Monatsarchive: Januar 2017

Warum macht er das?

Am Wochenende hat es in Köln einen Vorfall vor einer Schwulenbar gegeben, über den selbstverständlich der Boulevard berichtete. Die Polizei Köln lieferte dann in der Pressemitteilung POL-K: 170129-3-K die folgende Fakten:

Am frühen Samstagmorgen hat ein junger Mann (21) in der Kölner Innenstadt einen Türsteher (34) mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Der 34-Jährige hatte zuvor dem Kölner und seinen zwei Begleitern (17, 21) den Zugang zu einer Bar verweigert. Der 21-Jährige flüchtete zunächst vom Tatort, stellte sich jedoch am Sonntagmorgen auf einer Polizeiwache.

Gegen 4.30 Uhr war es vor der Lokalität auf der Schaafenstraße zu der Auseinandersetzung gekommen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand griff der Abgewiesene den Bar-Angestellten von vorne an. In dem entstandenen Gerangel zog er ein Messer und stach seinem Gegenüber zweimal in den Rücken. Anschließend flüchtete er in Richtung Habsburgerring.

Ein Rettungswagen brachte den schwer aber nicht lebensgefährlich Verletzten in ein Krankenhaus. Ein Streifenteam fand auf dem Fluchtweg die mutmaßliche Tatwaffe und stellte sie sicher.

Eine Polizeibeamtin vernahm den aus dem Irak stammenden Angreifer noch am Sonntagmorgen. Er muss sich in einem Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung für seine Tat verantworten.

Beide Berichte stammen vom 29.01.2017, jeweils kurz nach 12 Uhr.

Aber auch Herr Prof. Dr. Ralf Höcker äußerte sich zu dem Vorfall. Auf seinem Facebook-Profil. Und zwar bereits am 28.01.2017 um 05:02 Uhr.

Ich bin zu einer Zeit auf diesen Beitrag des Medienrechtlers aufmerksam geworden, zu der ich meine, daß Höcker von einem Mordversuch durch einen Nafri geschrieben hat. Wenig später fand ich dann die Formulierung:

Ein Täter mit nach Zeugenangaben nordafrikanischem Aussehen …

Das Update des Beitrags hat mich interessiert und weil ich mehr sicher war, ob Herr Höcker tatsächlich in seiner ersten Version des Beitrags von einem Nafri geschrieben hat, habe ich nachgefragt:

Das kann Herr Höcker so machen, er kennt sich ja mit dem Äußerungsrecht aus und weiß um die Grenzen zum strafbaren Rassismus.

Im weiteren Verlauf berichtet er dann, daß es gar kein Nafri, sondern ein Kurde war. Am Ende dann ist es ein Iraker. Jedenfalls ein Fremder, der nicht aus Köln kommt. Ob das das Entscheidende für Herrn Höcker war und die Nationalität nur Nebensache?

Werfen wir aber mal einen Blick auf die strafrechtlichen Kompetenzen des Herrn Höcker. In einem weiteren Facebook-Post doziert er Strafrecht am konkreten Fall:

Herr Höcker subsumiert unter die Begriffe Totschlag, Mord, außergewöhnlicher Intensität, bedingter Vorsatz, Tatmotiv Rache als niedriger Beweggrund, Heimtücke; später gibt der professorale Medienrechtler noch Strafmaßprognosen für eine gefährliche Körperverletzung ab und diskutiert über den Rücktritt vom Versuch.

Alles Rechtsprobleme, an denen sich die Strafrechtler nicht selten die Zähne ausbeißen. Herr Höcker schüttelt das aus seinem Anzugsärmel, der in unmittelbarer Verbindung zum Tatgeschehen stehen muß; er scheint bereits über sämtliche Details zu verfügen, die die Ermittlungsbehörden im Laufe der nächsten Wochen noch feststellen und in die Akten schreiben werden.

Erst nachdem die von mir sehr geschätzte Hamburger Strafverteidigerin Doris Dierbach mahnend in die Runde fragt

Beteiligen sich jetzt hier ernsthaft Rechtsanwälte, womöglich Strafverteidiger ohne eigene Kenntnisse des Sachverhalts geschweige denn Aktenkenntisse an Mumassungen und Schreien nach „richtiger“ Strafverfolgung?

