Monatsarchive: Juli 2010

Strafverfolgungswahn

Dem Angeklagten droht eine Freiheitsstrafe von deutlich mehr als 10 Jahren. Es gibt u.a. einen Zeugen, der ihn schwer belastet. Eben dieser Zeuge sitzt bei seiner Vernehmung ca. 3 Meter entfernt von dem Angeklagten.

Irgendwann in einer Vernehmungspause, in der sich Strafkammer und Verteidigung über Verfahrensfragen austauschen, entsteht ein mittlerer Tumult. Die beiden Kontrahenten haben sich „unterhalten“. Er sei ein „Hurensohn“, lies der Angeklagte – wie später berichtet wurde – lautstark in Richtung des Zeugen vernehmen.

Sofort schaltet sich die Staatsanwältin ein und beginnt erkennbar einen Vermerk zu schreiben; sie fragt die anderen Beteiligten, ob sie das gehört hätten und den Zeugen, ob er einen Strafantrag stellen würde.

Der Verteidiger schlägt die Hände vor die Augen und schüttelt mit dem Kopf. Bei einer zweistelligen Straferwartung nun noch ein Ermittlungsverfahren wegen einer Beleidigung einzuleiten, die eigentlich Ausdruck einer szenetypischen Umgangsform ist, grenzt nun wirklich an Irrsinn.

Unter den Verfahrensbeteiligten jedenfalls scheint ein geheimnisvoller Virus die Hörfähigkeit vorübergehend stark beeinträchtigt zu haben … gehört hat das böse Wort wohl niemand so richtig.

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Kollegialität aus der untersten Schublade

Einer der 19 20 21 Verstorbenen war auch ein beliebter und stets hilfsbereiter Teilnehmer an einer Mailingliste für Rechtsanwälte. Die Nachricht von dem Tod des 38-jährigen Kollegen, die heute über die Liste ging, lies niemanden ungerührt. Das Unglück war für die „Listigen“ nur bis dahin eines, das weit weg ist. Plötzlich war der persönliche Bezug vorhanden. Ich bin nachdenklich geworden …

Ein Rechtsanwalt, der gleichzeitig auch Steuerberater ist, drückte sein Befinden auf folgende Weise aus:

… sorry aber es ist nicht nur die Veranstaltung selbst bei der man bestimmt einiges besser machen könnte – ja, es sind auch die Leute, die da hingehen.

Wer zu so einer Veranstaltung geht ist m. E. der Natur nach jemand, der alles auf die Leichte Schulter nimmt und das ist alles andere als verantwortungsbewußt: Alkohol schon im Vorfeld, und wenn jemand da Bedenkenträger ist heißt es „ach so ein Spießer“.

Das hab ich mir heute gedacht und ich glaube nicht, daß wir alle jetzt in allertiefster Trauer sein sollten, nur weil ein Listenmitglied leider verstorben ist.

Ich darf hier nur denken, aber nicht schreiben, was ich von diesem Rechtsanwalt und Steuerberater halte.

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Eine riesige Drogen-, Alkohol- und Sexorgie

Eva Hermann kennt die Ursachen dafür, daß

Die Loveparade in Duisburg […] zu einem Sodom und Gomorrha mit katastrophalen Folgen geworden …

ist. Auf den Seiten des Kopp-Verlags („Informationen, die Ihnen die Augen öffnen„) stellt sie fest:

Die unheilvollen Auswüchse der Jetztzeit sind, bei Licht betrachtet, vor allem das Ergebnis der Achtundsechziger, die die Gesellschaft »befreit« haben von allen Zwängen und Regeln, welche das »Individuum doch nur einengen«. Wer sich betrunken und mit Drogen vollgedröhnt die Kleider vom Leib reißt, wer die letzten Anstandsrnormen feiernd und tanzend einstürzen lässt, und wer dafür auch noch von den Trägern der Gesellschaft unterstützt wird, der ist nicht weit vom Abgrund entfernt. Die Achtundsechziger haben ganze Arbeit geleistet!

Fritz Teufel und Rudi Dutschke sind Schuld! Und noch einer:

Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen.

Gott sei Dank (sic!), daß es immer eine(n) gibt, der genau Bescheid weiß.

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Frustrierter Beamter

Es ging um Überweisungsbetrug. Irgendjemand hat versucht, über gefälschte Überweisungsaufträge ein fremdes Konto leer zu räumen. Derjenige, der die Aufträge in die Briefkästen der Banken eingeworfen hatte, behauptet, mein Mandant sei derjenige, welcher … Weitere Beweise finden sich auch nach der durchgeführten Durchsuchung der Wohnung und der Geschäftsräume meines Mandanten nicht.

