Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen

Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Die Bundesregierung legt einen Gesetzentwurf vor. Man die elektronischen Akte in Strafsachen einführen. Und den elektronischen Rechtsverkehr fördern.

Gesetzentwurf

In den anderen (den meisten? Allen anderen?) Verfahrensordnungen gibt es die eAkte schon. Nur bei den Strafjuristen dauerts noch ein Weilchen. Ab Neujahr 2018 darf die Strafjustiz übergangsweise digitalisieren, ab 2026 ist die digitale Akte (auch bei der Staatsanwaltschaft Potsdam!) verbindlich. Dazu schreibt die Bundesregierung in ihrem Entwurf:

Damit soll die flächendeckende, verbindliche Einführung der elektronischen Aktenführung im Bereich der Strafjustiz bereits jetzt gesetzlich vorgegeben werden.

Bereits jetzt?? Ich bin gespannt, wie sich die Technik bis dahin weiter entwickelt hat. Und wie rückständig die Strafjusitz dann sein wird.

Nun gut, die eAkte im Strafrecht ist nicht ganz trivial. Dennoch, das stellt der Gesetzentwurf zutreffend fest:

Angesichts des Entwicklungsstands in den übrigen Gerichtsbarkeiten ist die Ermöglichung einer elektronischen Aktenführung in Strafsachen durch entsprechende Änderungen in der Strafprozessordnung ohne Alternative.

Die Frage, warum es dann noch zehn Jahre dauern soll, bis die Strafjusitz den Stand der Technik umgesetzt hat, der sich im richtigen Leben bereits seit vielen Jahren etabliert hat, drängt sich auf.

Zum Selbststudium des Entwurfs hat man hier die Gelegenheit (pdf).

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

7 Antworten auf Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen

  1. 1
    RA R says:

    „die eAkte im Strafrecht ist nicht ganz trivial“

    Warum? Genauer gesagt – warum ist diese Akte nicht etwa genauso trivial wie im Zivilprozess?

    • Wenn Sie ernsthaftes Interesse an der Antwort hätten, würden Sie diese Frage (so) nicht stellen, sondern sich mal den Entwurf anschauen. crh
  2. 2
    Der wahre T1000 says:

    @RA R:

    Im Gegensatz zum Zivilverfahren gibt es beim Strafrecht regelmäßig zahlreiche Beweismittel, die man nur schlecht in den Computer bekommt.

  3. 3
    Bembel says:

    Und 2030 „unterschreibt“ ein Richter Haftbefehle dann per Fingerabdruckssensor?

  4. 4
    Engywuck says:

    Die Frage, warum es dann noch zehn Jahre dauern soll, bis die Strafjusitz den Stand der Technik umgesetzt hat, der sich im richtigen Leben bereits seit vielen Jahren etabliert hat, drängt sich auf.

    So eine Umstellung auf (rein oder fast rein) elektronische Dokumente dauert auch in der freien Wirtschaft und ohne die Schwierigkeiten, die durch das Thema Strafverfahren entstehen, gerne mal etliche Jährchen.

    Erstmal müssen alle Abläufe (Workflows) exakt erfasst werden und im vorgesehenen System abbildbar sein. Dann Beschaffung von Software und ggf. Hardware, Implementierung mit Testdaten, Umstieg auf Echtdaten, …

    Zahn Jahre sind für eine so große Umstellung (bei der ja auch immerhin Menschen betroffen sind) nicht unbedingt eine extrem überlange Zeit. Zumal ja das System der Ziviljustiz sicher nicht 1:1 übernehmbar ist.

    • Es war Ende der 90er, spätestens Anfang der 00er Jahre, als ich einer Kommission des EDV-Gerichtstages erstmals die sichere Kommunikation mit unseren Mandanten vorgeführt habe. Spätestens seit dieser Zeit ist das Problem „in Arbeit“. Irgendwann um 2010 (2009?) waren Udo Vetter und ich mal im BMJ zur Anhörung zum Thema „E-Akte in der Strafjustiz“ geladen. Es ist nicht so, daß an der Modernisierung Aktualisierung erst seit 14 Tagen gearbeitet wird.
       
      Ja, gerade in der Strafjustiz stellen sich insoweit deutlich größere Probleme als bspw. im Steuer- oder Patentrecht. Aber 15 bis 20 Jahre sollten eigentlich ausreichen, um auch so ein Projekt auf die Beine zu stellen.
       