… bremst der von mir nicht geschätzte Höcker seinen Parforceritt durch’s Strafrecht und scheint (späte) Einsicht(?) zu formulieren:

Ich habe keine Aktenkenntnis, deshalb muss ich vorsichtig sein.

Aber um nun mal auf die Überschrift dieses Blogbeitrages zu kommen.
Was treibt den deutschen Mann aus Köln um? Eine Antwort auf diese Frage könnte ein Blick in die Kommentare seiner Facebook-Freunde geben, bei denen er augenscheinlich nach Komplimenten fischt:

Ich ziehe mal meinen eigenen Schluß daraus:
Höcker gräbt sein strafrechtliches Wissen, das er vor ein paar Jahren im Grundstudium erworben hat, aus, um Stimmung zu machen. Er nutzt seine Position als bekannter Medienrechtler, um ein Gedankengut zu verbreiten, das vielleicht in so lauschigen Örtchen wie Clausnitz, Heidenau, Freital und Bautzen auf Gegenliebe stoßen könnte. Höcker wird gefeiert von Gesellen, die Menschenmüll platt machen wollen, wenn man sie denn ließe.

Alternativen?
Statt einer solchen Stimmung entschieden entgegen zu treten (und z.B. solche widerwärtigen Kommentare zu löschen), könnte ich fast den Eindruck gewinnen, er hat Freude daran. Ich hoffe ernsthaft, daß Höcker über ein Mindestmaß an Selbstreflektion verfügt, um zu erkennen, welches Öl er da in ein gefährliches Feuer kippt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er die Lynchjustiz tatsächlich will, die er mit solchen Veröffentlichungen befördert.

Was mich sonst noch interessiert
Liebe Kolleginnen und Kollegen Dr. Carsten Brennecke, Dr. Frauke Schmid-Petersen, Dr. Sven Dierkes, Dr. Ruben Engel, Dr. Marcel Leeser, Dr. Johannes Gräbig, Dr. Christian Conrad, Dr. Anja Wilkat, Dr. Lucas Brost und Dr. Julian Rodenbeck. Wie positioniert Ihr Euch zu dem Verhalten Eures Frontman’s?

Update:
Herr Höcker legt noch einmal nach, nachdem ein Gericht gegen den Beschuldigten keine Untersuchungshaft angeordnet hat. Der Medienanwalt kennt sich vermutlich besser aus im Strafrecht als ein Strafrichter. Höcker findet es „unerträglich, dass der Täter[sic! crh] wieder frei durch unsere Stadt läuft„. Deswegen verteilt er großzügig Ratschläge an potentielle Nebenklagevertreter.

Unerträglich, das Wort fällt mir in einem anderen Zusammenhang ein.

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BRAK fordert faires Verfahren für verhaftete türkische Rechtsanwälte

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat die nachfolgend zitierte Presseerklärung veröffentlicht:

Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat heute einen offenen Brief an den türkischen Justizminister Bekir Bozda? gerichtet. Nach aktuellen Angaben aus der türkischen Anwaltschaft (Arrested Lawyers Initiative) sollen sich noch immer ca. 270 Rechtsanwälte in Haft befinden, nachdem ihnen, wie auch zahlreichen Richtern und Staatsanwälten, die Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen vorgeworfen wurde. Unter den inhaftierten Rechtsanwälten sollen sich auch mehrere Präsidenten und ehemalige Präsidenten der regionalen Anwaltskammern befinden. Landesweit sollen aufgrund desselben Vorwurfs 29 Anwaltsvereine verboten und ihr Vermögen beschlagnahmt worden sein. Die türkische Anwaltschaft sieht sich durch diese Maßnahmen an der Ausübung ihres Anwaltsberufs gehindert und die Interessen ihrer Mandantschaft nachhaltig bedroht.

BRAK- Präsident Ekkehart Schäfer äußert e sich angesichts der hohen Zahl der Verhafteten besorgt über die Entwicklung in der Türkei: „Es ist irritierend, dass in einem so kurzen Zeitfenster zielgerichtet Zwangsmaßnahmen gegen eine so hohe Zahl von Anwälten ergriffen wurden. Solche Maßnahmen beeinträchtigen die anwaltliche Berufsfreiheit und wirken sich damit auch auf die Rechte der Mandanten aus.“ Die BRAK mahnte daher eine sorgfältige Überprüfung der Vorwürfe an und forderte den türkischen Justizminister auf, die Ermittlungen so durchführen zu lassen, dass sie rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen.

