Heiße Luft aus Hamburg

Ein stationäres Meßgerät will festgestellt haben, daß ein Auto zu 28 km/h schnell war. Die Fotoeinheit hat das Kennzeichen und durch die Windschutzscheibe die Person abgelichtet, die zur Tatzeit hinter dem Lenkrad saß. Soweit, so gut.

Nun bekommt der Halter des Fahrzeugs Post von der Polizei Hamburg, die damit beschäftigt ist, dieser Person habhaft zu werden, damit sie ihrer gerechten (!) Strafe (meint hier: Bußgeld) zugeführt werden kann. Dazu nutzt der Ermittler einen Textbaustein, mit dem er versucht, sich die Arbeit vom Hals zu halten:

Androhung 01

Dem Halter werden also solch empfindliche Übel wie Hausbesuche, Nachbarschaftsbefragung und Fahrtenbuchauflage angedroht. Einmal abgesehen davon, daß es der Polizei aus Kapazitätsgründen schlicht unmöglich ist, bei jeder der hundertausenden Fahrerermittlungen jeweils Hausbesuche und Nachbarschaftsbefragungen durchzuführen:

  • Im Einzelfall kommt der freundlich Kontaktbereichsbeamte morgens um 11 Uhr, wo jeder Hamburger (oder auch Kreuzberger) seinem Broterwerb nachgeht (oder einkaufen ist), und hinterläßt einen Zettel mit einer Rückrufbitte.
  • Die „Nachbarn“ werden sich an den Kopf fassen, wenn der von ihren Steuergeldern alimentierte Uniformierte mit einem Blitzerfoto bei ihnen erscheint und mit erhobener Stimme fragt: KENNEN SIE DIESE PERSON?
  • Und was ist mit der Fahrtenbuchauflage? Das ist ein neues Verfahren, in dem die Karten neu gemischt werden und an dessen Ende in aller Regel ein Schußwechsel in Hornberg stattfindet. Nota bene: Nach neuestem Stand der Bepunktungsregeln gibt es für den Verstoß gegen eine Fahrtenbuchauflage ein Wattebällchen, aber keinen Punkt mehr.

Also: Was ist, Polizist?

Die Ermittlungsbehörde muß sich die Frage stellen, ob sie es wirklich nötig hat, den Bürgern mit solch armseligen Tricksereien zu begegnen?

Ich rate dazu, den Absender dieser hilflosen Post zum Caffè zu bitten, dazu ein paar freundliche Nachbarn einzuladen und sich gemeinsam über das Führen von Fahrtenbücher lustig zu machen.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

24 Antworten auf Heiße Luft aus Hamburg

  1. 1

    Bist Du SCHON WIEDER zu schnell gefahren?

    • Wer?? Ich? NIEMALS! Kann gar nicht sein. crh
  2. 2
    Arno Ukant says:

    Ich frag mich sowieso immer wie man so was ernstnehmen soll wenn man die zwei Ausrufezeichen in der Klammer sieht.

  3. 3
    Friedemann says:

    Glauben Sie’s oder nicht: Ich hatte schon einmal Hausbesuch von zwei Polizeibeamten, die mir ein Blitzerfoto unter die Nase hielten und mich fragten, ob ich dazu Angaben machen könne. Und zwar zur deutlichen Feierabendzeit (genaue Uhrzeit weiß ich nicht mehr es war jedenfalls schon dunkel). Aber in der Tat drängte sich die Frage auf, ob das wirklich das schwerste Vergehen war, das es zu diesem Zeitpunkt aufzuklären gab…

  4. 4
    Kai Fett says:

    Mhm, warum muss ich da an „Wer einen Menschen rechtswidrig […] durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung […] nötigt“ denken?

  5. 5
    RA JM says:

    Schon eine massive Anhäufung von Dünnsinn: „Sie kommen als Fahrer in Betracht“ – ja und – und vor allem, weshalb? Eine formgerechte Anhörung dürfte das nicht sein (ggf. interessant für die Verjährung), eine Zeugenvernehmung wohl auch nicht wirklich.

