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Jahresarchive: 2010
Gelöscht – mit der Brechstange
Irgendwann im Sommer 2009 wurde meiner Mandantin vorgeworfen, einen Taschendiebstahl begangen zu haben. Es hat auf offener Straße und anschließend in einem Geschäft ein Riesentheater gegeben. Die Mandantin wurde – so hat sie es empfunden – vor versammeltem Publikum öffentlich hingerichtet.
Im Laufe der Verteidigung stellte sich heraus, daß die Vorwürfe nicht nur nicht nachweisbar sind, sondern es ist der Beweis gelungen, daß die Mandantin keine Taschendiebin war und ist.
Das Verfahren wurde – wie üblich mit dürren Worten und ohne Entschuldigung – nach § 170 II StPO eingestellt.
Die Daten, die die Polizei und später die Amtsanwaltschaft in die Datenbanken geschickt hatten, sollten dort verbleiben. Das wollte die Mandantin nicht. Deswegen habe ich einen Antrag auf Löschung dieser Daten gestellt. Das war im Januar. Und dann habe ich gefühlte 100 Mal an die Bearbeitung dieses Antrags erinnert. Passiert ist nichts. Bis jetzt. Auf meine – nicht mit dürren Worten geschriebene – Dienstaufsichtsbeschwerde erfolgte endlich eine Reaktion:
Es hat also fast ein Dreivierteljahr gedauert, bis es mir mit der Brechstange endlich gelungen ist, diese Datenkrake niederzuringen. Und für diesen arroganten Tonfall:
Im Rahmen der durchgeführten Einzelfallprüfung bin ich zu dem Entschluss gekommen, …die Löschung zu verfügen.
sollte man dem Sachbearbeiter gleich noch einmal einen mitgeben.
Es war am Ende ein sportliches Mandat. Den zeitlichen Aufwand hätte die Mandantin nicht honorieren können.
Sarrazin auf dem Weg zum Arbeitgericht?
Sarrazin hatte Wulff im FOCUS gewarnt: „Der Bundespräsident wird sich genau überlegen, ob er eine Art politischen Schauprozess vollenden will, der anschließend von den Gerichten kassiert wird.“
Quelle: Focus
Das wird der dann wohl nach Emmely der zweite Schauprozeß vor dem ansonsten recht drögen Arbeitsgericht.
(Was der Experte dazu zu sagen hat, liest man hier: Arbeitsrechtler zum Fall Sarrazin.)
Geheimdienst im Kriminalgericht
Ich gebe ja die Hoffnung nicht auf. Irgendwann installiert die Justizverwaltung ein WLAN im Moabiter Kriminalgericht. Deswegen schaue ich so ab und an ‚mal, was die Luft im Gericht so hergibt.
Gestern im Saal 606 sah es so aus:
Vielleicht ist es aber auch besser, wenn ich den WLAN-Chip in meinem Notebook abklemme. Je nachdem, wen ich da gerade verteidige, könnte es ein Problem mit den Israelis geben.
Kein Rennen!
Eigentlich eine ganz klare Ansage, dieser § 29 Absatz 1 StVO:
Rennen mit Kraftfahrzeugen sind verboten.
Allerdings schaffen es (Verkehrs-)Juristen locker, sich mit diesen fünf Worten stundenlang zu beschäftigen. Besser gesagt, mit nur dem einen (Un)Wort: Rennen.
Das Thüringer Oberlandesgerichts (1 Ss 139/04) hatte die Rechtsbeschwerde eines Motorradfahrers, nennen wir ihn Wilhelm Brause, auf dem Tisch.
Der Fall:
Dieser Herr Brause war nämlich mit seinem stollenbereiften Erdferkel unterwegs und zwar größtenteils abseits befestigter Straßen. An dem Mopped waren vorn und seitlich gut lesbare Ziffern angebracht. Und er war nicht allein. Es gab noch ein paar mehr dieser Motocrosser, die ähnlich gut ausgestattet waren. Reichlich Schaulustige und einige bunte Transporter fanden sich auch in der Gegend.
Die Luft vibrierte und es roch nach Äthanol, ein Geruch, der Wachtmeister vom Schlage Bulli Bullmann magisch anzieht.
Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist es Brause nicht gelungen zu verhindern, daß ihm die freundliche Bußgeldbehörde ein Ticket nach Hause schickt: 300 Euro, ein Fahrverbot von 1 Monat, drei Flens und die Verfahrenskosten. Wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 29 Abs. 1 StVO, der eine übermäßige Straßennutzung verbietet. Brause soll an einem Rennen teilgenommen haben. Jehova!
Das meinte auch das Amtsgericht, das den Bußgeldbescheid bestätigen wollte. Brause meinte hingegen, so geht das nicht. Er beschwert sich. Beim OLG Thüringen.
Die Lösung:
Und dieses ehrenwerte Gericht teilt uns mit, was Richter unter einem Rennen verstehen:
Nach Nr. 1 zu Abs. 1 der Verwaltungsvorschrift zu § 29 StVO sind Rennen Wettbewerbe oder Teile eines Wettbewerbes (z.B. Sonderprüfungen mit Renncharakter) sowie Veranstaltungen (z.B. Rekordversuche) zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen. Auf die Art des Starts (Gemeinsamer Start, Gruppenstart, Einzelstart) kommt es dabei nicht an.
Was Richter nicht unter einem Rennen verstehen, haben sie auch aufgeschrieben:
Veranstaltungen, bei denen es nicht auf die Höchstgeschwindigkeit, sondern auf andere Leistungsmerkmale ankommt, sind nicht Rennen.
Aha, Fahrten mit Vollgas sind also Rennen. Fahrten mitohne Vollgas eben nicht.
Und was war nun mit Brause? Dazu hatte der Strafrichter beim Amtsgericht in der ersten Instanz einiges an Informationen gesammelt und in das Urteil geschrieben. Das reichte dem Oberlandesgericht aber nicht:
Die insoweit vom (Amts-)Gericht getroffenen Feststellungen, dass an diesem Tag mehrere Motorradfahrer eine schlammige Strecke durchfahren haben, die Maschinen mit Startnummern und einige asphaltierte Streckenteile mit Pfeilen versehen waren, Zuschauer das Geschehen verfolgten und ein offensichtlich zum Transport von Motorrädern bereitgestellter Transporter anwesend war, erfüllen die o.g. Merkmale eines Rennens i.S.d. § 29 Abs. 1 StVO nicht. Insbesondere ist diesen Feststellungen nicht zu entnehmen, ob es bei dieser Veranstaltung um die Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten oder aber anderer Leistungsmerkmale, z. B. allein um die Beherrschung der Maschine im Gelände oder Geschicklichkeit, ging.
Na klar, es liegt auf der Hand: Brause und seine Sportsfreunde waren unterwegs, um sich die Vögelchen in der freien Natur anzuschauen. Und die Zuschauer waren die Mitglieder des lokalen Naturschutzvereins.
Ärgerlich für Brause war allerdings, daß das OLG die Sache nicht durchentscheiden und Brause freisprechen durfte. Dazu wurde dann noch einmal ein Amtsgericht bemüht. Der Strafrichter wird sich bedankt haben.
Anmerkung:
Bei der Lektüre des Beschlusse des OLG Thüringen möchte ich doch stark vermuten, daß die drei Richter nach ihrer Entscheidung ihre Robe an die Garderobe hängen, sich den Helm greifen und die Protektoren umschnallen, um auf ihren Crossern den Thüringer Wald umzupflügen.
Es gibt keinen Grund, auf ein Rechtsmittel gegen einen Bußgeldbescheid zu verzichten. Denn man weiß nie vorher, welche Art (Motor)Sport die Richter betreiben.
Konfliktverteidiger
Es muss in einer Gesellschaft auch eine gewisse Menge Streit, Krach und Kontroverse geben, denn es gibt ja auch unterschiedliche Interessen. Die deutsche Harmoniesucht hat doch dazu geführt, dass viele Dinge gar nicht klar genug benannt und dann aufgeschoben werden.
