Jahresarchive: 2015

Vertrauen Sie Beck?

Mal eben was zum Thema „Vereiteln der Zwangsvollstreckung“ nachschlagen. Und dann das hier:

VertraueninBeck

Kann man dem Verlag noch vertrauen? Ist die Kommentarliteratur aus dem Hause Beck noch zuverlässig?

9 Kommentare

Freispruch nach 26 Jahren – nicht bedauerlich!

Freispruch03Ein klassischer Freispruch, weil es dem Gericht und der Staatsanwaltschaft nicht gelungen war, den Anklagevorwurf zu bestätigen.

Dem Mandanten der Strafverteidiger Alexander Richter und Tobias Glienke hatte die Anklage vorgeworfen, am 20.11.1989 aus Habgier einen Menschen getötet zu haben. Das hat sich im Rahmen einer sehr umfangreichen Beweisaufnahme nicht bestätigt.

Freispruch01Die Medienmeute – allen voran die Gerichtsreporterin des Springerboulevards – war nach der Verhaftung des Beschuldigten und bei Prozeßbeginn natürlich begeistert.

Moderne DNA-Untersuchungen seien zum Einsatz gekommen. Und ein genetischer Fingerabdruck sollte den Tatnachweis bringen. Auch noch nach einem Vierteljahrhundert. Doch von Anfang an verteidigte sich der Angeklagte mit professioneller Unterstützung seiner beiden Verteidiger gegen den Vorwurf.

Dennoch fabulierte die Journaille:

Das, was die tote, alte Dame vor einem Vierteljahrhundert unter ihren Nägeln hatte, ist mit verbesserten Methoden neu untersucht worden. Der genetische Fingerabdruck gehört dem Familienvater – die DNA lügt nicht.

und macht – wie oft in Unkenntnis der entscheidenden Tatsachen – Stimmung gegen den Familienvater, der acht lange Monate unschuldig in Untersuchungshaft gesessen hat.

Anklageschrift

Die Rechtsanwälte Tobias Glienke und Alexander Richter, beides erfahrene Fachanwälte für Strafrecht, haben im Prozess unter vielem anderem zutreffend dargestellt, daß eine übereinstimmende DNA allein nicht ausreicht, um einen Tatnachweis zu erbringen. Der genetische Fingerabdruck ist eben auch nur eine Spur, die bewertet werden muß, wie jedes andere Beweismittel auch.

Es steckte viel Kleinarbeit in der Verteidigung, die durch eigene Ermittlungen und auch mit engagierter Unterstützung von Angehörigen und Freunden des Angeklagten schlußendlich zu diesem erfreulichen Ergebnis führten.

Enttäuschend – jedenfalls für das fachkundige Publikum – ist allerdings das unprofessionelle Verhalten des Vorsitzenden Richters Schweckendieck, der es sich – aus Gesichtswahrungsgründen? – nicht verkneifen konnte, sein Bedauern über dieses von ihm zu verkündende Ergebnis deutlich zu machen.

Was will der Richter mit dem Satz in der mündlichen Urteilsbegründung „Sollten Sie es doch gewesen sein, müssen Sie das mit ihrem Gewissen abmachen.“ mitteilen!? Richter haben das Ergebnis der Beweisaufnahme zu bewerten. Nicht mehr, nicht weniger. Sie haben festzustellen, ob die Anklagebehauptung …

MordAnklage

… am Ende zutrifft oder nicht.

In diesem Fall konnte diese Feststellung nicht zweifelsfrei getroffen werden, weil die Beweise dazu nicht vorlagen. Also ist ein Freispruch zwingend. Und zwar ohne Ausdruck des Bedauerns, weil es (leider?) nicht gelungen war, einen mutmaßlichen Täter zu überführen.

Die Rechtsanwälte Alexander Richter und Tobias Glienke werden nun ihren Mandanten und seine Familie dabei unterstützen, den Scherbenhaufen zu beseitigen, den schlampige Ermittlungen und voreingenommene Ermittler da hinterlassen haben.