    Aber Hauptsache, es klingt wichtig und bedrohlich – und leider funktioniert diese Masche bei vielen Bürgern immer noch.

  6. 6
    BV says:

    Ist das wirklich so unwahrscheinlich? Vielleicht in Brennpunkten, in denen ein . Aber in „normalen“ Wohngegenden fährt die Polizei ja auch Streife – 24/7. Da kann man ja bei der Gelegenheit auch mal bei einer konkreten Adresse anhalten und mal nachfragen. So groß ist der Aufwand ja nicht.

  7. 7
    Dr. Nozar says:

    Bei mir standen die auch mal vor der Tür. Per Kamera überwacht. Versteht sich. Es regnete aus Kübeln und die fragten ob ich nicht öffnen wolle. Es würde regnen. Ich fragte ob ein Durchsuchungsbefehl dabei wäre. Sie sagten nein. Dann blieben die Jungs im Regen stehen und waren sauer…. .

  8. 8
    Klaus says:

    Kein Punkt für’s fehlende Fahrtenbuch mehr?

    Das sollte mal der Autor von http://www.kanzlei-hoenig.de/specials/juristenalltag/straf-bussgeld-sachen/fahrtenbuch/ verbessern.

  9. 9
    Pascal says:

    Hm. im Bayern hat meine Mama schonmal einen Hausbesuch bekommen, weil jemand™ mit einem auf sie zugelassenen Auto 7 km/h zu schnell war irgendwo kurz hinter der Berliner Stadtgrenze in Steglitz-Zehlendorf.

  10. 10
    jemand says:

    >zu 28 km/h schnell

    Ich hab mich schon gefragt, wo man mit 28 km/h geblitzt wird, weil mein Gehirn das „zu“ an der Stelle einfach ignoriert hat.

  11. 11
    Katharina says:

    Also halten wir fest: Da brettert jemand mit über 60 km/h durch die 30er Zone oder mit über 80 km/h durch die Innenstadt und erfährt hier allgemeine Solidarität bei dem Versuch, sich seiner Verantwortung hierfür (und den sowieso absurd milden Sanktionen) zu entziehen. Muss einem denn erst ein Kind überfahren werden, damit diese kindischen Reaktionen aufhören??

    • Das hat aber heute echt lang gedauert, bis die Kopf-ab-fürs-Rasen-Fraktion sich hier meldet. War zu warm heute, nicht? crh
  12. 12
    RA Lupo says:

    KANN DENN NICHT EINMAL JEMAND AN DIE KINDER DENKEN????

  13. 13
    Steffen says:

    Es soll Ecken geben in Deutschland, da kam das (damals noch) grün-weiße Auto am Sonntag beim Nachbarn eines vermeintlichen Verkehrssünders vorgefahren und wollte wissen, wer von zwei sich sehr ähnlich sehenden Brüdern denn auf dem Bild zu sehen wäre…

  14. 14
    RA JM says:

    @ Katharina:

    Wer lesen kann: „… 28 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften“.
    Also auch nur heiße Luft, das gar grausliche Szenario.

  15. 15
    matthiasausk says:

    Liebe Katharina, da steht doch „außerorts“ – und außerorts lassen gute Eltern ihre Kinder doch sowieso nicht spielen. Da gibts ja wilde Tiere und man kann ganz viele entsetzliche Krankheiten kriegen, außerorts.

  16. 16
    Pascal Rosenberg says:

    Liebe Katharina,

    das war jetzt aber ein Eigentor. Der gute Herr Hoenig (ach nee, der wars ja gar nicht, hat er ja schon gesagt), also gut, jemand(TM), ist außerorts 28 km/h zu schnell gefahren.

    Wenn wir annehmen, dass 80 km/h erlaubt waren, dann ist derjenige also 110 km/h gefahren. Da es auch außerorts Aleen und ähnliches gibt, wo 100 km/h erlaubt sind relativiert das vielleicht Ihre Aussage von „oh wie schrecklich, oh wie schrecklich“ etwas.

