Mittwochs-OWi: Verjährung ohne Zustellung

728187_web_R_K_B_by_E. Kopp_pixelio.deManchmal kann auch eine vermeintlich aussichtslose Verteidigung Erfolg haben. Wie ein Betroffener vom Ungeschick eines Postboten profitierte, davon handelt in dieser Woche die Mittwochs-OWi:

Der Vorwurf
Irgend etwas „Hochwertiges“, für das es seinerzeit 3 Flens und ein Fahrverbot geben sollte.

Das Problem
In dem Verkehrszentralregister standen bereits gefährliche 11 Punkte, so daß die damalige Grenze von 18 Punkte viel zu nahe kam. Zumal dann diese 14 Punkte für weitere zwei Jahre im Register gestanden hätten, während die 11 Punkte binnen weniger Monate tilgungsreif werden sollten.

Die Verteidigung
Der Verteidiger prüft den Inhalt der Ermittlungsakte. Das Beweisfoto war zwar mäßig, aber wohl noch verwertbar und der Fahrer knapp gut zu erkennen. Die Messung wies keine offensichtlichen Fehler auf.

In der Gerichtsverhandlung lehnte der Richter die Beweisanträge zur Fahreridentität und zur technischen Verwertbarkeit der Messung ab.

Der Joker
Dann folgte der Antrag auf Einstellung wegen Eintritt der Verfolgungsverjährung. Hintergrund für diesen Antrag waren vier Versuche, dem Mandanten den Bußgeldbescheid zuzustellen. Eine Zustellung an den Verteidiger kam nicht in Betracht, weil der keine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht hatte. Das hatte die Bußgeldbehörde gesehen.

Die Trickkiste
Da vor der Zustellung eines Bußgeldbescheides eine sehr kurze Verjährungsfrist von drei Monaten läuft, griff die Bußgeldbehörde in die Trickkiste: Sie ordnete dreimal reflexartig das Ruhen des Verfahrens an und begründete dies damit, daß der Betroffene nicht auffindbar sei. Deswegen müsse zunächst sein Aufenthalt ermittelt werden. Eine solche Anordnung unterbricht grundsätzlich die kurze Verjährung, mit der Folge, daß sie wieder von vorn zu laufen beginnt.

Der Briefträger
Die Adresse des Mandanten war allerdings von Anfang an korrekt. Der Postbote war wohl einfach ortsunkundig oder konnte das Schild an der Klingel und/oder am Briefkasten nicht finden. Erst im vierten Anlauf ist er fündig geworden und konnte den Bußgeldbescheid zustellen.

Das Argument
Der Vortrag des Verteidigers „Das Ungeschick des Briefträgers als Erfüllungsgehilfen der Bußgeldbehörde kann dem Betroffenen nicht zugerechnet werden!“ ging durch wie ein heißes Messer durch Butter. Die dreifache Wiederholung der Anordnung des Ruhens des Verfahrens, nur weil der Briefträger Tomaten auf den Augen hatte, ist rechtsmißbräuchlich. Daher wurde die Verjährung auch nicht dreimal unterbrochen.

Das Ergebnis
Man hat sich in Frieden getrennt, das Verfahren wurde nach § 47 II OWiG eingestellt. Zwei Monate später war der Mandant punktefrei.

Nebenbei:
Wer meint, er brauche in Bußgeldsachen keinen Verteidiger, oder wer sich keinen leisten möchte – der kann sich ja mal zu unserem kostenlosen eMail-Kurs anmelden: Selbstverteidigung in Bußgeldsachen. Mit ein bisschen Glück geht’s auch ohne Verteidiger.

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Bild: © E. Kopp / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Mittwochs-OWi, Ordnungswidrigkeitenrecht veröffentlicht.

16 Antworten auf Mittwochs-OWi: Verjährung ohne Zustellung

  1. 1
    Rudi says:

    Also, daß der Mandant daß Fahrverbot nicht haben wollte, verstehe ich. Das ist ein valider Grund, einen Verteidiger aufzusuchen und ist auch – wie man sieht – das Geld wert. Aber warum hatte der Mandant ein Problem mit den 3 Flens? Wie Herr Hoenig richtig berechnet: Er hatte 11, + 3 = 14 < 18. Erst ab 18 wird es fies.

  2. 2
    Rudi says:

    Ich hab’s! Nachdenken hilft. Ich nehme alles zurück. Der Mandant konnte für sich selbst durchaus nicht ausschließen, so zu fahren, daß weitere Punkte den Betrag 4 nicht erreichen.

  3. 3
    WPR_bei_WBS says:

    @ Rudi:

    Nachdenken (wie in #2) ist nicht mal nötig, richtiges lesen des Artikels hätte es auch getan: Die 11 Punkte warem/wären nach ein paar Monaten gelöscht worden. Mit den zusätzlichen drei Punkten dagegen wären die alten nochmal zwei Monate auf dem Konto gewesen.

  4. 4
    Drucker says:

    … was die ganze Sache ein wenig zweischneidig macht: Für den Mandanten und den Anwalt ist das sicher ein schöner Erfolg, für andere Verkehrsteilnehmer möglicherweise das exakte Gegenteil.

  5. 5
    jj preston says:

    Dem Recht wurde genügt.

    Wermutstropfen: Da draußen geistert einer mehr durch die Lande, dessen Fahrweise kaum darauf schließen lässt, dass sie nicht irgendwann Opfer fordern wird. Irgendjemand hat bereits heute eine Zielscheibe auf der Stirn, den Beinen oder den Nervensträngen von Lenden- oder Halswirbelsäule. Und das nur, weil die Post nicht gut genug bezahlt, um für Personal attraktiv zu sein, das von der Gehirnkapazität in der Lage ist und Zeit genug hat, seine Arbeit zu erledigen.

