Monatsarchive: Februar 2014

Akteneinsicht durch den Beschuldigten

Gegen den Mandanten wird ein Ermittlungsverfahren geführt. Ihm wird Verrat von Geschäftsgeheimnissen und versuchter Betrug vorgeworfen. Hintergrund ist ein gestörtes Verhältnis zwischen ihm als leitender Angestellter und seiner Arbeitgeberin, eine Gesellschaft die noch weitere, mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft (nicht die Polizei!) ihm eröffnet hat, daß gegen ihn ermittelt wird, schreibt er an die Ermittlungsbehörde:

In der Strafsache gegen mich beantrage ich, bevor ich mich zur Sache äußern möchte, Akteneinsicht gem. § 147 Absatz 7 StPO und bitte höflichst um Mitteilung, in welcher Form mir die Einsicht in die Akte gewährt werden soll.

Er bittet ferner um Verlängerung der gesetzten Frist zur Stellungnahme, die er im detaillierten Umfang ankündigte.

Eigentlich ein klassischer Fall von Antrag auf Akteneinsicht durch den Beschuldigten, der anwaltlich nicht vertreten ist, sauber formuliert und sachlich.

Die Staatsanwaltschaft reagiert mit folgendem Text:

Akteninhalt

Der Staatsanwalt hält das Ganze für überschaubar und meint dann noch zu dem Fristverlängerungsantrag:

Keine Fristverlängerung

Das führte dazu, daß der Mandant mich als seinen Verteidiger beauftragt hat. Der § 147 Abs. 7 StPO ist ein schöner Text, der in der Praxis leider so gut wie keine Bedeutung hat.

Ich habe das Akteneinsichtsgesuch daher nochmal wiederholt und wenig später die zwei Bände mit zusammen rund 250 Blatt erhalten. Die Videoaufzeichnung habe ich dann nochmal gesondert anfordern müssen.

Wenn ich dann später einmal einen Antrag auf meine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragen sollte, rechne ich damit, daß dieser Staatsanwalt sich dagegen aussprechen wird: „Einfache Sach- und Rechtslage, der Beschuldigte weiß doch auch ohne Verteidiger, daß man keine Geheimnisse verraten und nicht betrügen darf.“

Das ist der eiserne Besen, mit dem manche überforderte Staatsanwälte versuchen, ihre Resopalschreibtische von den staubigen Akten zu befreien.

Nur nebenbei
Die Verteidigungsschrift wird den Tenor haben: „Der Staatsanwalt sollte eigentlich wissen, daß man Tatvorwürfe nur dann erheben sollte, wenn man die entsprechenden Beweise hat.“ Ganz einfach, die Sach- und Rechtslage, sofern man den Akteninhalt aufmerksam studiert hat. Aber dazu scheint manchem Strafverfolger irgendwie die Zeit zu fehlen. Denn für die Unterstellung, der Staatsanwalt wollte mit seiner Erwiderung an den Mandant etwas verbergen, besteht ja wohl kein Anlaß. Oder so.

Ergänzung
Was ein Beschuldigter tun kann, wenn er keinen Verteidiger beauftragen möchte und die Staatsanwaltschaft ihm die Einsicht in die Akte verwehrt, habe ich hier kurz beschrieben.

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Deal über die Plantage

Anruf des Staatsanwalts in einem Verfahren, in dem es um den Anbau von Cannabis geht:

Herr Staatsanwalt Bullmann bittet um Rückruf. Es geht um die Sache Wilhelm Brause. Er fragt, ob es eine Stellungnahme zur Ermittlungsakte geben gibt. Ferner sind die Kapazitäten der Lagerungsstelle ausgeschöpft. Herr Bullmann fragt daher, ob die Einziehung der Drogenplantage außergerichtlich vollzogen werden kann.

PlantageMir fallen ad hoc eine Menge Alternativen zur weiteren Vollstopfung der Asservatenkammern mit Gärtnereibedarf ein. Aber mich fragt ja keiner.

Dann werde ich den Staatsanwalt mal anrufen und fragen, worin seine Gegenleistung bestehen könnte, wenn Wilhelm Brause auf seinen Vorschlag eingehen sollte. Nichts ist umsonst …

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Ermittlung von Arbeitnehmern

Gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens wird ein Ermittlungsverfahren geführt. Die Staatsanwaltschaft möchte die Mitarbeiter des Unternehmens als Zeugen vernehmen. Die Aufgabe: Wer waren diese Mitarbeiter, die ein paar Jahre zuvor in dem Unternehmen beschäftigt waren? Wie kommt man an die notwendigen Informationen.