32 Kommentare

Keine Überraschung, aber keine Drohung im #NSU-Prozeß

Medienberichte zufolge will Frau Zschäpe sich doch noch – über ihren (neuen) Verteidiger – zu den Anklagevorwürfen einlassen. Das scheint mir – als Außenstehender und soweit ich das Verfahren verfolgt habe – nun keine große überraschende Entwicklung zu sein.

Bemerkenswert in der heutigen Agenturmeldung (zitiert aus der Zeit Online) ist allerdings das folgende Zitat:

Zschäpe hatte gegenüber dem Richter bereits mehrfach angekündigt, aussagen zu wollen. Ihre Anwälte hatten ihr davon abgeraten und laut Zschäpe mit der Niederlegung ihres Mandates gedroht, sollte sie sich zu den Vorwürfen äußern.

Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Kollegen Sturm, Heer und Stahl ihre Mandantin mit „Androhung“ der Mandatsbeendigung zur Verteidigung durch Schweigen verdonnert haben.

Chef im Mandat ist der Mandant. Der Verteidiger ist Auftragnehmer. Seine Aufgabe besteht darin, dem Mandanten eine solide Basis zu verschaffen, auf der er anschließend eine eigene, nämlich seine freie Entscheidung treffen kann. Dazu gehören Ratschläge, auch „dringende“; aber niemals Drohungen. Die Ankündigung einer Mandatsbeendigung kommt nur ganz in wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Fragen zur „richtigen“ Verteidigungsstrategie – also Schweigen oder Einlassung – gehören in aller Regel nicht dazu.

Vielleicht veröffentlich die Verteidigung dazu noch eine Richtigstellung? Das würde sicherlich zum besseren Verständnis einer professionellen Verteidigung beitragen.

Update vom 10.11.2015

Zschäpes Altverteidiger haben immer wieder betont, sie hätten ihre Mandantin auch bei einem Geständnis unterstützt; schließlich sei es „ihr“ Prozess.

Quelle: Gisela Friedrichsen via SPON

10 Kommentare

Nichts zu lachen nach der Amputation

Aus der Serie „Anfrage der Woche“ heute ein Problem aus dem medizinischen Bereich. Es geht um die Amputation des wichtigsten Körperteils einen jungen Mannes. Und zwar während des Urlaubs des zuständigen Staatsanwalts. Dazu ein passendes Vorwort von einem schon etwas älteren Blogger:

Ach, was muß man oft von bösen
Kindern hören oder lesen!
Wie zum Beispiel hier von diesen,
welche Handy-Störer hießen;

Worum geht es?

Handy beschlagnahmt

Ich fürchte, der anfragende potentielle Mandant findet es nicht witzig, wenn man ihm nun mitteilt, daß die Berliner Kriminaltechnik (kurz: „KT“) durchschnittlich 18 Monate für eine Durchsuchung der Datenspeicher braucht. Allerdings nur dann, wenn man sie in Ruhe läßt und nicht ein Strafverteidiger mal ein wenig Dampf macht. Dann klappt es vielleicht etwas früher mit der Herausgabe.

Tja, so ist das im richtigen Leben eben:

Selbst der gute Onkel Fritze
Sprach: „Das kommt von dumme Witze!“

Und wie soll dem Manne nun geholfen werden? Irgendwelche (für den „potentiellen Mandanten“ kostengünstige) Vorschläge?

16 Kommentare

„Rote Karte für die AfD“ – Jetzt erst Recht!

683118_web_R_B_by_Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM)_pixelio.deIch frage mich, welche Qualifikation die Mitarbeiter des Bildungsministeriums mitbringen müssen, wenn sie dort arbeiten wollen. Vielleicht reicht ja ein abgeschlossenes Lehramtsstudium für die Sekundarstufe 1 bereits aus für einen Anstellungsvertrag.

Für die tägliche Arbeit könnten aber ein paar verfassungsrechtliche Grundkenntnisse hilfreich sein. Dann hätte die Bundesbildungsministerin sich diese Klatsche und uns nun das elende Gefeixe dieser Rechtspopolisten (sic!) ersparen können.