Was uns auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger von der türkischen Kollegin Fethiye Cetin berichtete wurde, war erschreckend. Massenentlassungen in der Justiz, gravierende Einschränkunge von Kolleginnen und Kollegen in ihrer Berufsausübung und die Installation eines Bollwerks gegen Klagen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellen meiner Ansicht nach die de-facto-Abschaffung (aka: Gleichschaltung) einer unabhängigen Justiz dar.

Was uns hier bleibt?
Hilfreich ist auf jeden Fall die Veröffentlichung der aktuellen Zustände in der Türkei. Deswegen meine Bitte um weitere Verbreitung der Pressemitteilung und ggf. auch des Offenen Briefs (pdf).

1 Kommentar

»Jajaja!« rief Meister Böck. »Bosheit ist sein Lebenszweck!«

Aus mutmaßlich gut unterrichteten Justizkreisen wird kolportiert, daß es unter Rechtsanwälten Krawallverteidiger geben soll. Also Strafverteidiger, denen es auf mehr als auf die systembedingten Konflikte ankommt.

Ich prüfe derzeit, ob es auch innerhalb dieser Justizkreise Krawallrechtspfleger und Krawallrichter gibt.

Das Testfeld
Diese Prüfung erfolgt in dem recht überschaubaren Umfeld meines Antrags auf Festsetzung und Auszahlung eines Vorschusses auf die Reisekosten. Ich bin dem Angeklagten zum Pflichtverteidiger bestellt. In den Monaten Januar und Februar wurde ich zu insgesamt acht Hauptverhandlungstermine vor die 29. Strafkammer des Landgericht Frankfurt am Main geladen. Voraussichtlich fallen pro An- und Abreise 450 Euro an.

Die Verwechselung
Herr Rechtspfleger Rössel vertrat nun die Ansicht, daß sein solcher Vorschuß „nicht festsetzbar“ sei. Da scheint er aber etwas verwechselt zu haben. Recht hätte er, wenn ich einen Vorschuß auf die Pflichtverteidiger-Vergütung beantragt hätte. Habe ich aber nicht.

Kein Kredit
Ich will lediglich die Kosten für Taxi, Bahn und Flugzeug vorgeschossen bekommen. Und warum will ich das? Weil ich es darf und nach § 47 RVG darauf einen Anspruch habe. Und weil ich nicht der Kreditgeber des Landes Hessen sein möchte.

Amputation
Naja, von Rechtspflegern bin ich es ja gewohnt, daß sie auf Krawall gebürstet sind, sobald sie sich von dem Geld der Justizkasse trennen müssen. Das geht eben bei manchen fast nur mit der Kettensäge.

Kandidat Nr. 2
Nun habe ich mir aber noch den Vorsitzenden Richter der 29. Kammer, Herrn Rögler, als Kandidaten für die Krawallprüfung herangeholt. Ich hatte ihm mitgeteilt, daß ich zum nächsten Termin am Mittwoch nicht anreisen werde, wenn mir der Reisekostenvorschuß nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird. Tja, und was schreibt mir Herr Rögler?

… wurden Ihnen unter dem 17.01.2017 1597,47 € angewiesen. Ich gehe daher davon aus, dass sich die Anträge auf Aussetzung der Termine erledigt haben. Eine Aufhebung der Termine ist nicht beabsichtigt.

Noch eine Verwechselung?
Ja, es ist richtig. Herr Rössel war so großzügig, mir knapp 1.600 Euro zu überweisen. Aber sowohl der Rechtspfleger als auch Herr VRiLG Rögler wissen (bzw. hätten wissen können und müssen), daß es sich bei diesem Betrag um die Reisekosten für November und Dezember handelte. Die ich bereits verauslagt hatte. Und nun im Nachhinein erstattet bekam.

Drohende Platzung
Herr Rögler sieht aber nun ein Problem auf sich zukommen. Wenn ich jetzt nicht zum Termin erscheine, platzt das Verfahren. Der letzte Termin war am 10. Januar. Wenn nicht bis zum 1. Februar weiterverhandelt wird, ist die Frist des § 229 Abs. 1 StPO überschritten und es greift § 229 Abs. 4 Satz 1 StPO. Das mag der Vorsitzende nicht, weil es damit auch eng werden könnte mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen, das seinen Niederschlag in § 121 StPO gefunden hat.