Der Staatsanwalt macht es sich einfach:

Rentenversicherung

Nur wenige Tage später gibt die Deutsche Rentenversicherung dem Staatsanwalt Nachhilfe in Sachen Datenschutz:

Rentenversicherung-2

Netter Versuch, auf diesem Wege an die Informationen zu gelangen.

Und jetzt? Neue Idee:

Rentenversicherung-3

Na, bitte; geht doch! Man muß eben nur die Richtigen fragen. Die begehrte Auskunft kam – nicht ganz vollständig, aber immerhin – ein paar Tage später auf Kanzleibriefbogen.

Rechtsanwälte sind eben keine Rentenversicherer, jedenfalls was die Geschwätzigkeit angeht.

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Observation statt Auskunft

Der Beschuldigte ist Unternehmer. Gleichwohl findet man ihn weder in den gelben Seiten, noch in einem sonstigen Telefonbuch. Das ist dann mißlich, wenn man wissen will, mit wem er sich wann und über was unterhält.

Da die Staatsanwaltschaft also nicht bei der Auskunft anrufen kann, um eine Telefonnummer in den Antrag auf Überwachung der Telekommunikation schreiben zu können, muß sie hinter dem Unternehmer herlaufen.

Observation

Wie man sieht, nützt es erst einmal wenig, auf die Anmeldung eines Telefons im eigenen Namen zu verzichten. Der einfachste Verzicht, der gegen Telekommunikationsüberwachung hilft, ist der auf Telekommunikation.

Es gibt dann einen zweistufigen Beschluß oder eben zwei hintereinander liegende Beschlüsse, je nach Geschmacke des Ermittlungsrichters:

Erstmal die Observation:

.. wird gemäß §§ 163 f, 162 Absatz 1 Satz 1 Strafprozessordnung die Observation des Beschuldigten Wilhelm Brause, wohnhaft 10999 Berlin, Paul-Lincke-Ufer 42-43, beginnend ab dem 28. Juli 2013 um 0.00 Uhr bis zum 17. August 2013 um 0.00 Uhr angeordnet.

Und dann gleich hinterher die Inbetriebnahme des IMSI-Catchers:

… wird gemäß §§ 100 i Absatz 1 i. V. m. 100 b Absatz 1 Satz 1 Strafprozessordnung betreffend den Beschuldigten Wilhelm Brause die Ermittlung der Gerätenummer des von ihm genutzten Mobilfunkendgerätes und der Kartennummer der darin verwendeten Karte durch technische Mittel, beginnend ab dem 28. Juli 2013 um 0.00 Uhr bis zum 17. August 2013 um 0.00 Uhr, angeordnet

Und wenn die notwendigen Daten dann bekannt sind, gibt es die Nummer drei:

… wird gemaß §§ 100 a, 100b Absatz 1, 162 Absatz 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 7 TKÜV (Telekommunikations-Überwachungsverordnung) betreffend den Mobilanschluss Vorwahl und Rufnummer: 017*-3********, Anschlussinhaber: Wilhelm Brause, 10999 Berlin, Paul-Lincke-Ufer 42-43, zur Erforschung des Sachverhalts die Überwachung und Aufzeichnung des gesamten Fernmeldeverkehrs, der von dem vorgenannten Anschluss ausgeht oder für diesen bestimmt ist, oder der statt dessen zu technischen Speichereinrichtungen geleitet wird oder der aus solchen Speichereinrichtungen abgerufen wird für die Dauer von drei Monaten, beginnend ab dem 30. Juli 2013 um 0.00 Uhr bis zum 29. Oktober 2013 um 24.00 Uhr, angeordnet.

Außerdem wird der Betreiber des betroffenen Telefonnetzes angewiesen, innerhalb des durch die Anordnung bestimmten Zeitraums als Teil der durch die zu überwachende Kennung bezeichneten Telekommunikation auch die sich aus § 7 Absatz 1 TKÜ bei ihm vorhandenen Daten bereitzustellen.

Was dann folgt, ist Routine und führt in der Beweisaufnahme zu stundenlangen Hörspielen. Und zur Suche nach der Nadel im Beschlußhaufen.