Das Bundesverfassungsgericht hat einstweilig die Entfernung einer Pressemitteilung aus dem Internetauftritt des Bundesbildungsministeriums angeordnet:

Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Prof. Dr. Johanna Wanka, aufgegeben, die Pressemitteilung mit dem Titel „Rote Karte für die AfD“ aus dem Internetauftritt ihres Bundesministeriums zu entfernen. Ein entsprechender Antrag der Partei „Alternative für Deutschland“ auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat damit Erfolg.

In der Pressemitteilung Nr. 80/2015 vom 7. November 2015 zitiert das Bundesverfassungsgericht den Beschluss vom 7. November 2015 – 2 BvQ 39/15 -, nämlich daß die Antragsgegnerin – also Frau Prof. Dr. Wanka – möglicherweise

… durch Nutzung der Ressourcen ihres Ministeriums für den politischen Meinungskampf das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt hat.

Inhaltlich völlig zu Recht, wie ich meine, hatte die Ministerin zur geplanten Demonstration der AfD in Berlin mit dem Motto: „Rote Karte für Merkel! – Asyl braucht Grenzen!“ mitgeteilt:

Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub. Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben wie der Pegida-Chef Bachmann, erhalten damit unerträgliche Unterstützung.

*Ich* darf diese Hetzer und Brandstifter der AfD als das bezeichnen, was sie sind. Aber gemäß dem Prinzip „Quod licet Iovi, non licet bovi!“ darf das eine Ministerin selbstverständlich nicht – solange sie sich als Verfassungsorgan der Exekutive äußert. Wenn ich mich recht erinnere – es ist nun fast schon drei Jahrzehnte her – hat man mir im ersten oder zweite Semester meines Jurastudiums beigebracht, daß sich die Regierung mit solchen Statements zurückhalten muß.

Frau Wanka bleibt es unbenommen, sich als Privatperson gegen diese nur mühsam getarnten Nazis auf diese Weise zu engagieren. Als Amtsinhaberin sollte sie es aber unbedingt vermeiden, den durchaus nicht völlig dummen Juristen der AfD den Ball auf den Elfmeterpunkt vor ein Tor ohne Torwart zu legen.

__
Bild: © Initiative Echte Soziale Marktwirtschaft (IESM) / pixelio.de

17 Kommentare

Mittwochs-OWi: TÜV mit erheblichen Mängeln

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.de

I. Der Vorwurf
Die Polizei hatte „erhebliche Mängel“ am Auto unseres Mandanten gefunden. In der Folge gab es Post vom Polizeipräsidenten: 150 Euro Geldbuße und runde 500 (!) Euro Verfahrenskosten standen im Bußgeldbescheid.

Und als Zugabe war ein Punkt im FAER zu erwarten.

II. Das Problem
Vor ein paar Jahren hatte das Auto mal auf dem Dach gelegen. Es war an allen Ecken und Kanten verbeult; ein Dachholm war eingeknickt. Alles war grob zurechtgebogen und leidlich nachlackiert. Das hatte der technisch versierte Polizist vor Ort gesehen.

Der Haus- und Hof-Sachverständige der Berliner Polizei bestätigte (erwartungsgemäß) die Analyse des uniformierten Fahrzeugtechnikers und stellte dann auch noch weitere Mängel fest. Dafür gab es dann die Rechnung über knapp 500 Euro.

III. Die Verteidigung
Der Mandant hatte das Fahrzeug in diesem Zustand gebraucht sehr günstig gekauft und war damit schon fast vier Jahre unterwegs. Während dieser Zeit hatte er den Wagen zweimal in die Werkstatt seines uneingeschränkten Vertrauens gebracht. Dort wurde es zur Hauptuntersuchung einem technischen Sachverständigen vorgeführt. Es gab jeweils den begehrten Stempel – versehen nur mit dem Hinweis auf „geringe Mängel“.

IV. Das Ergebnis
Der Richter beim Amtsgericht hatte ein Einsehen. Zweimal beim TÜV, deswegen setzte er die Geldbuße auf ein Verwarnungsgeld herab. Damit war dann auch der Punkt in Flensburg „gespart“.

