Wer fehlt, Mr. Majestyk?

Jugendrichter Andreas Müller sitzt schon auf der Richterbank, weißes Oberhemd, weiße Krawatte, Strickjacke, die schwarze Robe hängt noch über dem Stuhl daneben. Heute finden „nur“ sechs Verfahren statt. Am Tisch links vor der Richterbank nimmt ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Platz, daneben ein Jugendgerichtshelfer, sozusagen das pädagogische Gewissen des Verfahrens. Im Zuschauerraum sitzen noch fünf Sozialarbeiter, die bald als Familienhelfer eingesetzt werden sollen.

So beschreibt Freia Peters in der Welt Online einen Tag vor dem Jugendrichter im Amtsgericht Bernau.

Frau Peters erinnert an das Neuköllner Modell der verstorbenen Richterin Kirstin Heisig und stellt einen parallelen Zusammenhang her mit der Rechtsanwendungspraxis des Bernauer Jugendrichters Andreas Müller.

Es gibt augenscheinlich eine weitere Parallele zwischen Heisig und Müller: Bei beiden scheinen Verteidiger gleichermaßen Störfaktoren zu sein. Sie stehen dem, was die Richter für richtig halten, im Weg: Das Gesetz bin ich!

Der Zweck heiligt nicht die Mittel, Herr Richter Müller.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht.

15 Antworten auf Wer fehlt, Mr. Majestyk?

  1. 1
    BV says:

    Wie kommen Sie zu dem Schluss, dass Verteidiger Störfaktoren zu sein scheinen? Nur weil keiner da ist?

  2. 2
    klabauter says:

    „Bei beiden scheinen Verteidiger gleichermaßen Störfaktoren zu sein. Sie stehen dem, was die Richter für richtig halten, im Weg“
    Wo steht das in dem Artikel oder aus welchen wo nachlesbaren Quellen haben Sie das, Herr Hoenig? Wenn man schon so grob austeilt, sollte man in der Lage sein, Belege anzuführen, oder?

  3. 3
    RA Will says:

    Er kommt wahrscheinleich darauf, weil das Frau Heisig so in Ihrem Buch schreibt.

  4. 4

    […] Kollege Hönig berichtet just über einen Sachverhalt, der ihn vermuten läßt, daß ein bestimmter Richter Verteidiger als „Störfaktoren“ betrachtet. […]

  5. 5
    Ulrich Dost says:

    Nun ja, der Bernauer Müller ist durchaus kein unbekanntes Blatt bei Berliner Verteidigern. Aber in dem Beitrag kann ich leider nicht erkennen, worin sich die Aussage des Kollegen Hoenig – Störfaktor – konkret manifestiert hat. Kleiner aufklärender Nachtrag möglich? Würde mich freuen.

  6. 6

    Vielleicht darf ich ja:
    Benutzen Sie einfach in Müllers Gegenwart das Wort „StPO“. Dezente Hinweise auf diese Norm werden von ihm als Behinderung seiner Erziehungtätigkeit gesehen.
    Das äußert sich in einer explosionsartigen Wutrede mit hochrotem Kopf. Kurz nachgelegt, daß es ohne nicht ging und schon stapft er ins gläserne Beratungszimmer, dreht sich ’ne Fluppe und quarzt erst mal eine. Sodann wird der Staatsanwalt gerufen und ihm als Palamentär aufgetragen, den störrischen Verteidiger ins Beratungszimmer zu rufen. Dort angekommen wird dem Verteidiger kommentarlos das Tabakpäckchen (Javanse Jongens Halfzwarer) hingeworfen. Nachdem die Fluppe gedreht und angezündet wurde kommt das Friedensangebot. Läuft bei ihm immer so. Der Verteidiger ist für ihn eine lästige Pest, die ihn nur beim Erziehen behindert.
    Wer bei ihm verteidigt, sollte gnadenlos gegenhalten.

  7. 7
    JJ Preston says:

    Zitat aus dem Welt-Artikel:
    „Müller hat noch eine zweite Erklärung für den Rückgang der Jugendkriminalität: „Jugendrichter greifen heute härter durch als die Post-68er und verhindern so neue Intensivtäterkarrieren.““

    Ungefähr so, wie US-Richter, die die Todesstrafe für Mord verhängen, weitere Morde verhindern, gelle?