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Anrufbeantworter

666954_web_R_B_by_Karl-Heinz Laube_pixelio.deEin ganz normaler Montag: Von heute Morgen um 8 Uhr bis heute Abend um 18 Uhr haben wir 49 Anrufe entgegen genommen. 49 mal erst ein höflicher Small Talk, dann das Gespräch zur Sache. Die Anrufe wurden größtenteils „verschriftet“ und dann weiter bearbeitet. Das alles spontan und zwischendurch.

Daneben dann noch die ungezählten eMails, die Nachrichten unserer Mandanten über die WebAkte, ein paar Faxe und die (montags nur wenige) Briefpost. Soweit der heutige Informations-Input.

Nur mal so nebenbei erwähnt, weil ich heute mal die Telefonanlage ausgelesen habe.

Update:
Habe ich eigentlich die Anrufe und die SMS erwähnt, die uns auf unseren Mobiles erreicht haben?

Bild: Karl-Heinz Laube / pixelio.de

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Praxisuntaugliche Bankunterlagen

Es geht um den Vorwurf eines Subventionsbetrugs. Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Ermittlungen die Akten der Bank angefordert, die die Fördermittel an die Subventionsempfängerin ausgezahlt hat.

So kann man hier nicht arbeiten!

… höre ich den Staatsanwalt meckern. Der verfügt daher eine Beschäftigungstherapie für die Geschäftsstelle:

praxisuntauglich

Ich kenn‘ das. Wenn meines Mutter seinerzeit mein Kinderzimmer aufgeräumt hat, habe ich auch nichts mehr wiedergefunden. Anders als der Staatsanwalt hier mußte ich aber selber wieder für meine gewohnte Ordnung sorgen.

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Kokain im Polizeipräsidium

PZL 2011 auf ButterschlotEinem Bericht der „Augsburger Allgemeinen“ zufolge hat der Leiter der Drogenfahndung in Kempten 1 1/2 Kilo Kokain sichergestellt. Der größte Fund in Schwaben Süd/West seit 20 Jahren.

Ein wenig ungewöhnlich war allerdings der Ort, an dem der Kriminalbeamte das Koks gelagert hatte: Es wurde in seinem Spind gefunden, in dem er ansonsten seine Pausenbrote und die Dienstmütze aufbewahrt. Eigentlich ein hervorragendes Versteck, denn wer denkt schon daran, daß ein Polizist Betäubungsmittel im Wert von 250.000 Euro im Polizeipräsidium zwischenlagert.

Und wie sind ihm seine Kollegen auf die Spur gekommen? Auf klassischem Wege: Die zukünftige Exfrau hatte sich mit ihrem Noch-Ehemann gezankt … nun sitzt der arme Mann in Untersuchungshaft.

Es gibt eben Sachen, die sollte man selbst seiner Ehefrau besser nicht erzählen.

Danke an @sarcarsten für den Hinweis.


Bild: Karsten Dittmann / pixelio.de

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Keine Diät!

Der Tagesspiegel hat seine Leser befragt, was sie von der Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten halten: Nichts, wenn man sich dieses Ergebnis anschaut.

Keine Diät

Der gemeine Tagesspiegelleser ist nun nicht gerade ein Prolet, der anderen ihren Verdienst nur deswegen neidet, weil er weniger zur Verfügung hat. Aber es ist auch nicht einfach zu entscheiden, was für die Parlamentarier angemessen bzw. überzogen ist. Ich weiß es nicht und habe mich daher nicht an der Abstimmung beteiligt.

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Der Strafverteidiger empfiehlt – 73

Strafverteidiger,Berlin,,Kreuzberg,Paul-Lincke-UferHeute:

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Freitags ab Eins

Wenn ich freitags nach der Mittagspause gegen 14 Uhr wieder loslege, haben die meisten Beamten in Moabit schon Wochenende. Es geht der Spruch: Freitags ab Eins macht jeder seins.

Ich habe heute gegen 19 Uhr nochmal eine kleine Pause gemacht, um dann in den Endspurt zu gehen. Kurz nach 20 Uhr habe ich dann noch eine eMail an einen Staatsanwalt geschickt, mit dem ich in der kommenden Woche (also nach seinen drei freien Tagen) telefonieren wollte.

Um zwanzig vor Neun bin ich bald vom Schreibtischstuhl gefallen, als mich diese eMail erreichte:

StA-eMail

Unglaublich. Da arbeitet doch wahrhaftig um diese Zeit immer noch ein Staatsanwalt! Mit dem Mann telefoniere ich nicht, den besuche ich persönlich und lasse mir ein Autogramm von ihm geben. Whow!

Und jetzt, um 21:15 Uhr, mache ich Feierabend. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

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