V. Und das Allerbeste
Die Verfahrenskosten – damit auch die recht hohen Gutachterkosten – bekam der Mandant von seinem Rechtsschutzversicherer erstattet. Allein deswegen hatte sich der Gang zum Rechtsanwalt und der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid bereits gelohnt.

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

__
Bild: © E. Kopp / pixelio.de

10 Kommentare

Mohamed und der besserwissende Investigativist

Es geht um den Fall „Mohamed“, das getötete Flüchtlingskind. Die Ermittlungen der Mordkommission, eine hochqualifizierte Ermittlertruppe des Berliner Landeskriminalamts, führten zur Festnahme und wenig später zu Geständnissen eines Beschuldigten.

Und dann gibt es diesen Peter Rossberg (@PRossberg), ein BILD-„Zeitungs“-Reporter, Ressort Investigative Recherche, der „alles mit Kriminalität“ macht – so sein Twitter-Profil.

Dieses Mitglied des größten Fußballvereins in der Stadt Offenbach (wo liegt’n das Nest eigentlich?) zieht nun die Ermittlungen an sich, weil: Die ausgebildeten und teils studierten Kriminalisten aus der Keithstraße schaffen das nicht ohne ihn.

Rossberg

Da fällt mir ein bekannter Kolumnist der Zeit ein, der am 22.09.2015 diesem (und anderen) selbsternannten Investigativisten ins Gesangbuch schrieb:

Daher gehen der heute üblich gewordene „Empörungs-Journalismus“ vielfach an der Sache vorbei. Nicht weil er die (Straf-)Justiz wegen ihrer manchmal bornierten Blindheit gegenüber Fehlerquellen kritisiert, die zweifellos vorhanden sind. Sondern weil er ebenso oft mit einer Attitüde der Besserwisserei auftritt, die durch nichts nicht gerechtfertigt ist. Vor wenigen Tagen erst traf der Kolumnist bei einer Podiumsdiskussion über Fehlurteile im Strafrecht auf einen bekannten Journalisten, der mit empörter Gewissheit von zahllosen Fehlurteilen zu berichten wusste, deren „Falschheit“ sich allein ihm enthüllt hatte: Nach geheimen Regeln und Kriterien, oder, besonders beeindruckend, nach „gesundem Menschenverstand“. Das gilt als „kritisch“, ist es aber nicht. Denn anders als der Schimpf-Mainstream meint, setzt Kritik nicht ein laienhaftes Sich-Empören, sondern vertieftes Verständnis voraus. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet Journalisten wissen, was die Wahrheit und was ein „Fehlurteil“ ist, ist ähnlich groß wie die, dass ein Sozialpädagoge die im Einzelfall beste Methode der Krebstherapie kennt.

Die Arroganz dieser BILD-„Zeitungs“-Proleten und deren Produkte sind für ein funktionierendes Rechtssystem entbehrlich. Gibt es für diese Leute nicht Sinnvolleres? Fußballgucken bei Bier und Chips zum Beispiel?

12 Kommentare

Kinox.to beim Landgericht Leipzig

Am heutigen Freitag startete im sächsischen Leipzig der erste Prozess gegen einen mutmaßlichen Mitbetreiber von Kinox.to.

Kinox.to

Themen der Anklage, die von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden geführt wird, sind:

Nicht angeklagt ist eine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB); dieser Tatvorwurf spielte auch eher nur für das Ermittlungsverfahren eine tragende Rolle, weil sich daraus einige bedeutsame „Bequemlichkeiten“ für die Strafverfolger ergeben haben. Für das Strafmaß im Falle einer Verurteilung kommt es darauf eher weniger an.

Bemerkenswert ist, daß das Streaming-Portal noch immer am Netz ist, weil den Strafverfolgungsbehörde die Zugangsdaten nachhaltig vorenthalten werden (und sie keine kompetenten Hacker kennt, die sich mal bei dem Server anmelden, um dort für Recht und Ordnung zu sorgen – gibt es hier vielleicht Freiwillige? 8-) ).