Thilo Sarrazin im Interview mit der „Saarbrücker Zeitung“, 1. April, 2010
Dealsucht, so hat der Kollege Gerhard Jungfer das Bestreben zu vieler Richter charakterisiert, die Strafverfahren durch eine Abrede zu verkürzen. Dealsucht als Untermenge der Harmoniesucht?
Für die Spielfritzen …
… unter den Islamgegnern:
Die Staatsanwaltschaft Graz hat ein Ermittlungsverfahren wegen des „Anti-Minarett-Spiels“ eingeleitet, das auf der Homepage der steirischen FPÖ eingerichtet ist. […]. Die Anzeige lautet auf Verdacht der Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren, Delikte, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bzw. sechs Monaten bedroht sind.
Quelle: oe24.at
Paßt derzeit gut zu der Stimmung, die momentan im Einflußbereich der deutschen Bundesbank herrscht. Wir haben Glück. In Deutschland wird gerade kein Wahlkampf geführt. Anders allerdings in der Steiermark.
Ich bin gespannt, was die österreichischen Strafverfolgungsbehörden aus diesem Spiel machen.
Tauss: Urteil ist offensichtlich rechtskräftig
Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs teilt mit:
Das Urteil gegen ehemaligen Bundestagsabgeordneten wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften ist rechtskräftig, nachdem der Bundesgerichtshof seine Revision per Beschluss vom 24. August 2010 – 1 StR 414/10 – als offensichtlich unbegründet verworfen hat:
Das Landgericht Karlsruhe hat den Angeklagten unter anderem wegen des Sichverschaffens kinder- und jugendpornographischer Schriften in 95 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt.
[…]
Der Angeklagte hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sein auf die allgemeine Sachrüge gestütztes Rechtsmittel hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf einen entsprechenden Antrag des Generalbundesanwalts als offensichtlich unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Die Entscheidung des BGH, eine Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als „OU“ (offensichtlich unbegründet) zu verwerfen, hat Vor- und Nachteile.
Der Nachteil besteht darin, daß der Revisionsführer nicht (sicher) weiß, was die Richter dazu bewogen hat, seinen Argumenten nicht zu folgen. Und ob die Richter sich überhaupt Gedanken gemacht haben. Das ist eine sehr unbefriedigende Situation, denn die Offensichtlich nicht vorhandenen Gründe sind nicht ersichtlich.
Den Vorteil kann man allerdings darin sehen, daß der Verurteilte das Ganze nicht noch einmal über sich ergehen lassen muß. Mit dem Urteil der Tatsacheninstanz war er unzufrieden, also wird ihm das Urteil der Rechtsinstanz noch weniger gefallen. Dann lieber den Mantel des Vergessen drüber und weg damit.
Ich hätte mir ein anderes Ergebnis vorstellen können. Nicht beim BGH, sondern bereits im Ermittlungsverfahren. Da ist – soweit ich das von außen beurteilen kann – im Rahmen der Verteidigung eine Menge schief gegangen.
Reiche Anwälte, arme Journalisten
Zum Thema Sozialneid. Diesmal nicht der von Richtern, sondern der eines Journalisten.
Anwälte können mehrere hunderttausend Euro mit einem Auftrag des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg verdienen.
schrieb Sebastian Heiser in der taz. Ich hatte den Artikel bereits unter dem Blickwinkel „Arbeit, die kein Anwalt braucht!“ im Focus. Der taz-Beitrag ist aber so gut, daß er noch einen weiteren Kommentar verträgt.
Es geht um Geld, schreibt Heiser. Um viel Geld:
Der gesamte Auftragswert soll in einer „Spanne von 350.000 bis 560.000 Euro“ liegen,
Das ist der Betrag, der in den Taschen gieriger Anwälte versenkt werden soll. Steuergelder! Da ist Vorsicht geboten.
Aber die Juristen sollen ja auch arbeiten dafür:
Konkret geht es um 500 bis 800 Klagen
Mit diesen Werten – Geld und Arbeit – kann man ‚mal rechnen.
Im Schnitt 455.000 Euro für 650 Klagen. Das sind insgesamt 700 Euro, die der Sozialrechtler für eine Klage abgreifen kann.