Noch eine Drohung
Was macht der Vorsitzende Rögler also? Richtig! Er droht mir mit einem empfindlichen Übel:

Höchstvorsorglich wird auf § 145 Abs. 4 StPO hingewiesen.

Das reicht ja eigentlich schon fast, um die Ausgangsfrage zu beantworten. Ist der Krawall wirklich notwendig oder leicht vermeidbar?

Verständlich
Ich denke, es ist Konsens, daß der Vorsitzende Richter einer Wirtschaftstrafkammer kein Dummkopf ist. Er wird den Text des § 47 RVG lesen und verstehen können. Wenn nicht: Ihm stehen ja auch noch seine qualifizierten Beisitzerinnen zur Seite, die er mal eben fragen kann. Aber gehört da wirklich mehr als nur ein mittelmäßiges Abitur dazu, um die Worte …

Wenn dem Rechtsanwalt […] ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, kann er für die […] voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern.

… zu verstehen?

Glaubensfrage
Ein intellektuelles Problem scheint also nicht vorzuliegen. Aber was ist das denn dann, das die beiden Justiziellen umtreibt? Es könnte also wirklich der Krawall sein, den die Herren Rössel und Rögler da ohne Not vom Zaun brechen. Glauben die zwei wirklich ernsthaft, ich haue mit dem Kostenvorschuß ab und überlasse meinen Mandanten, den ich seit 2006 vertrete, den Klauen dieser kafkaesken Frankfurter Justiz?

Mal nebenbei eine Frage in die Runde:
Wenn ein Rechtspfleger und/oder ein Richter absichtlich (dolus directus 1. Grades) contra legem handeln – gibt es dafür nicht irgendwo im Strafgesetzbuch eine passende Vorschrift? Und für diese Androhung, mir die Kosten überhelfen zu wollen, wenn ich nicht ohne Vorschuß nach Frankfurt anreise – ist das nicht auch irgendwo im StGB geregelt? Ich kenn mich mit sowas nicht so gut aus …

Epilog

Ach, was muß man oft von bösen
Richtern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
welche Max und Moritz hießen;

Könnte passen.

Aber eine Frage habbich noch:

Wenn der Vorschuß nicht kommt: Soll ich ...


     

 

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Bild: Gemeinfrei

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Keine Durchsuchungen in Sachsen

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof teilt mit:

Durchsuchungen in mehreren deutschen Städten gegen mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen Vereinigung

In einem Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsextremistischen Vereinigung werden aufgrund von Beschlüssen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs seit heute Morgen (25. Januar 2017) insgesamt 12 Wohnungen und weitere Räumlichkeiten in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt durchsucht, darunter die Wohnungen von sieben Beschuldigten. An dem Einsatz sind etwa zweihundert Polizeibeamte der Länder Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt beteiligt.

Gegen sechs Beschuldigte, die vorwiegend über soziale Medien miteinander vernetzt sind, besteht der Verdacht, sich zu einer rechtsextremistischen Vereinigung (§ 129a StGB) zusammengeschlossen zu haben. Sie sollen seit Frühjahr 2016 in Planungen eingetreten sein, bewaffnete Angriffe auf Polizisten als Repräsentanten des Staates, Asylsuchende und Menschen der jüdischen Glaubensgemeinschaft zu begehen. Dem siebten Beschuldigten wird vorgeworfen, die Gruppe durch Beschaffungshandlungen unterstützt zu haben.

Ziel der heutigen Durchsuchungsmaßnahmen ist es, weitere Beweismittel für das tatsächliche Bestehen einer Vereinigungsstruktur sowie zu den angeblich geplanten Straftaten und zu etwaigen Tatmitteln zu gewinnen. Erkenntnisse zu konkreten Anschlagsplanungen liegen derzeit nicht vor.

Mit den kriminalpolizeilichen Ermittlungen hat die Bundesanwaltschaft das Landeskriminalamt Baden-Württemberg beauftragt. Weitergehende Auskünfte können mit Blick auf die laufenden Ermittlungen und die noch andauernden Durchsuchungsmaßnahmen derzeit nicht erteilt werden.