Und von den beiden Jungs, die die GenStA – wie den aktuell vor der Strafkammer des Landgerichts Leipzig Angeklagten – zum inneren Kreis der Betreiber von kinox.to zählt, fehlt immer noch eine verfolgbare Spur.

5 Kommentare

DroidJack – Der Durchsuchungsbeschluß

DroidJack 4Vorgestern hatte die Generalstaatanwaltschaft Frankfurt am Main 13 Wohnungen in Deutschland (und weitere im Eurpoäischen Ausland) durchsuchen lassen. Den Wohnungsinhabern werden Verstöße nach §§ 263a Abs.1, Abs. 4, 202a Abs.1, 202c Abs. 1 StGB vorgeworfen:

  • Computerbetrug,
  • Ausspähen von Daten und
  • Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten.

Verschiedene Agenturen, hier zitiert vom SPON, haben darüber berichtet, ich habe hier eine erste Stellungnahme dazu geschrieben. Auch die Strafrechts-Blogger Andreas Jede und Udo Vetter haben sich dazu geäußert.

Anlaß für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens war der Kauf von „DroidJack“, eine Software, die es ermöglichst, die Kontrolle über ein Smartphone zu übernehmen: Ein „Remote Administration Tool“ (RAT).

Allein der Ankauf, von dem die Ermittler erfahren hatten, löste diese bundesweite Razzia aus.

AG Gießen BeschlußMir liegt nun der Durchsuchungsbeschluß des Amtsgerichts Gießen vom 14.10.2015 vor. Er trägt die typischen Merkmale dafür, daß der komplette Text nicht vom unterzeichnenden Richter, sondern vielmehr vom Staatsanwalt formuliert wurde, der den Erlaß dieses Beschlusses beantragt hat. Das ist ein übliches Vorgehen in der Jusitz: Die Ermittler sind in den Sachverhalt ein- und der Ermittlungsrichter überarbeitet. Die vom Gesetzgeber installierte Kontrolle der Exekutive durch das Gericht wird auf diesem Wege ins Leere geführt.

Was wollten die Ermittlungsbehörden erreichen?
Das formulierte Ziel der Ermittler war und ist die Sicherstellung von IT-Hardware, also

  • Computer,
  • Laptops,
  • Mobiltelefone,
  • Server,
  • externe Festplatten und
  • sonstige elektronische Speichermedien.

Von Bedeutung ist selbstredend die Kopie bzw. Installation von „DroidJack“ selbst. Aber auch die unter „Nutzung der Schadsoftware ausgespähte persönliche Daten der Opfer“. Auch schriftliche und elektronische Dokumente zum Erwerb und Einsatz von „DroidJack“, sowie Passworte und Hinweise auf beweiserhebliche Daten in der Cloud.

Nebenbei gesagt:
Die Behörden gehen also an dieser Stelle schon fest davon aus, daß es „Opfer“ gibt. Das ist das Niveau, auf dem üblicherweise der Boulevard berichtet. Hey, Herr Staatsanwalt! Opfer gibt es nur, wenn es Täter gibt. Und das stellt ein Richter irgendwann nach einer Beweisaufnahme vielleicht einmal fest. Die Verwendung des Begriffs „Geschädigte“ an dieser Stelle des Verfahrens, hätte signaliesert, daß Sie ihre Aufgaben ernst nehmen und professionell arbeiten.

 

Was steht nun drin in dem Beschluß, dessen Text auf zwei Seiten paßt?

Es sollen Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Beschuldigte 2014 das Tool „Droidjack“ für 200 $ gekauft hat. (Liebe Zivilrechtler: Steht damit eigentlich auch schon fest, daß er es auch erhalten hat? #Abstraktionsprinzip)

DroitJack soll eine Schadsoftware sein, ein sogenanntes Remote Administration Tool (RAT).

Die Feature dieses Tools seien

  • FileVoyager,
  • SMS-Trekker,
  • Call Manager,
  • Contacts Browser,
  • Remote Ears,
  • Remote Eyes,
  • GPSLocator
  • Message Toaster und
  • App Manager.

Diese Funktionen werden mit jeweils einem kappen Satz beschrieben.