Die Staatsanwaltschaft ist gesprächsbereit. Wir erörtern die erkennungsdienstliche Behandlung – also insbesondere Fingerabdrücke – meines Mandanten. In der Zwischenzeit hatte sich aber herausgestellt, daß die sichergestellten Aufträge keine Spuren tragen. Die Abnahme von Fingerabdrücken war damit auch für die Staatsanwaltschaft aus strafprozessualer Sicht entbehrlich.

Aber offenbar hatte der Polizeibeamte, immerhin ein Kriminalhauptkommissar, Mitleid mit dem Geschädigten. Und er mochte meinen Mandanten wohl auch nicht. Einen Grund für diese Aversion gibt es eigentlich nicht, mein Mandant ist bislang noch nicht „polizeilich in Erscheinung getreten“. Und das, obwohl er Migrant ist. Darüber wunderte sich der Polizist ganz besonders.

Dieses Mitleid und diese Aversion scheinen den KHK dazu veranlaßt zu haben, eine recht schlampig begründete (erneute) Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zu verfügen.

Diesmal war der Rechtsgrund für die Anordnung nicht mehr wie zuvor „Ermittlung begangener Straftaten“ (§ 81b 1. Alt.), sondern dem Kommissar ging es um die Verhinderung künftiger Straftaten (§ 81b 2. Alt. StPO).

Allein die fehlende Begründung für die polizeibeamtliche Prognoseentscheidung wird diesen Bockmist aus formellen Gründen bereits vor dem Verwaltungsgericht zu Fall bringen. Aber auch inhaltlich ist die Anordnung nicht haltbar. Es gibt keinerlei Grund dafür anzunehmen, daß mein bislang unbescholtener, in Lohn und Brot stehender Mandant künftig Straftaten begehen wird.

Ich habe den Beamten telefonisch darauf vorbereitet, daß ich meinem Mandanten geraten habe, von den Rechtsmitteln Gebrauch zu machen, die das Gesetz ihm zur Verfügung stellt: Widerspruch, Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung an die Polizei und gleichzeitig auch an das Verwaltungsgericht.

Der Beamte gab sich enttäuscht:

Wenn die Geschädigten doch bloß auch so viel Rechte hätten wie die Täter …

Solch ein Statement eines Ermittlungsbeamten sollte meiner Ansicht nach zu sofortigen Versetzung in den Kohlenkeller zum Staubwischen zur Folge haben. Zeigt dieser unscheinbare Satz doch, daß der KHK von seiner Arbeit, die er tagtäglich verrichten sollte, keine Ahnung hat. Aber das wird ihm das Verwaltungsgericht nun gern auch schriftlich mitteilen.

Weitere Einzelheiten zu dieser Art der Verteidigung vor dem Verwaltungsgericht habe ich in diesem Beitrag bereits einmal beschrieben.

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Reinigungs-Suizid

Beim Anschauen dieser Batterie von Chemikalien …

ist die Frage, ob es sich bei dem Inhalt der dritten Flasche von rechts tatsächlich um ein Selbsttötungsmittel handelt, nicht ganz unberechtigt.

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Telekom: Von einem Spezialisten bearbeitet

Die Telekom soll uns mit einem DSL-Anschluß versorgen. Das ist so vereinbart und dafür zahlen wir auch.

Seit Dezember 2008 dokumentiere ich Störungen dieses Anschlusses und meine Störungsmeldungen. Der Fehler dürfte allerdings bereits vor dieser Zeit das erste Mal aufgetaucht sein.

Es geht um einen Wackelkontakt, den die Techniker der Telekom seit fast zwei Jahren nicht in den Griff bekommen. Sämtliche Hardware, die mit dem DSL-Anschluß zu tun hat, wurde – teilweise mehrfach – ausgetauscht. Die Anschlußart wurde von ADSL auf VDSL geändert. Die „letzte Meile“ wurde gewechselt. Es waren Techniker in der Kanzlei, im Keller des Hauses, vor dem Haus und wohl auch sonst irgendwo in den Technik-Räumen der Telekom tätig.

Heute morgen erhielt ich von unterwegs wieder die Meldung: „VPN-Gateway antwortet nicht“. Der sichere Hinweis darauf, daß die Kanzlei vom am DSL-Netz getrennt ist. Der Speedport gibt weiter grünes Licht.