    Und: Es geht da gar nicht um das Drücken gegen einen Verstoß. Es geht eher darum, dass der Polizeibeamte Feststellungen trifft, die er gar nicht treffen kann und dann dem Halter des Fahrzeugs (der ja nicht immer gleich dem Fahrer ist, gelle) Dinge mitteilt, die geeignet sind eine bedrohliche Kulisse aufzubauen. Das alles ohne wirkliche Grundlagen. Da haben wir über Täterschaft des Halters noch gar nicht referiert. ;) Aber so ist das, der Beschuldigte ist immer auch gleich der Täter. Sperrt ihn weg, wegsperren sag ich. :)

  17. 17
    Juris Consultus says:

    Wir haben es bei dem Fahrer doch mit einem Betroffenen zu tun. Ich glaube viele Beamte bedauern, dass sie nicht in Österreich arbeiten. Dort gibt es die nette Lenkerauskunft und eine Anonymverfügung.

  18. 18
    Wachtmeister Stix says:

    Was wird hier rumgeflennt? Jemand ist zu schnell gefahren und dafür wird jetzt eben eine Gebühr entrichtet. Und wenn jemand nicht bereit ist, für sein Fehlverhalten einzustehen, wird eben ermittelt.

  19. 19
    Thorsten says:

    Es gibt tatsächlich – von ihrer Umgebung her städtisch, aber von ihrer mentalität her – dörflich geprägte Gegenden in Deutschland, wo

    die Polizisten sich sehr viel Zeit für 1.) Besuche vor Ort (täglich! Er könnte ja mit dem Hund rausgehen) und 2.) Nachbarschaftsbefragungen nehmen.

    Und dort wohnen Menschen, die 1.) den Polizisten sofort Rede und Antwort stehen sowie 2.) auch sonst bei jedem kleinen Scheiß sofort die Polizei rufen.

    Ja, sogar wenn ein Autofahrer, den sie kennen, einen Zierstein anfährt und eine Mülltonne umfährt und weiterfährt, wird nicht etwa nachmittags zu ihm gegangen und gesagt: „Hör mal zu, ich hab Dich heute Vormittag gesehen. Du musst das melden.“ – nein, es wird sofort das Handy gezückt und die Polizei gerufen.

    Krank… leider wohne ich in solch einer „Stadt“, zum Glück bin ich ursprünglich nicht von hier. Und ich würde gerne wieder weg…

  20. 20
    Wahlberliner says:

    @Thorsten: Sie schreiben, dass „bei jedem kleinen Scheiß sofort die Polizei rufen“ eine „dörflich geprägte“ Eigenschaft wäre. Ich musste da etwas schmunzeln.

    Ziehen Sie mal nach Berlin. Ich komme ursprünglich vom „Land“ und habe schon in mehreren Städten gewohnt. Die Tatsache, dass man bei jeder Kleinigkeit die Polizei dazuholt, finde ich hier sehr ausgeprägt. Den Berliner an und für sich habe ich durchaus als „Protestler“ kennen gelernt. Ich kannte das bisher so nicht. Er holt schon gerne die Polizei oder geht zum Anwalt anstatt Dinge auf persönlicher Ebene zu regeln.

    Bitte richtig verstehen: Berlin ist ne tolle Stadt und der Berliner ist voll in Ordnung.

    Was Fahrerflucht angeht: Wenn beim Zierstein oder bei der Mülltonne kein Schaden aufgetreten ist, ist das Wegfahren okay. Falls ein Schaden entstanden ist und der Fahrer einfach abgehauen ist, finde ich die Anzeige bei der Polizei okay.
    Mir hat auch schon jemand in mein parkendes Auto eine Delle reingefahren und ist abgehauen. Letztlich bleibt man halt auf dem Schaden sitzen. Ich hätte mich da auch gefreut, wenn jemand das beobachtet und mir oder der Polizei gemeldet hätte.

  21. 21
    Rudi says:

    Das Schlimme ist:
    90% der Bevölkerung zucken zusammen, wenn die Pozilei vor der Türe steht und geben bereitwilligst Auskunft. Darauf angesprochen heißt es dann: „Wir haben denen das sagen MÜSSEN“, klar, ist ja auch die Pozilei.
    Selbst intelligenteste Menschen füllen den Anhörungsbogen aus, sogar, wenn drin steht, daß man es nicht muß und die persönlichen Daten korrekt sind. Steht ja Pozilei drauf und die schicken das ja nicht umsonst.