    Man kann mit kaltem Wasser heiß gekochte Eier abschrecken. Man kann die sexuelle Lust eines Mannes mit einem Foto von Alice Schwarzer abschrecken. Aber Straftäter mit Strafen…?

  8. 8
    klabauter says:

    @jj Preston:
    Genau. Streichen wir einfach das StGB. Schreckt ja keinen ab. Genau so wenig, wie rote Ampeln oder STOP-Schilder die Leute zum Anhalten bringen. Erfreulicherweise hält sich ein Großteil der Bevölkerung weitgehend und mehr oder weniger genau an bestimmte Regeln, auch deshalb, weil Übertretungen Folgen haben (die nicht nur darin bestehen, dass man selbst im Krankenhaus landet, weil man gerne über rote Ampeln braust).

  9. 9
    egal says:

    Neuköllner Modell! Neuköllner Modell!

    Wenn ich das schon höre!

    76er Verfahren gabs vorher schon und gibs in Zukunft auch. Das Ganze ist doch nur wegen der Eitelkeit Frau Heisigs so aufgebauscht worden.

    Für die meisten Verfahren ist das „Neuköllner Modell“ schlichtweg unanwendbar…

  10. 10
    JJ Preston says:

    @klabauter
    Hat’s viel Mühe gekostet, mich falsch verstehen zu wollen?

  11. 11
    klabauter says:

    @ jj Preston: Nein. Wie haben Sie denn den letzten (Frage)Satz vom 4.1. gemeint? Vielleicht ist mir Ihre subtile Ironie entgangen?

    @egal: Soweit ich weiß werden 76er Verfahren aber bei den meisten Gerichten generell eben nur als „vereinfachte“ und nicht „beschleunigte“ geführt und an normalen Terminstagen mit angesetzt.
    Habe Heisigs Buch nicht gelesen, aber bei indymedia gibt es folgende (kritisch beurteilte) Zusammenfassung, aus der ich entnehme, dass das Modell in dieser Form wohl in der Tat neu ist (aber, wie Sie zu Recht schreiben, auch nur begrenzt, in der Regel wohl bei Ersttätern, denen keine Jugendstrafe „droht“ brauchbar ist; das aber ist eben der Zweck: schnell zu reagieren und junge Straftäter durch konsequente schnelle Aburteilung zu „erziehen“) :

    „Die Verkürzung des §76er-Verfahrens soll dadurch möglich werden, dass als erstes ein entsprechend geschulter und mit „schriftlicher Handlungsanweisung“ (S.183) ausgestatteter Sachbearbeiter auf dem Polizeiabschnitt die zur Anzeige gelangte Straftat rechtlich prüft und nach eigenem Ermessen entscheidet, ob er einen bestimmten Staatsanwalt anruft, der speziell für §76er-Verfahren zuständig ist. Dem schlägt er die frist- und formlose Einleitung des Verfahrens vor. Übernimmt der Staatsanwalt die Ergebnisse des polizeilichen Vorcheckings, wendet er sich sofort an den ortszuständigen Jugendrichter und beantragt dort mündlich das §76er-Verfahren. (siehe S.181)

    Sodann schaltet der Jugendrichter gemäß JGG unverzüglich die Jugendgerichtshilfe des Wohnbezirks der beschuldigten Jugendlichen ein. Dort gibt es nach diesem Modell einen(!) zuständigen Sozialarbeiter, der nur sich um die Bearbeitung §76er-Verfahren kümmert. (S.182) Damit sind alle verfahrensnotwendigen Schritte für eine „Dreiviertelstunde Verhandlungsdauer“ (S.181) eingeleitet,… „

  12. 12
    RA Will says:

    @ klabauter: nicht die zu erwartende strafe schreckt ab, sondern die angst vor entdeckung der tat.

  13. 13
    klabauter says:

    @ Ra Will:
    Warum sollte man Angst vor der Entdeckung der Tat haben, wenn keine Strafe droht?

  14. 14
    RA Will says:

    @klabauter: wo droht keine strafe? muss man jetzt nicht verstehen, oder?

  15. 15
    klabauter says:

    Die Angst vor der Entdeckung kann nur dann /deshalb abschrecken, weil bei Entdeckung eine Strafe droht.Ohne Strafandrohung keine Angst vor Entdeckung. Deshalb ist Ihr „NICHT die Angst vor der Strafe… SONDERN die Angst vor der Entdeckung“ so mE nicht richtig. Die Angst vor Strafe bei Entdeckung wäre wohl zutreffend.