Bundesverteidigungsminister Jung

Jung bekräftigte am Rande einer Sicherheitskonferenz in Berlin erneut, es sei richtig und zulässig, eine unbewaffnete Maschine oder eine mit Terroristen besetzte Maschine abzuschießen. Bis zu einer gerichtlichen Klärung gelte das Recht des übergesetzlichen Notstands.

Quelle: Inforadio Berlin

Kann das mal jemand ‚mal strafrechtlich einordnen? Was macht dieser Minister da? Setzt sich über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinweg und bastelt sich sein eigenes Recht?

Übergesetzlicher Notstand? Ich finde keine Vorschrift im Strafgesetzbuch, die es einem Bundesverteidigungsminister erlauben würde, eine Passagiermaschine mit – sagen wir mal – 250 Neckermann-Touristen ins Jenseits zu befördern.

Die Bundeswehr-Jetpiloten werden hoffentlich dabei bleiben, solche verbrecherischen rechtswidrigen Befehle zu verweigern, so wie sie es derzeit ankündigen …

Ich denke gerade an die Stellungnahmen von Helmut Schmidt zu seinen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entführung von Herrn Schleyer. Schmidt hat bis heute sein Problem damit. Und nun stolziert dieser Bundesverteidigungsminister daher, proklamiert, er hätte kein Problem damit, den Befehl zum Abschuß einer Passagiermaschine zu geben.

Von wem – oder soll ich besser fragen: Von was – werden wir hier eigentlich regiert?

Dieser Beitrag wurde unter Politisches, Strafrecht veröffentlicht.

10 Antworten auf Bundesverteidigungsminister Jung

  1. 1

    Ist es rechtswidrig, Passagiermaschinen abzuschießen, gilt entsprechendes auch für den Befehl hierzu. Fragt sich dann doch, ob man in diesem Fall nicht via § 32 StGB den Befehlsgeber liquidieren könnte/dürfte/sollte, oder?

  2. 2
    sparta says:

    Mal ganz davon abgesehen, dass Deutschland ja so ein dünn besiedeltes Land ist, so dass ein abgeschossener Jet bestimmt in irgendeinem Wald runterregnet und nicht über einer Stadt, wo er dann genau das anrichtet, was vielleicht geplant hätte sein können…

    Ich mag den Rheingau wirklich gerne, aber die Leute dort sollen beim Weinanbau bleiben und nicht Minister werden…

  3. 3
    T says:

    Ähm… Ich glaube das war nicht Brandt, sondern Schmidt, der damals Kanzler war :-)

  4. 4

    @ T:
    Danke für den Hinweis. Das Gesicht hatte ich richtig in Erinnerung, nur der Name paßte nicht. :-)

    Fixed.

  5. 5
  6. 6
    deranwalt.at says:

    Es steht glaube ich außer Diskussion, daß der Staat (und damit auch seine Organe) nicht absolut geschützte Rechtsgüter gegeneinander abwägen dürfen, hier also zB nicht Leben gegen Leben, und ebenso wenig ein Leben gegen viele usw.

    Bloß: Zwischen Dürfen, Sollen und Tun bestehen bekanntlich oft riesige Unterschiede.
    Letztlich muß es -auch als Staatsorgan- jeder mit sich selber und mit seinem eigenen Gewissen ausmachen, wie er als Pilot oder Befehlshaber in der Situation „entführter Passagierjet rast auf Stadion/Atomkraftwerk/Hundehütte udgl. zu“, entscheiden würde – und er muß auch selber die Konsequenzen seiner Entscheidung tragen, strafrechtlich wie moralisch, denn er wird weiterhin damit leben müssen, wobei strafrechtlich die Rettung einer ungleich höheren Zahl an Menschen als derjenigen der entführten Passagiere sicherlich mildernde Umstände begründen könnte.

    Ich persönlich finde daher die inkriminierte Äußerung Eures Herrn Jung nicht so schlecht, denn wenn alle sich von vornherein, kompromißlos und bis zur letzten Konsequenz dem Spruch der Bundesverfassungsrichter unterwerfen würden, wäre das wohl das vollkommen falsche Signal für 9/11-Attentäter.

    Im übrigen ist seine Äußerung wohl auch einfach nur ehrlich – denn Bundesverfassungsgericht hin oder her: weiß wirklich jeder von uns, wie er sich im Fall des Falles entscheiden würde ?
    Kann wirklich jeder von uns damit leben, einer zweisitzigen Cessna ungerührt dabei zuzusehen, wie sie in einen vollbesetzten Reisebus knallt ?

    Etwas völlig anderes wäre es, derlei Abschüsse von vornherein gesetzlich vorzusehen; denn das wäre schon vom Konzept her grundrechtswidrig.
    Darum geht es hier aber meiner Meinung nach gar nicht.

    Daß aber Gesetzesverstöße mitunter auch aus (wenn auch oftmals nur vermeintlich) hehren Motiven begangen werden, ist ja eigentlich auch nichts Neues.

    Für mich hat sich Euer Herr Jung allein mit dieser Äußerung daher noch keinesfalls als Verteidigungsminister disqualifiziert.

  7. 7
    deranwalt.at says:

    P.S.:
    Ich lese ja den Hoenig-Blog immer vor dem Lawblog (alphabetisch geordnete Favoriten ;-), außerdem isser etwas heimeliger …)

    Im Lawblog wurde dieses Thema bereits in allen Facetten durchdiskutiert – ist zwar etwas mühsam, alle Posts zu lesen, aber durchaus lohnend :

    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2007/09/17/recht-wo-es-keines-gibt/#comments

  8. 8
    Amateurjurist says:

    @deranwalt.at: Der Hoenig-Blog ist auch bei Studenten sehr beliebt… ganze Generationen von angehenden Juristinnen und Juristen sollten demnächst genau hierher kommen :-)

  9. 9
    doppelfish says:

    @ RA J Melchior: Wenn ein Befehl rechtswidrig ist, darf ihn ein Vorgesetzter nicht geben, und ein Untergebener darf ihn, wenn er trotzdem gegeben wird, nicht ausführen.

  10. 10

    @ doppelfish: Eben – womit wir dann bei der entscheidenden Frage wären …