In drei Zeilen wird beschrieben, wie DroidJack auf das Smartphone gelangt, also wir die „Infektion“ und „Injektion“ erfolgen sollen.

Mitgeteilt wird auch, daß DroidJack konspirativ konzepiert sei: Selbst versierte Smartphone-Nutzer sollen nichts merken, wenn sie gehackt worden sind. (Woher wissen die das? Dazu unten mehr …)

 

Wie lautet der konkrete Tatvorwurf?

Behauptet wird, daß Droidjack kein sog „dual-use“-Tool sei, was legal und illegal eingesetzt werden kann. Ausschließlich (!) die Vorbereitung und Begehung von kriminellen Handlungen sei damit möglich.

Gegründet auf diese unsinnige Behauptung wird eine Wahrscheinlichkeitsrechnung aufgemacht: Wer eine „only-bad-use“-Schadsoft kauft, mit der man ausschließlich (!) Straftaten begehen kann, der begeht damit sehr wahrscheinlich auch diese Straftaten.

Doch, einen Beleg für diese Behauptung hat die Staatsanwaltschaft gefunden: Im Zusammenhang mit dem Übertragen der Software auf das entfernte Smartphone wird der Begriff „victim“, also Opfer, genutzt. Na gut, das ist natürlich ein schlagender Beweis; wenn das so in der Bedienungsanleitung steht …

 

Wie sieht die Beweislage aus?
Hauptgrundlage des Verdacht sind nicht etwas konkrete Belege eine Inbetriebnahme der Software durch den Beschuldigten. Sondern – tätäääh –

  • die Berücksichtigung kriminalistischer Erfahrungswerte im Phänomenbereich Cybercrime.

Wenn der Beschuldigte die Schadsoftware, die geeignet ist zur Vorbereitung von Computerbetrugsstraftaten und Datenausspähungen besitzt, dann beabsichtigt er auch, sie dazu einzusetzen, „um Daten, insbesondere fremde digitale ldentitäten, auszuspähen und Computerbetrugsdelikte mittels Einsatz des infizierten Systems zu begehen.“

Übrigens:
Das wichtigste Intrument der kriminalistisch Erfahrenen steht auch bei uns in der Kanzlei.

 

Motivation für die weiteren Ermittlungen
Im letzten Absatz der Fake-Begründung des Durchsuchungsbeschlusses setzt noch einmal eine Motivationsphase an. Der Autor (Staatsanwalt? Richter? S.o.) beschreibt den „primären Nutzen“ fremder Zugangsdaten und was man damit alles in „Webportalen wie Amazon, Ebay“ anstellen könnte. Beschrieben wird, welche Möglichkeiten man mit Kreditkartendaten hätte: „Unter fremder Identität betrügerisch Waren und Dienstleistungen entgegen zu nehmen, ohne die Gegenleistung aus eigenem Vermögen erbringen zu müssen“. Abfangen von TANs, „um Phishing-Delikte im Online-Banking zu begehen“.

Mit schlecht angespitzten Buntstiften gemalte Stimmungsmache ohne jede rechtliche Relevanz für den massiven Eingriff in Grundrechte.

 

Doch noch ein „Beleg“ für die kriminelle Energie des Beschuldigten?
Er hat den Wahnsinnsbetrag von 200 Dollar ausgegeben. Diese Investion muß sich amortisieren. Und weil es keine Anhaltspunkt für den Erwerb der Schadsoftware zu legalen Zwecken gäbe, will der Beschuldigte ausspähen und betrügen. Nein, kein Beleg, sondern ein Zirkelschluß.

That’s all, Folks!

 

Was steht nicht drin?
Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, ob der Beschuldigte die Software überhaupt bekommen hat und sie besitzt, ob er sie installiert und in Betrieb genommen hat, ob er fremde Smartphones damit angegriffen hat, ob ein Schaden entstanden ist, ob es „Opfer“ (korrekt: Geschädigte, s.o.) gibt.