Quelle: Pressemitteilung 8/2017 vom 25.01.2017

In Sachsen hat es demnach keinen Anlaß gegeben, gegen mutmaßliche Mitglieder einer rechtsextremistischen Vereinigung zu ermitteln. Dafür waren die Berliner Polizisten erfolgreich dabei:

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Warum unser eMail-Kurs für Selbstverteidiger unentbehrlich ist

667696_web_R_K_B_by_Rainer Sturm_pixelio.deWir können uns ja nicht immer selber loben für die tollen Informationen, die wir auf unserer Website anbieten. Aber das müssen wir ja auch gar nicht. Das übernehmen schon die Besucher der Seiten und unsere Mandanten.

Ich freue mich, eine freundliche eMail veröffentlichen zu können (und zu dürfen), die uns ein Abonnent unseres eMail-Kurses „Selbstverteidigung in Bußgeldsachen“ geschickt hat.

Liebes Team der Kanzlei Hoenig,

vor 3,5 Jahren habe ich Ihren Selbstverteidigungs-Kurs mitgemacht. [Im Frühsommer] wurde ich dann zum ersten Mal derart geblitzt (Autobahn mit 21 drüber, 70 Euro + Gebühren, 1 Flens), dass sich die Anwendung der vermittelten Inhalte gelohnt hätte.

Eigentlich wollte ich nur auf Zeit spielen, als meine Mutter (Auto auf sie zugelassen) vom Zeugen-Anhörungsbogen berichtet hat. Sie wollte unbedingt ein Fahrtenbuch vermeiden, also hat sie mich angegeben… Dann kam mein Anhörungsbogen, auf den ich schon dass Messverfahren angezweifelt habe. [Einen Monat später] kam dann der Bußgeldbescheid. Nach einem Einspruch und bis heute nicht erfolgter Einspruchbegründung erreichte mich kurz vor Weihnachten die Nachricht, dass der zuständige Richter des Amtsgerichts an eine Einstellung denkt, da eine Rechtsverfolgung nicht geboten sei. Seit heute halte ich den entsprechenden Beschluss in der Hand.

Ich möchte mich auf diesem Weg sehr herzlich dafür bedanken, dass Ihre Kanzlei diesen Online-Kurs bereitstellt.

Wer es auch mal versuchen möchte, also zu schnell fahren und sich dann selbst verteidigen, kann sich hier anmelden. Dort lernt man, wie ein Bußgeldverfahren abläuft und wie man die Möglichkeiten optimal nutzt, die einem unverteidigten Beschuldigten zur Verfügung stehen.

Besten Dank an den Kursabsolventen für seine Rückmeldung, über die wir uns sehr gefreut haben.
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Bild: © Rainer Sturm / pixelio.de

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Sippenhaft fürs Bußgeld?

Die Möglichkeiten, eine Geldstrafe mit der Ersatzfreiheitsstrafe „abzusitzen“ oder im Rahmen des Programms „Schwitzen statt Sitzen“ abzuarbeiten, sind weitgehend bekannt. Darüber hatte ich unter anderem vor einigen Tagen hier geschrieben.

Was passiert aber bei Geldbußen, die im Bußgeld- bzw. Ordnungswidrigkeiten-Verfahren verhängt werden und die der Betroffene nicht bezahlt?

Zahlt jemand nachhaltig seine Geldbuße nicht, gibt es „nur“ die Erzwingungshaft, § 96 OWiG. Das heißt: Der Schnellfahrer wird bis zu 6 Wochen eingeknastet, um ihn zur Zahlung zu bewegen.

Eine interessante Idee in diesem Zusammenhang hat mir ein Blogleser zur Veröffentlichung übermittelt. Er hat an die Bußgeldstelle folgenden Brief geschrieben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe einen Bußgeldbescheid von Ihnen erhalten. Ich denke, die Strafe selbst und die Höhe der Strafe sind gerechtfertigt. [Anm.: Er spricht von „Strafe“; zutreffend wäre jedoch „Geldbuße“. crh]

Ich sehe jedoch Geldstrafen als Sippenstrafen an, denn letztendlich wird ja die Geldstrafe einer verheirateten Person, aus dem zur Verfügung stehenden Familieneinkommen bezahlt; also würde meine Ehefrau genauso bestraft wie ich, bzw. wir beide dann zur Hälfte.