      Es könnte natürlich auch daran liegen, daß die Badener nicht auf ihre Badische Aktenheftung verzichten wollen. Dann müßten wir eben das Projekt „E-Akte im Strafprozeß“ aufgeben. crh
  5. 5
    Nurmalso says:

    @ Engywuck

    …Erstmal müssen alle Abläufe (Workflows) exakt erfasst werden und im vorgesehenen System abbildbar sein. Dann Beschaffung von Software und ggf. Hardware, Implementierung mit Testdaten, Umstieg auf Echtdaten, …

    Dies wäre einer der größten Fehler, den man bei Einführung eines elektronischen Geschäftsgangs machen könnte.

    Die Einführung eines elektronischen Geschäftsgangs ist in erster Linie ein Organisationsprojekt und erst in zweiter Linie ein IT-Projekt.

    Es mach keinen Sinn auf Teufel komm raus ein It-System zu verbiegen, um bestehende Prozesse Eins zu eins abzubilden. In der Regel erreicht man damit nur ein stark „individualisiertes“ IT-System, das spätestens bei Fehlerbehebung, Updates, Softwarepflege zu massiven Problemen führt.

    Man muss sich vielmehr die Prozesse genau anschauen und wenn sinnvoll die Prozesse entsprechend anpassen um sie sinnvoll im IT-System abbilden zu können.

  6. 6
    Dieter Kesper says:

    Warum ist die eAkte in Strafsachen nicht so trivial wie im Zivilprozess?
    Vielleicht, weil das Gesetz zum elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten eine elektronische Akte nicht vorsieht?
    Genau wie die Gerichte werden auch die Staatsanwaltschaften nur bedingt mit dem mündigen Bürger elektronisch kommunizieren. Damit kommunizieren die Gerichte nur mit den „paar“ Rechtsanwälten, die man zum elektronischen Rechtsverkehr eingeladen/verpflichtet hat.
    Ferner werden Gerichtsakten nur „nach oben“ zur Rechtsmittelinstanz weitergereicht und nur in Ausnahmefällen mangels Zuständigkeit an ein anderes gerecht abgegeben.

    Staatsanwaltliche Akten werden aber bundesweit zwischen den Behörden (der Entwurf spricht jetzt von „Strafverfolgungsbehörden“ und bindet damit Landes- und Bundespolizei, Zoll und Steuerfahndung mit ein) und Gerichten versandt, sowohl bei Ermittlungsmaßnahmen als auch in der Vollstreckung.
    Hier gilt es, verschiedene Ressorts im Bund und in den Ländern auf eine überall erstell- und bearbeitbare eAkte einzuschwören.
    Und viele Behörden haben nicht nur die Strafverfolgung als gesetzlichen Auftrag, sondern Verwaltungsaufgaben, für die die eGovermentgesetze des Bundes und der Länder und nicht die StPO einschlägig sind.
    Und letztlich will auch der „Knacki“ die Akte lesen können.
    Ist das trivial??
    Die eAkte ist daher nicht das Problem, hier ist die Entwicklung im Gerichtsbereich schon weit fortgeschritten. Die Strafakte wird nicht anders aussehen!
    Das Problem ist der Konsens!

    Und by the way: Beweismittel gehören nicht (NIE) in eine Strafakte, allenfalls deren Abbilder, Kopien oder Scans. Denn was der Zivilist im schriftlichen verfahren so einfach in die Akte heftet, muss der Staatsanwalt am Ende des Tages wieder herausgeben.

  7. 7
    Engywuck says:

    @Nurmalso: du hast Recht, ich habe vergessen zu erwähnen, dass nach dem Erfassen natürlich die Optimierung stehen sollte bzw. eigentlich sogar muss.

    Dennoch müssen erstmal alle(!) Vorgänge erfasst werden – was schwerer ist als oft angenommen. Oft kommt dann doch kurz vor (oder gar nach) der Implementierung noch jemand, der sagt „ich muss Vorgang XY ausführen – wie geht das im neuen System“ – und es stellt sich heraus, dass das gar nicht berücksichtigt (und auch nicht wegoptimiert) wurde.

    Wie weit die Optimierung gehen kann ist dann nochmals ein anderes Thema. Ideal wäre das Zurückschneiden von allen Individualanpassungen, nur lässt sich das leider nicht immer durchsetzen. Weshalb es dann für zwei Kartons Z an Kunde A pro Jahr dann doch eine Speziallösung gibt (Umsatz: ca. hundert Euro p.a., Implementierungskosten: hundert Mannstunden). „Aber das haben wir für diesen Kunden immer schon so gemacht“ bzw. „das haben wir dem Kunden so versprochen“