Haftbefehlsverkündung

Die Verkündung eines Haftbefehls ist meist eine recht flotte Sache. Ich plane für den Termin beim Haftrichter meist nicht mehr wie zwanzig Minuten ein.

15 Uhr, wir waren gut in der Zeit. Der (Berliner) Richter begann, den Haftbefehl aus einer Mittelstadt in Brandenburg zu verlesen. Auf Seite 3 (von 7) war’s dann vorbei. Das Brandenburger Gericht hatte diese Seite am Vormittag nicht durchs Fax bekommen.

Kein Problem, dachte sich der Richter. Man ruft einfach beim Gericht in Brandenburg an, dort legt man das Original aufs Fax und gut is. Doch ein Problem, meint der Verteidiger, der schon häufiger mit Gerichten und Staatsanwaltschaften in Brandenburg zu tun hatte.

Und genau so kam es. Geschlagene 90 Minuten hat es gedauert, bis die richtige Stelle in Brandenburg („… ich bin dafür nicht zuständig, das macht Frau Brause; die ist aber schon im Feierabend …“) endlich gefunden und die richtige Stelle das Faxgerät gefunden („dann muß ich aber jetzt erstmal rüber gehen und den Schlüssel holen“) und angeworfen hat.

Zeit genug für Richter, Mitarbeiterin der Geschäftsstelle und Verteidiger für small talk, Höflichkeiten und Geschichtchen aus dem prallen Leben. Während die Mandantin in einer zwei (!) Quadratmeter großen fensterlosen Vorführzelle unter künstlichem Licht auf einer Steinbank sitzt und wartet.

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Justiz veröffentlicht.

11 Antworten auf Haftbefehlsverkündung

  1. 1
    jj says:

    nicht mehr ALS…argh. ;-)

    Anmerkung crh:
    Ok: Nicht mehr alswie …
    ;-)

  2. 2
    Kampfschmuser says:

    Ich kämpfe ja gerne gegen störrische oft auch unfaire Windmühlen, aber 90min werden die Mandantin ja nicht sonderlich angestrengt haben, weiterhin sitzt sie ja nicht ohne Grund da und hatte somit Zeit über ihr Verhalten innerhalb der Gesellschaft ohne jegliche Ablenkung nachzudenken, vielleicht sogar ein wenig schlauer nach 90min aus den 4,8m³ rauszukommen.

    Ich wünsche es ihr.

  3. 3

    weiterhin sitzt sie ja nicht ohne Grund da

    Ach!? Woher wissen Sie das denn?

    Ich kann darüber nichts sagen. Auch der Haftrichter war nicht imstande, etwas über den dringenden Tatverdacht vorzutragen; weder ihm, geschweige mir als Verteidiger lagen die Akten vor.

    Gehen Sie bitte vorsichtiger mit der Unschuldsvermutung um.

  4. 4
    Kampfschmuser says:

    > Ach!? Woher wissen Sie das denn?

    Sie haben ja recht damit, dass die Unschuldsvermutung gilt. Aber seien wir doch mal ehrlich. Wieviele kommen ohne und wieviele mit Grund vor den Haftrichter? Und die Mandantin wurde ja nicht gefoltert, sondern musste nur 90min in einem kleinen Raum auf einer Steinbank warten. Und das wegen einem nicht vorsätzlichen Fehler. Wir sind halt alles nur Menschen.

  5. 5
    Matthias says:

    Es ist schon beeindruckend, dass die Justiz bei allen Fehlern, die ihr passiert, in Schutz genommen wird.
    Ist Richter nicht inzwischen sogar der einzige Berufsstand, der folgenlos Fehler machen darf?

  6. 6
  7. 7
    Kampfschmuser says:

    @Matthias
    Ich vermute mal, dass mit dem „in Schutz nehmen“ ich gemeint bin.
    Was für ein Fehler? Der Fehler, dass bei einem Schriftstück eine Seite per Fax nicht durchgekommen ist? Oje, lieber den Fehler und 90 min warten, als ein ungünstiger Fehler in der Urteilsfindung, oder?

    Ich weiß, dass viel Mist passiert. Dies kann man auf einschlägigen Seiten, Foren und Blogs genug lesen. Und ich drück auch gerne meine Finger in die Wunde um wachzurütteln. Ich bekomme schon einen Kamm, wenn ich nur ans Gericht denke. Aber ich finde es überhaupt nicht schlimm mal 90min warten zu müssen.

    Kann mir jemand mal erklären, was an den 90min in der Zelle sitzen so schlimm sein soll? Vielleicht fehlt mir ja nur der richtige Blick.

  8. 8
    jj says:

    @kampfschmuser:
    haben sie denn schonmal 90 minuten in einer zelle gesessen? ich durfte mal „probesitzen“ (tag der offenen tür), und ich fand es schon unangenehm, als nur die tür zugemacht wurde.

  9. 9
    Kampfschmuser says:

    @08 (jj):
    Ja, auch länger als 90min.

  10. 10

    @Kampfschmuser:

    Wieviele kommen ohne und wieviele mit Grund vor den Haftrichter?

    Wenn es nur einer im Jahr wäre und Sie dieser eine wären, dann würden Sie so nicht argumentieren.

    Wir beiden unterhalten uns, wenn Sie ‚mal verhaftet werden und mich dann aus der Gefangenensammelstelle anrufen (lassen).

  11. 11
    Kampfschmuser says:

    @Hoenig
    Ich freue mich auf ein Gespräch, aber ich hoffe, dass sie mir nachsehen, dass ich mit aller Macht die Gefangenensammelstelle meiden werde. ;)

    Und wenn, lassen sie mich ruhig 90min in der Vorführzelle sitzen, wenn aus Versehen eine Seite vom Haftbefehl fehlt. Kein Problem. Als alter Internatsjunge stecke ich das locker weg. ;)

    Was macht man nicht alles für die Gerechtigkeit. :D