Warum ich kein Richter geworden bin

Zum Thema „Rechtsstreitigkeiten, die kein Mensch braucht!“ hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin etwas beizutragen. Da hat sich nämlich ein Richter mit seinem Dienstherrn darüber gestritten, ob es gut für seine Karriere sei, daß er früher mal als Saftschubse und Fahrkartenknipser tätig war.

Dieser Richter meinte, er habe in jenem Job wertvolle Erfahrungen gesammelt, die er in seinem aktuellen Beruf sinnvoll einsetzen könne.

Neinein, das habe ich mir jetzt nicht ausgedacht. Es ist ist tatsächlich ein besoldungsrechtliches Problem. Oder anders formuliert: Die Tätigkeit als Flugbegleiter und Fluggastabfertiger kann sich aufs monatliche Netto auswirken. Da streitet man sich schonmal gerne. Wenn man Richter und als solcher im öffentlichen Dienst beschäftigt ist.

In der Legal Tribune Online ist zu lesen:

Die notwendige soziale Kompetenz eines Richters umfasse u.a. die Fähigkeit zum Verhandeln und zum Ausgleich sowie die Konflikt- und Kooperationsfähigkeit. Der Kläger habe durch seine Tätigkeit als Flugbegleiter Umgang mit Menschen in der besonderen Situation des Flugbetriebs gehabt. Er habe vor unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen gehäuft auftretende menschliche Konflikte erkennen, ausgleichen und lösen müssen (Urt. v. 20.03.2013, Az. VG 7 K 302.12).

Ich bin sehr froh, daß ich nicht in so einer Atmosphäre arbeiten muß, in der meine „Erfahrungszeiten“ in der stahlverarbeitenden Industrie als Stahlkessel-von-innen-Sandstrahler auf meine aktuelle monatliche Vergütung auswirkt.

Jetzt wüßte ich noch gern, welche pekuniären Konsequenzen sich bei VRiBGH Dr. Thomas Fischer eingestellt haben, dafür daß er mal seine Brötchen mit Zwischengasgeben auf einem LKW-Bock verdient hat. Ich kann mir vorstellen, daß man als Kutscher auch ne Menge Erfahrungen mit Konflikten sammeln konnte.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

20 Antworten auf Warum ich kein Richter geworden bin

  1. 1
    Katharina says:

    Das wirkt sich nicht eigentlich auf die Besoldungshöhe aus, wohl aber auf den Zeitpunkt des Aufrückens in den Dienstaltersstufen.

    Nimmt man trotzdem gerne mit, würde ich sagen. Rechtsanwälte akzeptieren dem Vernehmen nach auch nicht jede Kürzung seitens des Bezirksrevisors und streiten hingebungsvoll über die Kosten für ein paar Kopien.

  2. 2
    Anno Nüm says:

    Paragrafenschubser statt Saftschubser, das paßt doch!

  3. 3
    Bezirksrevisor says:

    Dem Kommentar von Katharina kann ich mich nur anschließen. Leute, deren betriebliches Wohlergehen offensichtlich von ein paar Cent Kopierkosten abhängt, sollten sich über Vorgänge wie hier nicht lustig machen.

    Ein Ausdruck dieses Blogbeitrages kann zukünftig durch den Kostenbeamten jedem KFB beigefügt werden.

  4. 4
    Staatsanwalt says:

    Etwas mehr Lebenserfahrung und Sozialkompetenz vermisst man beim Nachwuchs in der Jusitz leider immer häufiger. Manche Nachwuchskraft scheint direkt aus dem Elfenbeinturm zu kommen und reagiert beim Umgang mit den Niederungen der Gesellschaft erstaunlich lebensfremd, sowohl in die eine wie auch die andere Richtung. Insoweit erscheint es durchaus sachgerecht, den Fokus nicht nur auf juristische, sondern auch persönliche Kompetenzen zu legen.

    Das konkrete Beispiel kann bei mir aber nur Kopfschütteln hervorrufen. Auf Tätigkeiten als Türsteher oder Erzieher im Kindergarten träfen die vom VG angewandten Kriterien wohl auch zu.

