Kampf um die Terminsverlegung

Obwohl ich darum gebeten hatte, den Hauptverhandlungstermin „zur Meidung von Kollisionen mit unserer Kanzlei telefonisch abzustimmen“, setzt der Richter am Amtsgericht den ohne Rücksprache fest. Wie zu erwarten war, bin ich an diesem Tag in einer anderen Sache an einer Strafkammer unterwegs. Freundlich beantrage ich die Verlegung des Termins. Und erhalte die Absage:

… läßt der Terminstand des Vorsitzenden und anstehender Erziehungsurlaub eine Verlegung des Termins nicht zu.

Letztlich handelt es sich vorliegend auch um einen einfachen Sachverhalt, der durch einen Terminsvertreter wahrgenommen werden kann.

Ich frage mich:

    Warum hält dieser Richter es nicht für nötig hier mal anzurufen, um den Termin zu abzustimmen?
    Warum muß der Angeklagte und sein Verteidiger auf den Terminsstand des Gerichts Rücksicht nehmen?
    Warum ist der Erziehungsurlaub des Richters höher zu bewerten als der Grund für die Verhinderung des Verteidigers?
    Warum meint der Richter, eine Hauptverhandlung vor dem Strafrichter sei für den psychisch kranken Angeklagte eine einfach Sache?
    Warum meint der Richter, daß das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Angeklagten durch einen Terminsvertreter nicht gestört werden könne?

Und schließlich:

    Warum redet dieser Richter von sich selbst als „Vorsitzenden“, ist er doch nur ein einfacher Richter am Amtsgericht?

Diesen Erziehungsurlaub wird sich der Richter wohl verdient haben, wenn der Termins-Konflikt beendet ist.

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Verteidigung veröffentlicht.

9 Antworten auf Kampf um die Terminsverlegung

  1. 1
    studiosus juris says:

    Warum redet dieser Richter von sich selbst als “Vorsitzenden”, ist er doch nur ein einfacher Richter am Amtsgericht?

    Warum reden manche Anwälte von sich selbst als „Unterzeichneter“ oder „Unterfertigter“, sind sie doch nur einfache Anwälte? ;)

  2. 2
    Gutachter says:

    Diesen Terminus habe ich auch noch nie verstanden. „Unterzeichner“ oder „Unterzeichnender“ geht ja noch. Aber “Unterzeichneter” oder “Unterfertigter” klingt schon merkwürdig.
    Solange man Schriftsätze etc. nicht in der Ich-Form schreibt, lässt sich die 3. Person mit solchen „Worthülsen“ schlecht umgehen.

  3. 3
    AnotherOne says:

    1.
    Mit Formulierungen wie „n u r ein einfacher Richter am Amtsgericht“ machen Sie sich keine Freunde.

    2.
    Es ehrt nicht, zwischen einer Amts- und einer Funktionsbezeichnung, wie sie auch das Gesetzt verwendet (z.B. § 213 StPO), nicht unterscheiden zu können.

    3.
    Allerdings erscheint der pauschale Hinweis auf eine enge Terminslage und bevorstehenden Erziehungsurlaub (Was ist das heutzutage? Meint der Richter vielleicht Elternzeit? Auch kein Ruhmesblatt.) etwas dürftig und könnte deshalb unter dem Gesichtspunkt des § 338 Nr. 8 StPO problematisch sein.

  4. 4
    A. K. says:

    Oder auch:

    Warum kann der nach Aussagen des Gericht einfache Sachverhalt nicht an einem dem Vertreter genehmen Termin durch einen Richter geklärt werden, der den in Erziehungsurlaub befindlichen Richter vertritt?

  5. 5
    RA JM says:

    „Die amtsgerichtliche Verfahrensweise ist rechtsfehlerhaft, verletzt den Angeklagten in seinem Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 6 Abs. 3 c MRK) und verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Denn durch die. Ablehnung der begehrten Terminsverlegung ist dem Angeklagten das Recht genommen worden, sich in der Hauptverhandlung von dem zu diesem Zeitpunkt verhinderten Rechtsanwalt Siebers als Anwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen.“

    … stellte das OLG Braunschweig fest (StV 2004, 366)

  6. 6
    Das Ich says:

    Warum immer so ein Aufstand…dann ist der Mandant eben krank…;-)
    Da will wohl nur wieder einer Kleiner Mann im Auftrag der Macht spielen.
    Oder wie RA JM schon feststellt…eben Terminsvertreter hinschicken mit Antrag auf Befangenheit o.ä dann wird eben nicht verhandelt.
    Der Richter ist danach sowieso weg (Erziehungsurlaub, für sich oder ein Kind bleibt fraglich) und dann gehts weiter.
    Aber so hilflos sind sie nicht oder? Ihnen wird da schon was einfallen, da bin ich sicher, hehe.

    Le Isch

  7. 7
    Jim says:

    Vermutlich soll in der Zeit die Ehefrau erzogen werden, damit sich die Rabenmutter wieder um die Kinder kümmert. ;-)

  8. 8
    rajede says:

    @ Carsten: § 22 I Nr. 1 GVG „Den Amtsgerichten stehen Einzelrichter vor.“ Also, falls er es vorzieht, ist er als Vorsteher zu bezeichnen.
    @ studiosus: Kanzleistil

  9. 9
    studiosus juris says:

    @rajede:

    Gut, der Link überzeugt. Allerdings bezweifle ich jetzt einfach mal, ;) dass sich der überwiegende Teil der Anwälte im Rest des Schriftsatzes an solche sprachlichen Fein(st)heiten hält (womit ich nicht die dogmatische Argumentationsweise an sich meine).
    Und warum statt „der Unterzeichnete“ oft auch das gestelztere „der Unterfertigte“ verwendet wird, verstehe ich dennoch nicht.