Daher möchte ich diese Geldstrafe mit einer Haftstrafe begleichen. Zu Ihrer Information möchte ich Ihnen mitteilen:

  1. Ich habe ein P-Konto, auf das meine monatliche Rente(aufgestockt durch die Grundsicherung) überwiesen wird.
  2. Das Mobiliar unserer Wohnung, also auch die technischen Geräte sind Eigentum meiner Ehefrau.
  3. Meine Ehefrau und ich leben seit 1980 in dem Zustand der Gütertrennung.
  4. Vermögen oder pfändbare Dinge habe ich nicht.

Natürlich weiß ich, dass eine Geldstrafe dieser Art nicht mittels Haftzeit abgegolten werden kann.

Aber, solange ich mich in Erzwingungshaft befinde, produziere ich keine Kosten, die ich produzieren würde, wenn ich in Freiheit wäre.

Über den Daumen belaste ich in Freiheit das Familieneinkommen mit ca. 8,00 Euro am Tage für Nahrungsmittel, Strom- Wasserverbrauch, Reinigungsmittel, Hygienemittel , Waschmittel usw. Sollten weitere oder höhere Kosten entstehen, etwa für Taxifahrten meiner Ehefrau um mich zu besuchen, werde ich diese meiner Berechnung zuschlagen und durch die Tage teilen, die ich in Haft verbringen“ möchte“.

Möchte – weil ich ja Jederzeit die Haft durch die Zahlung der Geldbuße beenden könnte.

Eine Zahlung wird meine Ehefrau vornehmen, wenn meine Berechnung ergeben hat, dass die Summe für die Geldstrafe dadurch „neutralisiert“ wurde, dass ich in der Haft versorgt wurde. Entstehen mir keine weiteren Kosten durch die Haft, wird meine Ehefrau in also 20 Tagen die Geldstrafe bezahlen, denn dann ist das Familieneinkommen durch meine Haftzeit so ausgeglichen, als wenn ich diese Geldstrafe nicht erhalten hätte.

Das ist ein interessanter Ansatz, über den es sich durchaus einmal nachzudenken lohnt.

Nun aber kommt ein Problem auf die Haftanstalt zu, das nicht so einfach zu lösen sein wird. Der Blogleser schreibt weiter:

Bitte sprechen Sie mit mir einen Termin zum Haftantritt an, denn ich muss dafür sorgen, dass ich vor dem Haftantritt genügend Medikamente besorge, denn ich leide unter Leukämie (CML) und muss täglich Medikamente (Sprycel) gegen diese Krankheit einnehmen.

Auch muss ich Blutverdünner einnehmen, dessen Dosierung engmaschig per Bluttest überprüft werden muss.

Nachts muss ich an ein Gerät zur Atemunterstützung angeschlossen sein. Ich besitze so ein Gerät und kann es gerne mitbringen. Allerdings muss sichergestellt sein, dass in der Zelle auch nachts 230 Volt Wechselstrom zur Verfügung stehen, mit dem das Atemgerät betrieben wird. Werde ich durch dieses Gerät nicht bei der Atmung unterstützt, kommt es nachts zu zig Atemstillständen, die massiv das Herz-Kreislaufsystem belasten und auch den Blutdruck in schwindelerregende Höhen treibt.

Wegen meines Rückenleidens und den durch die Leukämiemedikamente verursachten Muskelbeschwerden, müsste ich meinen Rollator mitbringen dürfen und meine Sitzgelegenheit die ich zum Duschen benötige, denn ich kann nicht ohne Abstützung stehen.

Weitere Krankheiten wie Bluthochruck und Wasseransammlungen in den Beinen und in der Lunge (besonders bei Bewegungsmangel) müssen ärztlich im Auge behalten werden, denn ich denke, dass die wenige Bewegung in den Tagen der Haft gerade die Wasseransammlung in den Beinen ungünstig beeinflussen wird.

Ich habe Ihnen nachfolgend einige Termine vorgeschlagen, bei denen es während der Haft (sollten keine Komplikationen auftreten) keine Laboruntersuchungen meiner Leukämie fällig sind; somit müsste ich nur wöchentlich zum Bluttest, denn aus Erfahrung weiß ich, dass Bewegungsmangel dazu führt, dass der Wert und somit die Blutverdünnung ansteigt.

Es sollte auch bei der Verpflegung sicher gestellt sein, dass ich keine Kohlprodukte essen muss, denn diese wirken sich durch den Vitamin K-Gehalt ungünstig auf die Blutwerte aus, denn das blutverdünnende Mittel beeinflusst die Vitamin K-Produktion der Leber.