  5. 5
    Alan Shore says:

    Bezirksrevisor

    Also mein betriebswirtschaftliches Wohlergehen hängt nicht von ein paar Cent Kopierkosten ab. Ich rechne immer einige Kopien weniger ab als tatsächlich gefertigt wurden und die Akte Blätter hat. Dann ist der Kostenbeamte glücklich und ich erspare mir von vornherein nervige Nachfragen und erhalte mein Geld schneller. Allerdings habe ich mich schon immer gefragt, welche Langeweile und betriebswirtschaftliche Auffassung unter Kostenbeamten herrscht, wenn wegen 50 Cent Kopierkosten dreimal hin- und her geschrieben wird (Porto, Papier und Arbeitszeitverschwendung: ca. 30,- Euro).

    @ Staatsanwalt

    Das Bedauernswerteste am Wegfall der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes ist, daß der Nachwuchs nicht mehr zwangsweise durch den sozialen Schmutz gezogen wird. Das war für die spätere Tätigkeit als Jurist durchaus eine wertvolle Erfahrung, ebenso wie Ferienjobs, die nicht allein aus Schreibtischarbeit bestanden. Es gibt zwar heute immer mehr Studenten, die sich ihr Studium mit Jobs finanzieren müssen und dadurch Lebenserfahrung sammeln. Das scheinen in der Mehrheit aber nicht die zu sein, die später im Justizdienst landen. Dort bemerke mich immer häufiger „Vatis Liebling“ mit Perlenkettchen, die im Alter 24 Jahren schon das 2. Staatsexamen haben und mit diesem „Erfahrungsschatz“ auf arme Bürger losgelassen werden. Viele erfreuliche Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel.

  6. 6
    Caron says:

    Ich sehe da kein Problem. Angesichts der möglichen Sicherheitsgefährdungen in der Luft würde ich davon ausgehen, dass Flugbegleiter spezielle Schulungen zum Konfliktmanagement und evtl. sogar Psychologiebasics absolvieren. Frühzeitige Aggressionerkennung und sowas.
    Wenn sowas nachgewiesen wird, hätte ich kein Problem, da eine Anrechenbarkeit zu bejahen.

    Wie Katharina sagt: Besser als über Kopierkosten klagen in jedem Fall.

  7. 7
    Ingo says:

    @crh: Warum Sie kein Richter geworden sind?

    Vermutlich weil die Examensendnoten nicht gepasst haben ;)

    • Es hing mit meinem Alter zusammen, das ich hatte, als ich die Jura-Ausbildung beendet habe; und das hing damit zusammen, daß ich nicht im Elfenbeinturm aufgewachsen bin (sondern u.a. als Hilfsarbeiter in der Stahlindustrie malocht habe, um mir meine Spielereien – und zwei Ausbildungen – finanzieren zu können.). RiBGH Fischer ist so eine Vita nicht unbekannt. crh
  8. 8
    Strafakte.de says:

    Darauf steuern wir aber leider zu: Nur noch Mittzwanziger – gerade aus dem „Elfenbeinturm“ geklettert und ohne jede Lebenserfahrung begegnen uns als Richter und sollen nun Recht sprechen.

    Diese Problematik wird im Strafprozess durch die vielen kleinen sozialen Dissonanzen leider noch verstärkt!

  9. 9

    Zum Thema Elfenbeinturm:

    „Also das mit der Gehörsrüge, das fand ich gar nicht nett“ sagte die hübsch anzusehende Neurichterin eines Tages zu mir.

    So ticken junge Richterinnen. Entsprechend Elfenbeinturmig waren dann auch manche Entscheidungen.

  10. 10
    P says:

    Süß, wie sich hier die Nicht-VBler darüber ärgern, dass die Perlenkettenträgerinnen mehr Disziplin im Studium hatten und dementsprechend jetzt beruflichen Erfolg genießen können.