Nichts Konkretes weiß man nicht. Und trotzdem nimmt man dem Beschudigten seine Hardware weg und – wenn es sich um einen IT’ler handelt, der seinen Lebensunterhalt mit den beschlagnahmten Rechner verdient – zerschießt ihm seine wirtschaftliche Existenz.

Und bevor die nun in den Katakomben des Landeskriminalamts lagernden Speichermedien analysiert wurden, hat Bill Gates sich auf seinen Altersruhesitz in Kalifornien zurück gezogen und züchtet dort Orchideen. Es sei denn, es kommt ein Verteidiger und macht den hessischen Ermittlern ein wenig Feuer unter ihre häßischen Kunststoffledersessel.

16 Kommentare

Hit the DroidJack

DroidJackEs ist mal wieder soweit. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main – Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) – ergatterte eine Liste mit den Daten von Käufern einer Software. Woher die Liste stammt, wird „aus ermittlungstaktischen Gründen“ nicht verraten.

Der An- und Verkauf des Programms mit dem klingenden Namen DroidJack ist völlig legal und unterliegt nach deutschem Recht keinerlei Beschränkungen. Dennoch: Die Strafverfolger beantragen den Erlaß von Durchsuchungsbeschlüssen, die zuständige Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Frankfurt am Main dann auch erläßt.

Begründet wird der Durchsuchungsbeschluß mit der (grundätzlichen) Eignung des Android Remote-Administration-Tool’s,

  • den Datenverkehr auf Android-Systemen zu überwachen,
  • Telefongespräche und Umgebungsgespräche heimlich abzuhören sowie
  • mit der Smartphone-Kamera heimlich Bildaufnahmen anzufertigen.

Und weil sie dazu geeignet ist, sei das Programm eine Schadsoftware, die ausschließlich dazu diene, kriminelle Handlungen zu begehen. Ausschließlich. Aha!

DroidJack 4

Daß es auch

  • Entwickler oder Coder, die z.B. Software zur Abwehr von Angriffen durch DroidJack programmieren, oder
  • einfach irgendwelche Spielfritzen, die sich – im Rahmen des Erlaubten – fortbilden möchten, oder
  • Penetration-Tester, also Hacker, die im Kundenauftrag deren eigene Systeme anzugreifen,

gibt, kommt offenbar weder dem ermittelnden Oberstaatsanwalt, noch dem Richter am Amtsgericht Frankfurt am Main in den Sinn.

Das erinnert mich die Verhaftung eines Mannes wegen des Verdachts einer Vergewaltigung. Schließlich hat er ja das Werkzeug dazu.

Im vorliegenden Fall geht es um das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) und Computerbetrug (§ 263a StGB). Deswegen hat es heute in Wohnungen von 13 Verdächtigen in mehreren Bundesländern, sowie auch in Großbritannien, Frankreich, Belgien und der Schweiz Razzien gegeben. Alles, was hinten ein Kabel hat, wurde sichergestellt bzw. beschlagnahmt, um in Ruhe (in Berlin dauert sowas regelmäßig 18 Monate) die Speichermedien analysieren zu können. Mit welchem Ergebnis, steht in den Sternen.

Der Berliner Rechtsanwalt Andreas Jede stellt in einem Blogbeitrag zu den DroidJack-Durchsuchungen den Zusammenhang zwischen diesem Frankfurter Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und dem Fall Edathy her. Über letzteren hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss am 15.08.2014 (2 BvR 969/14) bereits entschieden, daß es nicht ausreiche, einen Anfangsverdacht zu begründen, nur weil die Möglichkeit bestehe, daß jemand eine Straftat begehen könne.

HessenDie Frankfurter Ermittlungsbehörden stehen auf ganz dünnem Eis. Und wie sich das langfristig auswirkt, hat der Große Vorsitzende des 2. Strafsenats beim Bundesgerichtgshof mal schön geschrieben:

Verheerender als die praktische Sinnlosigkeit einer solchen Strafverfolgung ist der Verlust ihrer Legitimität.

Die rechtfertigende Pressemitteilung der GenStA vom 28.10.2015 gibt es u.a. hier (als Datei im PDF).

Hier dann noch der passende Song zum Thema:

11 Kommentare