittlungsverfahrens ist jedoch grundsätzlich eine pikante Angelegenheit, die man – wegen des oben zitierten § 112 StPO – nur mit äußerster Vorsicht angehen sollte. Wenn ich jetzt empfehle, diesen Weg nur mithilfe eines Strafverteidigers zu gehen, wird man mir sicher vorwerfen, ich würde hier den Campinobadetag zur Eigenwerbung nutzen; deswegen lasse ich es.

Aber sage mir hinterher keiner, ich hätte nicht davor gewarnt, Zeugen zu bestechen.

__
Bild: Von Matthias Muehlbradt from Berlin, Germany – Campino, CC BY 2.0, Link

Dieser Beitrag wurde unter Knast, Strafverteidiger, Verteidigung, Zeugen veröffentlicht.

21 Antworten auf Droht Campino die Untersuchungshaft?

  1. 1
    gockel says:

    Im Sommerloch wird vielleicht noch eine Hausdurchsuchung vorgenommen und Alltagsutensilien beschlagnahmt.

    „Heute haben an mehreren Orten in Berlin Razzien stattgefunden, bei denen Leute bedroht, Türen zerschlagen und Alltagsuntensilien (wie z.B. Zwillen) beschlagnahmt wurden.“
    https://de.indymedia.org/node/21611.

  2. 2
    Fry says:

    Mal grundsätzlich gesprochen: ist es wirklich strafbar, wenn der Beschuldigte eines ANTRAGSdelikt dem Antragsteller (=mutmaßlich Geschädigten) ein finanzielles Angebot zu machen, damit er seinen Antrag fallen lässt? Warum? Es würde doch dem Rechtsfrieden dienen und die Justiz entlasten.

    • *Strafbar* ist es auch nicht. Aber es kann zum Verlust eines Beweismittels und einer Strafverfogungsvoraussetzung führen. Und so einen Koitus interruptus mag man bei der Staatsanwaltschaft nicht so gern und löst dort u.U. einen Antrag aus – den auf Erlaß eines Haftbefehls wegen der sogenannten Verdunkelungsgefahr.
       
      Deswegen lautet meine Empfehlung auch: Ganz vorsichtig und innerhalb der Grenzen, die der Staatsanwaltschaft keine Angriffspunkte liedert. Das ist für strafprozessuale Grobmotoriker zu gefährlich. crh
  3. 3
    Der wahre T1000 says:

    Immer wieder schön, wenn man als Nicht-Jurist von Gesetzen hört, die geradezu absurd sind.

    Gibt es doch tatsächlich zwei Spezialvorschriften, die sich mit Schwimmbädern befassen. Ich hätte echt gedacht, dass „Erschleichen von Leistungen“ und „Hausfriedensbruch“ ganz allgemein geregelt wären und es für Schwimmbäder keine Extrawurst gibt. Wer bekommt denn noch alles Extrawürste?

  4. 4
    Gmbhprobleme says:

    U-haftgründe sind bei Geldstrafe bis Freiheitsstrafe ausgeschlossen.

    • Nö. crh
  5. 5
    Non Nomen says:

    Also zur Verdunkelungsgefahr sehe ich keine Anhaltspunkte. Wenn ich mich recht erinnere und die veröffentlichten Fotos sehe, dann war das Bad hell erleuchtet, möglicherweise brannte sogar die Unterwasserbeleuchtung. Da kann man eher an Helfershelfer aus der Bademeisterszene denken, die Campino beim Wassercontainern zugearbeitet haben. Verdunkelt hat er jedenfalls nix und in der Ostzone galt schon immer die eiserne Regel „Der letzte macht das LIcht aus“.

  6. 6
    Kater Karlo says:

    Einen Anwalt schien er nicht gefragt zu haben, denn er läßt das Wichtigste aus:
    Begleichung SEINES Eintrittsgeldes :p

  7. 7
    WPR_bei_WBS says:

    @ Der wahre T1000

    Es sind drei Spezialvorschriften. Sie haben den von crh zitierten §112 II Nr. 3 b), vierte Alternative StPO vergessen.

  8. 8
    Es ist auch wirklich warm draußen says:

    Die Badehose als Tatmittel sollte dringend eingezogen werden.