    Deswegen vermag ich mich da nicht zu freuen.

  6. 6
    Martin says:

    @Drucker: sehe ich ähnlich, auch wenn man nicht genau weiß, wie der Mensch wirklich fährt.

  7. 7
    Strafezahler says:

    Mah, und bei uns in Ösistan haben die Damen und Herren Abgeordneten vor nicht ganz langer Zeit ihren verbeamteten Freunden eine Fristverlängerung von 6 auf 12 Monate gewährt. Ob die jetzt auch halb so schnell arbeiten, habe ich noch nicht Gelegenheit zur Überprüfung gehabt.

  8. 8
    Alles Wuscht says:

    „Hängt ihn höher!“… fehlt nur noch „wer denkt nur an die armen Kinder“.

    Es ist bedauerlich wie viele Menschen mit fehlendem Knickgelenk in ihrem Zeigefinger auf die Welt gekommen sind.

    Selber ist man natürlich der korrekteste Mensch auf Gottes Erden. Wenn einer zum Schafott ruft, legt man sofort dankend als Erster den Kopf hinein.

  9. 9
    Schlupp says:

    Das Punktesystem ist meiner Meinung nach eh ungerecht.

    Das Hausmütterchen das 3 Punkte hat und im Monat gerade mal 200 km fährt gehört eher aus dem Verkehr gezogen als ein Berufsfahrer mit 6 Punkten der Täglich unterwegs ist.

    Schlupp

  10. 10
    Engywuck says:

    mal ne ganz blöde Frage: gibt es bei der Post spezielle „konnte nicht zugestellt werden“-Stempel oder geht das handschriftlich bzw. mit „selbstgebasteltem“ (nicht-„hoheitlichem“) Stempel? Im zweiten Fall könnte man ja auch als Empfänger eine solche „Zustellung nicht möglich“-Meldung auf entsprechend aussehende Kuverts schreiben und dann ab in den nächsten Briefkasten…

    Oder werden Bußgeldbescheide wegen „Hochwertigem“ etwa per Einschreiben zugestellt? (die 20-Euro-Teile sind ja Normalbrief)

  11. 11
    Chak says:

    Engywuck, es gibt da standardisierte Stempel mit vier Auswahlmöglichkeiten, warum der Brief nicht zugestellt werden konnte.

    Was aber ist ein hoheitlicher Stempel?

  12. 12
    Jens Bonn says:

    Berufskraftfahrer neigen schon mal dazu Punkte zu sammeln. Bei LKW-Fahrern gibt es für so viele Sachen Punkte – und je nach Verstoß bekommt auch der Disponent Punkte mit – da ist er noch keinen Meter gefahren …

    Und Aussendienstler fahren gerne mal etwas schneller als vor Ort erlaubt – ob die deshalb unsicherer fahren oder eine höhere Gefahr darstellen als jemand der zwei Mal im Jahr die Autobahn benutzt und Angst vor anderen Autos hat, sei Mal dahin gestellt.

    Ich habe lieber jemand der 20-25km/h auf der Autobahn schneller fährt wenn es der Verkehr her gibt (tagsüber auf fast leerer Bahn zB.) als jemand auf der Landstraße der mit 60-65 bei erlaubten 80 fährt und bei jedem Auto größer als Smart im Gegenverkehr dann noch bremst.

  13. 13
    Engywuck says:

    also nur dieser Billigstempel, den man (fast) mit einer Kartoffel fälschen kann? hmmmmm…. :-)

    hoheitlich, weil es ja Stempel gibt, die man nicht nachmachen darf (wäre früher als die Post noch eine Behörde war ja möglich gewesen), in Anführungszeichen, weil ich weiß, dass die Post AG heute nicht mehr Behörde ist, aber sie dennoch Stempel haben könnte, die amtlich aussehen (und schwer nachzumachen sind bzw. wo der Stempelhersteller merkt was er da tut).

    Wobei ich bei „Hochwertigem“ spätestens die vierte Zustellung nicht mehr über eine offensichtlich hier unfähige Post gemacht hätte. Aber das hätte ja vermutlich mehr gekostet…

  14. 14
    Jensemann says:

    @Jens Bonn:

    Wenn ich sehe, wie dauernd „Außendienstler“ oder Handwerker in weißen Kastenwagen im 80er-Bereich mit mind. 120 an mit vorbeidonnern, kann ich das nicht nachvollziehen. Vielleicht sollte ihnen ihr Chef mal sagen, dass sie mit ihrem Lappen und damit mit ihrem Job spielen.

  15. 15
  16. 16
    Drucker says:

    :-) Da könnte man ja mittlerweile schon eine Bingo-Karte mit den üblichen Exkulpationen für Schnellfahrer füllen …

    Aber mal davon abgesehen: Langjährige Erfahrung und solide Fahrpraxis setzen weder die Physik außer Kraft noch bescheren sie ein schnelleres Reaktionsvermögen. Bremsweg bleibt Bremsweg, und der wird bei höherem Tempo nun mal deutlich länger.

    Die StVO und die verschiedenen Verkehrszeichen setzen für alle Verkehrsteilnehmer einheitliche, klare Bedingungen. Wer meint, er müsse sich darüber hinwegsetzen, kann das natürlich jederzeit tun, sollte dann aber Manns (oder Frau) genug sein, auch die Konsequenzen zu akzeptieren.