Der Mandant verteidigte sich in der Hauptverhandlung durch Schweigen. Eine einfache Körperverletzung.
Beweisaufnahme: Die erste Zeugin, seine gutaussehende, sympathische Verlobte, wegen der es zur Auseinandersetzung zwischen dem Mandanten und dem Koch kam, sagte dramatisch, aber überzeugend aus. Dicke Tränen, beinahe auch bei der Richterin. Ich habe keine Fragen gestellt.
Dann kam der Koch. Der Ausbilder der Zeugin. Geschätzte, jedenfalls unförmige 110 kg, unflätiges Auftreten, fettige Haare und unrasiert. Der Unsympath in Person. Dem soll der Mandant eins auf die Zwölf gegeben haben, weil er seine Verlobte wiederholt gemobbt und begrapscht hat.
Die Richterin stellte die üblichen Fragen nach dem Tathergang. Nein, er, der Koch, habe die Petra nicht angefaßt. Aber wenn die in solchen Klamotten rumläuft, muß sie sich doch nicht wundern … Der Klassiker!
Der Staatsanwalt – mal wieder ohne Aktenkenntnis – fragte nur noch einmal nach, womit er denn geschlagen worden sei. Mit einem harten Gegenstand, den der Mandant in einer blauen Tüte mitgebracht haben soll. Zweimal, einmal von vorn, und einmal von hinten. Aha.
Von der Tüte und dem „harten Gegenstand“ war in den beiden Vernehmungen bei der Polizei noch keine Rede. Sondern nur von einem Schlag mit der flachen Hand und einem nachfolgenden Sturz gegen ein Regal.
Der Staatsanwalt nahm das gelassen – und ohne hektische Notizen zu machen – zur Kenntnis.
Ich hatte dem Koch bereits die Karten gelegt: Mir lagen Informationen von zwei weiteren Frauen vor, denen er an die Wäsche gegangen ist. Es gab einen unbeteiligten Zeugen von der Auseinandersetzung, der den Angriff des Kochs auf meinen Mandanten gesehen haben will. Ich bekam das Fragerecht und begann, höflich nach der Kleidung des Kochs und der anderen Mitarbeiter bei der Arbeit zu fragen. Der Staatsanwalt erkannte anscheinend sofort, worauf ich hinauswollte, und unterbrach mich noch vor meinem zweiten Satz.
Mein Protest hinderte ihn nicht; er setzte seinen Wunsch nach einem Rechtsgespräch durch. Und schlug die Einstellung des Verfahrens vor. Die Richterin signalisierte ihr Einverständnis und ich war geplättet. Sanktionsloses Ende eines für den Mandanten doch recht gefährlichen Verfahrens.
Die Familie der Verlobten und der „Fanclub“ meines Mandanten gratulierten mir überschwänglich am Ende zu meinem grandiosen Erfolg. Dabei hatte ich nun wirklich überhaupt keine Aktie an dieser Einstellung. Ich habe mich trotzdem über die Freude meines Mandanten und seinen Leuten gefreut.
Und das Lob buche ich um auf diejenigen Fälle, in denen ich gekämpft und zu Unrecht verloren habe.