Wegen meines Bandscheibenleidens und dem Wasser in den Beinen, bitte ich um ein Stufenbett, denn ansonsten würden meine Beine (auch durch den Bewegungsmangel) noch stärker anschwellen als üblich.

Diesen Problemen begegnen die Justizvollzugsanstalten in zunehmenden Maße: Die Knackis werden immer älter und die Gefängnisse sind überwiegend nicht zur Unterbringung von Senioren geeignet. Das sorgt bei den notorisch knappen Justizverwaltungen für erhebliche Sorgenfalten.

Aber auch der Weg in den Knast muß geplant werden. Nicht jeder künftige Häftling kann selbständig zum Gefängnis anreisen:

Auch werde ich nicht selber zur Haftanstalt fahren, sondern möchte durch eine Polizeistreife abgeholt werden, denn ansonsten müsste ich auch diese Kosten wieder in Haftzeit umrechnen, damit sie sich wieder durch eine längere Haftzeit neutralisieren. Auch hier wäre sicherlich eine Terminabsprache von Vorteil, denn dann würde ich mit allen medizinischen Unterlagen, Hilfsmitteln und Medikamenten zur Abholung bereit stehen.

Der Blogleser weiß, worauf es sonst noch ankommt:

Damit sie nun nicht meinen, dass ich Ihnen hier eine Gruselgeschichte serviere, möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich hiermit alle mich behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gegenüber Ihrer Behörde und auch gegenüber der Haftanstalt entbinde. Diese Vollmacht ist gültig bis zum 31.12.2017.

Ein paar Sorgen möchte er der Gefängnisleitung nehmen, nicht aber ohne darauf hinzuweisen, daß er über seine Erfahrungen berichten wird:

Zu meiner Selbsteinschätzung möchte ich angeben, dass ich mir sicher bin, dass die Haftzeit mich nicht psychisch belasten wird, zumal ich diese ja auch jederzeit durch eine Zahlung der Geldstrafe beenden könnte; praktisch sitze ich ja freiwillig ein, damit meine Ehefrau nicht auch durch die Geldstrafe bestraft wird.

Und ich werde den Rest meines Lebens sicherlich in Gesprächsrunden anregende Gespräche darüber führen können, was ich in dieser Zeit so alles erlebt habe. Vielleicht interessieren sich ja auch einige Presseleute für mein Tagebuch über die Haftzeit.

Ich selber fühle mich für haftfähig, wenn die oben genannte notwendige medizinische Versorgung gewährleistet ist, ich die notwendigen Medikamente und die oben genannten Hilfsmittel zum Haftantritt mitbringen darf.

Viele Grüße

Ich habe den Blogleser auf einen Selbst-Erfahrungsbericht hingewiesen, den die Journalistin Barbara Keller vor einigen Jahren auf Berlinkriminell.de veröffentlich hat. Das scheint ihn nicht abzuschrecken.

Über den weiteren Verlauf dieser Bußgeldsache werde ich gern berichten …

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Bild: © Peter Reinäcker / pixelio.de

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Wann der Mandant ein Narr ist

Denjenigen Anwälten, die die Ansicht vertreten, sie könnten sich auch in Straf- und Bußgedsachen locker selbst vertreten, sei der Beschluß des Landgerichts Düsseldorf vom 16.11.2016 – 061 Qs 51/16 – gewidmet:

Keine Kostenerstattung bei Verteidigung durch einen Rechtsanwalt in eigener Sache

StPO §§ 464a II Nr. 2; ZPO § 91 II 3

Der sich selbst verteidigende Rechtsanwalt hat im Falle seines Freispruchs keinen Anspruch auf Erstattung einer Verteidigervergütung aus der Staatskasse. (Leitsatz des Gerichts)

Aus den Gründen:

Denn in jedem Fall ist er in eigener Sache in seiner Eigenschaft als Beschuldigter tätig geworden. Dies folgt bereits daraus, dass im Straf- und Bußgeldverfahren eine Vertretung in eigener Sache unzulässig ist, wenn der Anwalt selbst Betroffener ist. […] Denn der Status des Verteidigers einerseits, welcher nach seinem gesetzlichen Auftrag als Organ der Rechtspflege mit spürbarer Distanz zum Beschuldigten und grundsätzlich gleichberechtigt mit der Staatsanwaltschaft tätig wird, und die Stellung des Angeklagten andererseits sind miteinander unvereinbar. […]. Dies hat die Konsequenz, dass die Eigenschaft des Betroffenen als Rechtsanwalt gebührenrechtlich ohne Belang ist.