  11. 11
    Heinz says:

    „Ich bin sehr froh, daß ich nicht in so einer Atmosphäre arbeiten muß, in der meine „Erfahrungszeiten“ in der stahlverarbeitenden Industrie als Stahlkessel-von-innen-Sandstrahler auf meine aktuelle monatliche Vergütung auswirkt.“

    Das kann man doch drehen, wie man will, wenn der zuständige Dienstherr Ihnen gut gesonnen ist wahren ihre Erfahrungen als Stahlkessel-von-innen-Sandstrahler wertvoll, wenn nicht waren sie vergeudete Lebenszeit bzw. haben sogar Schäden hinterlassen.
    Bei Zweiterem würde es dann wohl heißen – „…ist in der Zeit zu grob geworden und hat wasauchimmer nicht gelernt“ oder ähnlicher Schmonzes

  12. 12
    Heinz says:

    @Alan Shore
    „Das Bedauernswerteste am Wegfall der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes ist, daß der Nachwuchs nicht mehr zwangsweise durch den sozialen Schmutz gezogen wird.“

    Entschuldigung, Sie meinten mit „Der Nachwuchs“ wohl „Die Männer“?
    …nur zur Präzisierung…

  13. 13
    le D says:

    @P: dann reiße ich es doch mal raus: wenn man die Punkte in beiden Examina addiert: über 200.

    Richter werden? Nee, im Leben nicht. Großkanzlei? Nee, auch nicht! Kleine, feine Boutique in einem Exotengebiet: ja, genau das.

  14. 14
    P says:

    In Ihrer kleinen, aber feinen Boutique haben Sie es aber doch wohl nicht nötig, über nicht „sozialkompetente“ Richter zu lästern? Wenn das für Sie nämlich ein Problem ist, dann ist Ihre Nische wohl nicht so „fein“.

  15. 15
    hau26hau says:

    VRdes2.StrSamBGH Fischer ist Professor – soviel Zeit muss sein.

  16. 16
    le D says:

    Nein, eher über das Gegenteil: Über Soziopathen im Richteramt (und die gibt es an jedem größeren Gericht; der hier beschriebene Typus trifft es erstaunlich oft) lässt sich prima reden und lästern.

    Glücklicherweise habe ich Richter abseits der Spezialkammern in den letzten 10 Jahren bislang immer nur einmal gesehen.

  17. 17

    Interessanter Fall, kannte ich noch nicht. Für einen Rechtsanwalt gibt es keine überflüssigen Prozesse, nur unlukrative

  18. 18
    Ingo says:

    @crh:

    In der Tat. Die Vita von (bald V)RiBGH Fischer habe ich mir mal anlässlich der Diskussion zur Besetzung der Vorsitzendenstellen am BGH zu Gemüte geführt.

    Schon damals habe ich zu einem Bekannten gesagt: Das ist auch nicht wirklich eine gradlinige Vita.

    Es hat nicht geschadet. Fischer ist nicht als angeklagtenfeindlicher Hardliner bekannt (er sitzt ja auch nicht im 1. StrS). Seine Lebenserfahrung wird ihm etwas Menschlichkeit gegeben haben.

  19. 19
    Alan Shore says:

    @P

    Wer sagt eigentlich, daß gute Examina zu einer Stelle im Ö-Dienst oder in einer Großkanzlei verpflichten? Ich habe trotzdem auf beides verzichtet und meine eigene kleine Butze aufgemacht. Weil ich meine Unabhängigkeit schätze (teamunfähig), etwas gegen Pensenschlüssel habe (stinkfaul) und trotzdem gerne gut verdiene.

    Warum strebt man eigentlich mit zwei mindestens vollbefriedigenden Examina einen unterbezahlten Job in der Justiz an, wo man unter heutzutage miesen Arbeitsbedingungen in winzigen Büros sinnlose Schriftsätze von Menschen bearbeiten muß, die man aufgrund ihrer schlechteren Examina aber besseren Einkommen gering schätzt?

  20. 20

    […] während des Studiums aufzählen. Wer sich dafür (nicht für meine) interessiert, findet bei Carsten R. Hoenig mehr dazu. Hier geht es um einen Betriebsrat, und zwar um einen “besonderen” […]