Herr Heiser, der Journalist der taz (eine „überregionale Tageszeitung“), wird Herrn Rechtsanwalt Eisenberg kennen. Eisenberg ist zwar kein Sozialrechtler, aber er hat eine Kanzlei. Also ein Unternehmen, das Betriebskosten verursacht.
Ich schätze mal (um die Zahlen unserer Kanzlei nicht veröffentlichen zu müssen), daß Herr Eisenberg und seine Kollegen pro Stunde Kosten in Höhe von 160 Euro für den Betrieb ihrer Kanzlei aufbringen. Das wird bei einer sozialrechtlich ausgerichteten Kanzlei nicht wesentlich anders sein.
So, und nun schauen wir uns mal die Arbeit an einer Hartz-4-Klage an.
Die könnte so aussehen:
-
Akte anlegen und Sachverhalt erfassen: Antrage, bisheriger Schriftwechsel, frühere Bescheide. Juristische Prüfung und Konzeptentwicklung.
-
Klage des Bürgers prüfen, Klageerwiderung im Entwurf formulieren, diskutieren und einreichen. Abschriften mit Erläuterung an Auftraggeber.
-
Weiterer Schriftsatz-Pingpong mit dem Kläger und dem Gericht.
-
Mündliche Verhandlung vor Gericht (inklusive An-/Abreise). Berichterstattung an Auftraggeber.
-
Kostenfestsetzung und Abrechnung.
Damit der Anwalt an so einer Klage auch etwas verdient, also zum Beispiel den gesetzlichen Mindestlohn der Gebäudereiniger in Höhe von 10 Euro im Schnitt, blieben ihm für jede Klage 4 Stunden (4 * 160 + 4 * 10 = 680 Euro).
Wer sich einmal nur einen (!) Hartz-IV-Bescheid angeschaut hat, kann sich vorstellen, daß ein Verfahren vor dem Sozialgericht nie und nimmer in vier Stunden zu bewältigen ist. Allein die Kostenfestsetzung und die Abrechnung ist nicht unter einer Stunde zu schaffen!
„Hartz IV macht reich“ war der reißerische Titel, den Sebastian Heiser für seinen Besinnungsaufsatz gefunden hat, um das Einkommen der Anwälte zu geißeln. Wenn man sich das ganze aber einmal etwas genauer anschaut, wird Herr Heiser nachrechnen können, daß sein Zeilenhonorar die Anwaltsvergütung für diese öffentlich-rechtliche Müllbeseitigung sicherlich übersteigt.
Wollen Sie tauschen, Herr Heiser? ;-)
Verhandlung bis es quietscht
Wir haben einen Verkehrsunfall reguliert, bei dem der Motorradfahrer erheblich verletzt wurde. Offen waren noch die Ansprüche aus dem Personenschaden, also Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden und ein bisschen Verdienstausfall.
Der gegnerische Versicherer hat sich bereit erklärt, eine Abfindungszahlung zu leisten und lieferte ein knapp fünfstelliges Angebot, das genauso wenig akzeptabel war, wie unsere Gegenforderung. ;-)
Wir haben uns dann Schritt für Schritt angenähert. Eigentlich hat man das Quietschen des Versicherers aus Süddeutschland bis Kreuzberg gehört, als er uns sein „allerletztes“ Angebot am 21.07.2010 übermittelt.
Unter Anwendung der Technik, die zweimal in der Woche auch auf dem Markt gegenüber unserer Kanzlei die übliche Umgangsform darstellt, konnten wir noch einmal nachlegen.
Der freundliche Versicherer will uns nun aber endlich loswerden:
in obiger Angelegenheit haben wir Ihnen mit Schreiben vom 21.07.2010 unser letztes Abfindungsangebot ausreichend belegt und begründet. Es wurden auch alle bekannten Umstände berücksichtigt. Daher ist eigentlich kein Grund für eine Aufbesserung unseres Angebotes ersichtlich.
Allein im Zuge einer einvernehmlichen und außergerichtlichen Schadenregulierung schlagen wir, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz vor, dass wir uns die im Raum stehende Differenz teilen.
Das sind nochmal weitere 3.000 Euro für den Mandanten. Angesichts seiner kaputten Knochen ist das nicht zu viel … Man sollte eben nicht zu früh aufgeben.