    Preussisches Obrigkeitsdenken eben…

  22. 22
    Thorsten says:

    @Wahlberliner: bitte nicht falsch verstehen, Delle reinfahren und abhauen ist Sch… und gehört angezeigt. Aber wenn ich den Täter doch sehe und kenne, kann ich ihn erst einmal persönlich drauf ansprechen.

    Und auch wenn ich den Täter nicht gesehen habe, kann ich erst einmal in der Nachbarschaft fragen, ob jemand was gesehen und jemanden erkannt hat.

  23. 23
    Wahlberliner says:

    @Thorsten: Keine Sorge, ich versteh Dich nicht falsch.
    Natürlich kann man den Verursacher ansprechen, wenn das möglich ist. Gerade auf nem kleinen Dorf (jeder kennt jeden) macht man das auch gewöhnlich, gerade wenn es der Nachbar ist, weil man sonst auf Dauer sehr schnell böses Blut hat. Dann hat die Person noch die Chance, den Geschädigten anzurufen oder sich selbst bei der Polizei zu melden.

    Andererseits: Ich habe es mal in Berlin erlebt, dass ein Auto auf dem Parkplatz eines Supermarkts ein anderes Auto angerempelt hat. Der Fahrer ist ausgestiegen und hat sich den Schaden betrachtet (nichts schlimmes: Delle in der.Stoßstange und Rückfahrlicht kaputt). Anschließend ist er wieder zu seinem Auto gegangen. Ich habe angenommen, dass er sich was zu schreiben holen will. Der Fahrer hatte sich allerdings schnell in sein Auto gesetzt und ist ab durch die Mitte. Da war gar keine Zeit mehr, den Verursacher darauf anzusprechen, zumal ich mit der Reaktion nicht gerechnet hatte. Ich hatte es gerade noch geschafft, mir das Kennzeichen zu notieren. Der geschädigte Autofahrer kam nach 10 Minuten aus dem Supermarkt und bekam von mir das Kennzeichen.

    Will sagen: Letztlich ist die Absicht eine andere Person auf einem Schaden sitzen zu lassen, den man selbst verursacht hat, in dem Moment erfüllt, an dem man sich von der Unfallstelle wegbewegt.

    Noch was: In Berlin (wahrscheinlich auch in Hamburg oder anderen wirklich großen Städten) kann man in gewissen Gegenden durchaus auch etwas auf die „Fresse“ bekommen, wenn man da eine fremde Person darauf anspricht, dass diese nicht wegfahren solle. Die Meldung an die Polizei kann da durchaus die gesündere Variante sein.

  24. 24
    RalphE says:

    Mich hat eine Behörde mal mit einem grottenschlechten Bild von mir belästigt und ich sollte angeben wer gefahren sei…. (Geschwindigkeitsüberschreitung im Bereich +5 – +10km/h) mir wurde eine richterliche Vernehmung angedroht. Das ganze ging dreimal, dann war eh verjährt. Und nein, es stimmt eben nicht dass wenn jemand nicht zahlt ermittelt werden muss! Wenn man keine Beweise hat wird eben eingestellt. Das war die Intention bei Ordnungswidrigkeitengesetz. Ebenso bei einem Unfall mit nicht völlig klarer Schuldfrage. Man wollte den Bürger und die Verwaltung nicht mit unnützen Verfahren belästigen. Heute wird die Polizei dann angewiesen alles jenseits des Verwarnungsbereichs schonungslos zu verfolgen, ich wollte so einen Ermittlungseifer mal bei berechtigten Anzeigen im Strafrecht sehen, wo oftmals der Vorgang eingestellt wird weil keine Lust… Heute würde ich der Behörde – die Sache ist ein paar Jahre her – eine Epetition beim zuständigen Petitionsausschuss draufzünden, geht in ein paar Minuten und die Behörde hat Spaß.