Es mag im Zivilrecht anders sein. Im Strafrecht hingegen erscheinen diese Argumente tragfähig. Der Volksmund spricht daher Wahres:

„Wer sich selbst verteidigt, hat einen Narren zum Mandanten.“

Auch deswegen lasse ich mich selbst bei solchen Blödsinnsvorwürfen wie diesem hier von einem kompetenten Kollegen verteidigen. Das hat ja auch schon Tradition, wie die Vier Strafverteidiger vor einem Dutzend Jahren gezeigt haben.

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Bild: © Claus Zewe / pixelio.de

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Berliner Strafverteidiger bleiben Berliner Strafverteidiger

Am vergangenen Freitag fand die Jahresmitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. statt.

Der von mir sehr geschätzte Kollege und Ehrenmitglied der Vereinigung Gerhard Jungfer hatte zuvor einen Antrag eingereicht, über den die Mitglieder abstimmen sollten:

Der Antrag, den Namen in „Vereinigung Berliner Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V.“ zu ändern fand – nach engagierter Diskussion – nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Beeindruckend …
… war der Vortrag der namhaften türkischen Kollegin Fethiye Cetin. Sie berichtete über die aktuelle – katastrophale! – Situation der Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger in der Türkei nach Einführung des Ausnahmezustandes. Im Anschluß an diesen Bericht muß man sich ernsthaft die Frage stellen, ob es gerechtfertigt ist, daß sich ausgewachsene Strafverteidiger beiderlei Geschlechts eine geschlagene Stunde lang mit vermeintlicher Diskriminierung durch Sprache auseinandersetzen müssen? Während in der Türkei massenhaft engagierte Strafverteidiger im Knast sitzen, nur weil sie ihren Job gemacht haben.

Was gab es sonst noch?
Justizsenator Dirk Behrendt stellte in einem Grußwort allerlei (wirklich) fortschrittliche Pläne der Koalition vor, teilte aber auch mit, daß das zur Umsetzung der Pläne notwendige Personal nicht zur Verfügung gestellt wird.

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Strafverfahren gegen bloggenden Strafverteidiger

475690_web_r_by_john-updike_pixelio-deEs gibt Menschen, die besonders sensibel sind. Die regen sich dann schonmal auf. Und formulieren schließend ihre Aufregung in Form einer Strafanzeige. Jetzt hat es mich erwischt.

Vielleicht hilft mir mal einer auf die Sprünge und teilt mir die strafrechtliche Relevanz dieses Blogbeitrages vom 28. September 2016 mit.

Und ja: Ich werde selbstverständlich einen Strafverteidiger mit meiner Verteidigung beauftragen.

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Bild: © John Updike / pixelio.de

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Von Vorschußzahlungen und Amputationen

Um Rechtspfleger werden und über Kostenfestsetzungsanträge von Pflichtverteidigern entscheiden zu können, muß man nicht nur über eine fundierte Ausbildung verfügen, sondern auch über ganz besondere Eigenschaften.

Mit einem solch gut ausgebildeten Rechtspfleger habe ich es in einer auswärtigen Wirtschaftsstrafsache zu tun, in der ich als Pflichtverteidiger unterwegs bin.

Das Verfahren hat im Januar begonnen und das Gericht hat Termine bis hinein in den Frühsommer festgelegt. Weil die Reisekosten doch ziemlich zu Buche schlagen, habe ich einen Antrag auf Festsetzung eines Auslagenvorschusses beantragt:

Damit habe ich wohl für Irritation gesorgt. Der Rechtspfleger (gut ausgebildet, besondere Eigenschaften; s.o.) antwortet via Reflex:

Die Ansicht ist nicht frei von Irrtum. Das habe ich versucht, mit folgendem Text darzustellen:

Und damit sich nicht nur der Rechtspfleger (gut ausgebildet, besondere Eigenschaften; s.o.) mit der Amputation wichtiger Gliedmaßen (aka: Vorschußzahlungen an Strafverteidiger) beschäfigt, habe ich auch den Vorsitzenden bemüht; und zwar mit diesen Anträgen:

Mal schauen, was nun passiert.

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Bild: © Hartmut910 / pixelio.de

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