    PS. Die Bilanz der Dresdner Bäder GmbH lässt nicht darauf schließen, dass 5.000 Euro sonderlich helfen.

  9. 9
    Kai says:

    Schon interessant, wie sich Rechtsnormen und insbesondere der Grundgedanke des Recht von Land zu Land unterscheiden können. In den USA ist es meiner Kenntnis nach Gang und Gäbe, dass über solche außergerichtliche Einigungen Strafverfahren vermieden werden.

    Man erinnere sich nur an prominente Fälle wie Michael Jackson, der sein mutmaßliches Opfer finanzell „entschädigte“, um einem Verfahren zu entgehen.

    Ist es einem Opfer einer Straftat durch eine Verurteilung des Täters eher geholfen als durch eine freiwillige außergerichtliche Einigung? Auf der anderen Seite, ist so etwas einer Gesellschaft zuzumuten, dass man sich „freikaufen“ kann?
    Gäbe es eventuell einen Mittelweg?

    Wäre doch mal ein klasse Thema für einen eigenen Blogbeitrag.

  10. 10
    WPR_bei_WBS says:

    @ Kai

    Den Mittelweg hat Deutschland doch: Es gibt Delikte, wo’s einen Strafantrag braucht (der auch wieder zurück gezogen werden kann), wie z. B. Campino’s Hausfriedensbruch.

    Und es gibt Dinge, wo der Staatsanwalt verfolgen kann, und Dinge wo der Staatsanwalt verfolgen muss, ohne dass der geschädigte dafür seinen Segen geben muss. Wie z. B. Kindesmißbrauch. I’m Prinzip doch ganz gut gelöst.

  11. 11
  12. 12
    Örechtler says:

    Vielen Dank für die kompakte Info über die Änderungen des materiellen Strafrechts anhand eines aktuellen Falles! Hatte ich gar nicht mitbekommen, und das in vernetzten Zeiten, in denen man nicht mehr Schönfelder nachheften muss. Eine Frage noch: Wird beim Schwimmbadfriedensbruch näher zwischen Hallenbadfriedensbruch und, wie im Fall, Freibadfriedensbruch, differenziert, z.B. in den Gesetzesmaterialien?

    • Der Hallenbad-Friedensbruch ist der besonders schwere Fall des Freibad-Friedensbuchs. crh
  13. 13
    Roland B. says:

    Ein Hallenbad ist doch per Definition kein Freibad. Wie kann dann der Hallenbadfriedensbruch ein besonders schwerer Fall des Freibadfriedensbruchs sein?

    Anders natürlich, wenn Freibad meint, daß der Eintritt frei ist, dann kann natürlich auch ein Hallenbad ein Freibad sein.

  14. 14
    Engywuck says:

    Wenn das Hallenbad einen Außenbereich mit eigenen (oder mit dem Inneren verbundenen) Becken hat: kann man dort einen kombinierten Hallenbad- und Freibadfriedensbruch begehen?

  15. 15
    raddi says:

    Beim Übergang vom Außenbecken zum Innenbecken dürfte ein neuer Tatentschluss vorliegen. Also – 2 Anzeigen. Es könnte allerdings Tateinheit bestehen.

  16. 16
    U-Haft says:

    U-Haft für Schwimmbadfriedensbruch – wenn Juristen scherzen. ;-)

  17. 17
  18. 18
    Nero says:

    Alternativ wäre der Sofortkauf der „Dresdner Bäder GmbH“ denkbar. Oder es geht eine kariesverdächtige Großlieferung von Storck-Campino-Badebonbons an das dortige Badevolk.

  19. 19
    Sofortkauf says:

    @Nero,

    ich glaube, eine GmbH in kommunaler Hand steht nicht bei eBay zum „Sofortkauf“.

  20. 20
    HugoHabicht says:

    @gockel

    Alltagsuntensilien (wie z.B. Zwillen)

    Was so alles unter den Begriff Alltag fallen kann.

  21. 21
    jansalterego says:

    @raddi

    Aber nur, wenn man dafür aus dem Becken aussteigen muss und nicht, wie vielerorts, durch diese Gummilappen schwimmen kann.