Trotzdem funktioniert der Anschluß erst nach dessen Neustart. Dazu mußte ich dann quer durch die Stadt fahren, damit ich den Ein-/Ausschalter an diesem Telekom-Gerät betätigen kann.

Die Störungsmeldung online („Einzigartig!“) und per Telefonhotline („Der nächste freie Platz ist für Sie reserviert. Tütelü-Tüt-Tüt.“) sind über die Monate bereits zur Routine geworden.

Auch die Mitteilung der – bedauernswerten – Call-Center-Mitarbeiterinnen kann ich schon auswendig vorsingen. Die Informationen der Störungsstelle im Internet sieht auch immer gleich aus:

Ich schicke Schadensersatzforderungen an den Vorstand der Telekom nach Bonn, die weisen sowas natürlich mit lehrreichen Worten („keine Rechtsgrundlage“ und andere hohle Argumente) zurück und ich suche nun nach Lösungsmöglichkeiten.

Eine davon ist die Öffentlichkeit, die ich nun an den Fortschritten der Arbeiten der Telekom-Spezialisten teilhaben lassen werde …

Update:
Auch meine aktuelle Störungsmeldung wird bearbeitet – am Samstag.

Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

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Rauchen erlaubt

Zwicky am Columbiadamm macht Werbung, aber nicht nur für die leckeren Fettschläuche, sondern auch für’s Ambiente.

Ich finde das gut. Man darf die armen Raucher nicht völlig aus der Gesellschaft ausschließen. Der Platz an der Wursttheke sollte ihnen schon noch bleiben. Wir sind hier ja nicht in Bayern.

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Wochenend-Lektüre: Revision in Strafsachen

Soeben eingetroffen; rechtzeitig, damit ich auch am Wochenende keine Langeweile bekomme:

Nur gut, daß solche Schinken nicht jedes Jahr neu aufgelegt werden. Die Vorauflage (die sechste) stammt aus 1998.

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Beruhigend

Ein freundlicher Aufkleber, den ich in einer Herrentoilette des Kriminalgerichts gefunden habe:

Gut, daß es immer noch ein paar nette Menschen gibt, die an das karge Überleben der Strafverteidiger denken.

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Beratungshilfe für 400 PS

Im Zivilrecht haben sich kluge Köpfe Gedanken gemacht, wie ein Bürger, der finanziell nur dünn bestückt ist, gleichwohl zu seinem Recht kommen kann. Unter anderem wurden die Beratungs- und die Prozeßkostenhilfe eingeführt.

Auf den Punkt gebracht: Der Rechtssuchende darf kein Geld haben und wenn er klagen will oder verklagt wird, müssen zusätzlich relativ gute Erfolgsaussichten vorliegen. Dann bekommt der Rechtsanwalt seine Vergütung von der Landeskasse. Im Falle der Beratungshilfe liegt der Betrag bei irgendwas unter 100 Euro; nur 10 Euro oder einen ähnlich geringen Betrag muß der Beratende hinzusteuern.

Soweit der Grundsatz. Nun ein Fall aus dem prallen Leben.

Wir erhalten die Anfrage eines Autokäufers, der sich einer angeblich unberechtigten Forderung des Verkäufers ausgesetzt sieht. Der Käufer möchte von uns beraten werden, aber wir sollen uns gleich auch noch um die Beratungshilfe kümmern, auf die er – so trägt er vor – einen Anspruch habe; schließlich habe er kein Geld. Und ob er gleich morgen früh mal vorbeikommen könne, er habe schon von unserem guten Caffè gehört …

Ganz kurz habe ich mir am Telefon angehört, worum es konkret geht: Der Verkäufer verlangt eine weitere Kaufpreiszahlung in Höhe von 18.000 Euro. Es geht um einen Dodge RAM 2500 HD Quad Cab mit irgendwas um die 400 PS und einer einer italienischen Erstzulassung im Herbst 2009, den der Käufer – also der Beratungshilfe-Aspirant – für einen Schnäppchenpreis von etwas über 30.000 Euro (und nicht für knapp 50.000 Euro, wie der Verkäufer behauptet) eingekauft haben will.

Ich glaube, der Käufer braucht einen Fachanwalt für Dodge-Kaufverträge; ich bin nur ein kleiner Strafverteidiger, der allenfalls weiß, wie man einen Mandanten z.B. gegen den Vorwurf eines Prozeß- oder Eingehungsbetrugs verteidigt …

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