BGH: Versicherungsrecht meets Strafrecht

Der Vorwurf der Verkehrsunfallflucht ist nicht nur aus strafrechtlicher Sicht eine heikle Angelegenheit, auch zivilrechtlich kann Ungemach drohen.

Allein die Tatsache, dass man den Unfallort einfach verlässt, führt als vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit z.B. gegenüber der Vollkasko zur Leistungsfreiheit. Es besteht dann kein Versicherungsschutz und ein Schaden am eigenen Fahrzeug wird nicht bezahlt. Der Grund für diesen rigorose Leistungsverweigerung findet sich in § 28 Abs. 2 VVG in Verbindung mit den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherungen (AKB).

Danach hat man sich mit Abschluss einer Fahrzeugversicherung mit dem „Kleingedruckten“ verpflichtet, alle Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten und den Unfallort nicht zu verlassen, ohne dass die notwendigen Feststellungen getroffen wurden.

Der Bundesgerichtshof hat diesen Automatismus jetzt ein wenig relativiert und entschieden, dass nicht jede Verkehrsunfallflucht automatisch zur Leistungsfreiheit einer Fahrzeugversicherung führt.

Der Kläger im entschiedenen Fall kam nachts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Er sei Rehen auf der Fahrbahn ausgewichen, behauptete er später. Nach dem Unfall verständigte er den ADAC, der das Fahrzeug abschleppte, und ließ sich von einem herbeigerufenen Bekannten an der Unfallstelle abholen. Der Kläger behauptete auch, seine Versicherung informiert zu haben. Die Polizei und das für den beschädigten Baum zuständige Straßenbauamt verständigte er jedenfalls nicht. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. Den Schaden an seinem Fahrzeug von rund 27.000 Euro erhielt der Kläger aber nicht ersetzt, seine Versicherung war der Meinung, leistungsfrei zu sein.

Der Kläger verlor durch alle Instanzen, da sowohl das Landgericht, als auch das Oberlandesgericht der Auffassung folgten, dass die Aufklärungsobliegenheit stets verletzt sei, wenn der Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verwirklicht werde.

Nach der Entscheidung des BGH kommt es aber darauf an, wann der Kläger seine Versicherung informiert haben will und bedient sich zur Eingrenzung des zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmens ausgerechnet der gesetzgeberisch äußerst „gelungenen“ Norm des § 142 StGB.

Danach darf man sich nach einem Unfall nicht entfernen, bevor nicht alle notwendigen Daten festgestellt wurden, oder wenn niemand da ist, der bereit wäre, diese Daten aufzunehmen, man keine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat. Andernfalls wird man bestraft. Entfernt man sich nach Ablauf der angemessenen Zeit, wird man trotzdem bestraft, wenn man die Daten nicht unverzüglich nachträglich aufnehmen lässt, z.B. vom Geschädigten oder von einer nahe gelegenen Polizeidienststelle.

Der BGH meint, dem Aufklärungsinteresse des Versicherers sei trotz eines Verstoßes gegen § 142 Abs. 2 StGB dann in ausreichender Weise genügt, wenn der Versicherungsnehmer zu dem Zeitpunkt, in dem eine nachträgliche Information noch „unverzüglich“ gewesen wäre und eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift vermieden hätte, zwar nicht den Geschädigten oder die Polizei, aber unmittelbar seinen Versicherer oder dessen Agenten informiert hat. Dies hatte der Kläger behauptet.

Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Spannend wird die Frage sein, wann der Kläger seine Versicherung genau informiert haben will und ob das dann noch „unverzüglich“ war.

BGH, Urteil vom 21. November 2012 – IV ZR 97/11

Quelle: PM Nr. 195/2012 vom 21.11.2012

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2 Antworten auf BGH: Versicherungsrecht meets Strafrecht

  1. 1
    cepag says:

    Weshalb übrigens Leute, die des Nächtens einen Verkehrsunfall (ohne Beteiligung eines anderen) haben (also nur Schaden an Leitplanke, Baum, Gartenzaun etc.), u. U. sinnvollerweise NICHT die Polizei anrufen, liegen indessen auf der Hand.
    In einer solchen Konstellation kann es sinnvoll sein, dort einen (hinreichend langen) Moment zu warten, dann der Polizei eine Nachricht in den Briefkasten zu legen (oder ein Fax zu schicken) und sich dann erst einmal in (ein FREMDES) Bett zu legen, um ordentlich auszuschlafen.

  2. 2

    […] dann war da noch das Zusammentreffen von Versicherungsrecht und StGB. […]